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Im Rückspiegel

Reichsautobahnabschnitt Kolbitzow–Hornskrug – Geplant war der Verlauf Berlin–Stettin–Elbing–Königsberg

Brigitte Klesczewski
03.04.2022

Die Reichsautobahn 11, Berlin–Stettin, berührte die pommersche Hauptstadt nicht direkt, als sie im Jahr 1936 dem Verkehr übergeben wurde, denn bei Kolbitzow bog sie nach Osten ab und endete bei Hornskrug. Hier erreichte sie die Bäderstraße nach Swinemünde und Cammin an die Ostsee. Erst als Stettin am 15. Oktober 1939 durch Eingemeindungen von 40 Ortschaften zur Großstadt wurde, kam sie bei Klütz im Süden des Stettiner Stadtkerns an ihre neue Großstadtgrenze. Geplant war, dass diese Reichsautobahn 11 einmal Königsberg als Endziel haben sollte.

Berlin–Stettin–Königsberg

Der nach Osten führende Teilabschnitt Kolbitzow–Hornskrug dagegen konnte erst 1937 fertig gestellt werden, denn vorher musste das fünf Kilometer breite Odertal mit gewaltigen Brückenbauten überquert werden. So beträgt die Länge der Westoderbrücke 204 Meter, während es die Reglitz- oder Ostoderbrücke auf 224 Meter bringt. Mit der Teilstrecke der Reichsautobahn 11 – sie gehört zu den ältesten Autobahnen in Deutschland – wurde im Frühjahr 1934 begonnen. Da der Reichsautobahnabschnitt an der Ostseite des Odertales an Podejuch, dem Isertal, der Mittelmühle, Hökendorf und Rosengarten vorbeilief, wurde sie im Volksmund auch Buchheideautobahn genannt.

Teilstück Buchheideautobahn

Für die gewaltigen Dammbauten und die geplante 220 Meter lange und 22 Meter hohe Brücke über die Lange Straße am Hökendorfer Buchheiderand wurde zur Erleichterung der vielen Erdarbeiten eine Feldbahn eingesetzt. Um diese Brücke überhaupt bauen zu können, wurden die Wirtschaftsgebäude des Hökendorfer Bauern Arndt enteignet. Als Ausgleich erhielt er einen Bauernhof in Grünow bei Pasewalk. Die Schienen und Loren für die Feldbahn mussten vom Altdammer Bahnhof zur Baustelle gebracht werden. Spanndienste für den Transport leistete das Gut Dohrn in Hökendorf. Beim Ausladen der Schienen verunglückte tödlich am 24. August 1934 Dietrich Anton Dohrn, der Erbe des Gutes, als er versuchte, seinen Mithelfer Paul Dennier zu retten. Er hatte bemerkt, dass die Schienen ins Rutschen geraten waren. Paul Dennier blieb durch den Rettungseinsatz zwar am Leben, war aber schwer verletzt im Gesicht.

Von der fertiggestellten Brücke hatte man einen herrlichen Blick auf Hökendorf und Altdamm bis hin zum Dammschen See. Im Jahr 1937 war der Bauabschnitt Kolbitzow–Hornskrug abgeschlossen und konnte somit zum Verkehr zugelassen werden. Noch bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts stand eine der typischen Reichsautobahntankstellen mit ihrem schwungvollen Dach bei Rosengarten.

Erinnerungen

An diesen Teil der ehemaligen Reichsautobahn 11 habe ich sehr viel persönliche Erinnerungen. Unsere Sommerferienreisen nach Wald-Dievenow an der Ostsee begannen mit dem Auto von 1937 bis 1939 von Hökendorf aus auf dem Teilstück. Weiter ging es dann ab Hornskrug auf der Bäderstraße in Richtung Swinemünde beziehungsweise Cammin. Während des Krieges gab es Benzin auf Zuteilung und nur für Dienstfahrten. Auf der Autobahn sah man daher nur wenige Autos. Die Hökendorfer Jugend machte sich immer wieder gerne den Spaß, sie für Wettfahrten mit dem Rad zu nutzen.

Im Januar und Februar 1945 wurden die Trecks aus Hinterpommern und Ostpreußen vor der großen Hökendorfer Brücke umgeleitet, damit die Autobahn frei für die Wehrmachtsfahrzeuge blieb. Zwei Monate später wurde sie zur Rollbahn für die russischen Fahrzeuge.

Seit 1975 bin ich bei Pomellen, Grenzort der DDR zu Polen, über Kolbaskowo, wie jetzt Kolbitzow heißt, nach Hökendorf [Kleskowo] mit dem Auto gefahren. Beim Grenzort Pomellen gab es oft lange Wartezeiten. Hier kamen die Heimwehtouristen oder Nostalgiereisenden oft untereinander ins Gespräch und tauschten Erlebnisse und Erfahrungen ihrer Fahrten untereinander aus.

Hotel Panorama, viel besucht

An der Autobahn oberhalb von Podejuch entstand ein großes Hotel, das Hotel Pa­norama. Hier verabredeten sich die Hökendorfer nach der Wende 1989 jährlich zu einem Heimattreffen.

In Hökendorf vergaßen einige ehemaligen Ortsbewohner nicht, auf die Autobahnbrücke über die Lange Straße zu steigen, um den weiten Blick bis zum Dammschen See zu genießen, wie früher. Manch einer buddelte eine Immortellenpflanze am Böschungsrand der Brücke aus, um sie zu Hause wieder einzupflanzen. Dieser Blick von der Brücke ist heute leider durch eine Schutzwand mit kleinem Fenster eingeschränkt worden. Um das Jahr 2012 wurde diese Brücke von den Polen saniert.

Vom Hotel Panorama aus bin ich mit einer kleinen Hökendorfer Gruppe an der Autobahn entlang nach Hökendorf gewandert. Man konnte auch schon vorher, an der kleinen Autobahnbrücke, über die Straße von der Mittelmühle zur Pulvermühle herabsteigen, um von dort in den Heimatort zu gelangen.

Heute läuft die ehemalige Reichsautobahn 11 als A 11/E 28, in Polen als A 6. Die Passage der Grenze ist seit dem EU-Beitritt Polens kein Hindernis mehr.


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