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Über den Aufstieg der AfD und den Umgang mit einer Partei, mit der niemand sprechen will, die man jedoch angesichts ihrer Stärke auf Dauer nicht so behandeln kann, als wäre sie nicht da
Was folgt aus dem Anstieg der AfD in den Umfragen? Sind perspektivisch Verschiebungen der politischen Verhältnisse denkbar – oder halten die „Brandmauern“? Fragen an einen Konservativen, der die Gesprächsbereiten verschiedener Parteien zusammenführen will.
Herr Kelle, seit Monaten ist der Politikbetrieb in Aufregung. Die Umfragewerte der AfD stiegen lange Zeit in immer neue Höhen. Was ist Ihrer Meinung nach die Ursache dafür?
Das ist leicht zu erklären. Die AfD ist derzeit in Deutschland die einzige Partei, die konsequent Opposition gegen die Politik der Ampelregierung betreibt und dies auch mit guten Argumenten und ohne Geschwurbel an die Bürger kommuniziert. Das verleiht ihr ein Alleinstellungsmerkmal, da die CDU unter Friedrich Merz immer noch nicht Tritt gefasst hat. Eigentlich wäre es Aufgabe der Union, den Bürgern ein konsequentes Alternativprogramm anzubieten.
Parallel zum Aufstieg der AfD suchen die etablierten Parteien nach einem Gegenmittel. Die Erfolge sind bislang bescheiden. Warum erreichen die Etablierten so viele Wähler nicht mehr?
Eine wachsende Zahl von Bürgern hat den Eindruck, dass es in Berlin nicht mehr das Kräftespiel zwischen Regierung und Opposition gibt, sondern dass im Grunde alles eine Soße ist. Wenn Merz und sein neuer Generalsekretär Carsten Linnemann jetzt den Asylmissbrauch beklagen, dann hat den ja nicht Herr Scholz erfunden. Es war die CDU-Kanzlerin Angela Merkel, die die Grenzen für den ungeregelten Massenzuzug von Wirtschaftsmigranten öffnen ließ. Mit all den Folgen bis heute. Wenn die CDU jetzt kommt und über Asylmissbrauch lamentiert, dann haben die Leute nicht vergessen, wie und mit welcher Partei alles angefangen hat. Atomausstieg, Herunterwirtschaften der Bundeswehr, Homo-Ehe – da war die Christliche Union doch ganz vorn dabei.
Ein Weg der Auseinandersetzung mit der AfD war das Errichten sogenannter Brandmauern, die sinnbildlich dafür stehen, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD geben soll. Welche Wirkung haben die „Brandmauern“?
Brandmauer – das ist ein politischer Kampfbegriff. Im Osten der Republik hält sich doch niemand daran. In Kommunen, aber auch in den Landtagen plaudern Schwarze und Blaue ganz ungeniert miteinander und sprechen ihr Vorgehen manchmal konkret ab. Oder glauben Sie, dass 2020 die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen zufällig passiert ist?
Je länger die Brandmauer proklamiert wird, desto stärker wird die AfD. Ob man sie mag oder nicht: Man kann eine Partei, die fast ein Viertel der Wähler, im Osten ein Drittel, hinter sich versammelt, nicht behandeln, als wäre sie gar nicht da.
Wie sieht es denn bei der AfD aus? Sehen Sie dort das Bestreben, auf die etablierten Parteien – zumindest die bürgerlichen – zuzugehen und so politikfähig zu werden?
Bei einem Teil schon, aber vor dem Hintergrund der aktuellen Stärke gibt es auch Träume, im Osten Deutschlands bald Regierungen bilden zu können. Dabei wird im Siegestaumel verkannt, dass 30 Prozent zwar viel sind, aber eben auch 70 Prozent gegen die AfD stehen können.
Im kommenden Jahr stehen Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen an. Überall dort ist die AfD derzeit so stark, dass selbst Dreierkoalitionen kaum noch ausreichen dürften, um eine Mehrheit gegen sie zu bilden. Wie sollte sich die Union dann verhalten?
Darauf gibt es keine einfache Antwort. Wir haben auch jetzt schon in Sachsen 70 Prozent der Landtagsmandate besetzt mit CDU und AfD. Was die Sachsen definitiv nicht wollen, sind Grüne in der Regierung – und die haben sie. Das geht nicht gut beim Wähler. Andererseits: Eine AfD, die unfähig ist, Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine glaubhaft zu verurteilen und die Deutschland aus der EU herauslösen will, wird schwerlich eine Basis mit der CDU finden, zu deren politischer DNA Europa und die transatlantische Partnerschaft gehören.
Ein möglicher neuer Faktor im politischen Geschehen könnte eine „Liste Sahra Wagenknecht“ sein. Noch hat sich die langjährige Ikone der Linkspartei nicht festgelegt, ob sie eine eigene Partei gründen wird. Dennoch werden ihr schon jetzt große Chancen eingeräumt. Was halten Sie von Wagenknechts Gedankenspielen?
Wenn Sahra Wagenknecht tatsächlich die bundesweiten Strukturen für ihre neue Partei schaffen kann, dann wird sie locker in die Parlamente einziehen und ein Faktor im Parteiensystem werden. Das wäre das sofortige Ende der Linken als Partei, was ich begrüße, und es würde die AfD im Osten halbieren, was vielleicht sogar für die gesamte AfD gut wäre. Aber: Sarah Wagenknecht ist eine Sozialistin und will unser System überwinden. Das kann ein bürgerlicher Wähler niemals mitmachen.
Sie haben mit den „Vollversammlungen der wahren Schwarmintelligenz“ ein Forum gegründet, das Gespräche zwischen verschiedenen Lagern ermöglichen will. Sind solche Foren in Zeiten von „Brandmauern“ noch möglich?
Ja, ich mache das seit acht Jahren, 2023 wird es vom 25. bis 27. August in Hessen stattfinden. Da gibt es keine Brandmauern, kein Teilnehmer wird vorher gefragt, was er wählt. Jedes Jahr kommen Hunderte engagierte Menschen aus allen Teilen der Republik zum offenen Meinungsaustausch zurück – und das ohne Medienberichterstattung.
Und was erwartet die Besucher dort?
Schwerpunktthemen werden die Fragen nach der Repräsentationslücke für Konservative in Deutschland sein, die Clan-Kriminalität und ihr Einfluss auf die Politik sowie auch die Frage, wie sich die Welt nach dem Ukrainekrieg ökonomisch neu formiert. Wir freuen uns auf Gäste wie Hans-Georg Maaßen, Joana Cotar, den Polizeigewerkschafter Rainer Wendt oder auch den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff und seine Erfahrungen mit der deutschen Justiz.
• Nähere Informationen zur erwähnten Veranstaltung per E-Mail unter kelle@denken-erwuenscht.com
Rolf Dudeck am 11.08.23, 12:01 Uhr
Zitat: "Wie sieht es denn bei der AfD aus? Sehen Sie dort das Bestreben, auf die etablierten Parteien – zumindest die bürgerlichen – zuzugehen und so politikfähig zu werden?"
Was ist denn das für eine Frage? Zum einen: Welche "bürgerlichen" Parteien sollen denn das sein? Zum anderen: Die AFD wird von Menschen gewählt, die die grüne Politik der anderen relevanten Parteien (und zwar ausnahmslos aller dieser Parteien!) nicht mehr wollen. Und zwar nicht nur "ein bißchen" nicht mehr, sondern "ganz und gar" nicht mehr! Für diese Menschen ist die AFD politikfähig. Sie vertritt als einzige relevante Partei deren politische Vorstellungen und Interessen. Die Frage geht deshalb völlig an der Realität vorbei.