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Ein Angebot, das man nicht ausschlagen kann – Das ZDF wagt sich an das riskante Genre des Mafia-Thrillers
Die ersten Szenen zeigen eine Idylle, von einer sanften Sonne beschienen. Ein Winzer und seine erwachsene Tochter schlendern durch Reihen voller Rebstöcke, die Trauben hängen dicht an dicht, die junge Frau dreht prüfend eine Frucht zwischen den Fingern. „Die Schale hat die richtige Konsistenz, die Kerne sind gut vom Fruchtfleisch gelöst, vielleicht noch eine Woche, dann ist der Wein reif zum Ernten,“ befindet sie, und der Vater lächelt stolz: Kann es etwas Friedlicheres geben als einen Inspektionsgang durch die Weinberge Südtirols?
Der Weingutbesitzer Matteo DeCanin (Tobias Moretti) klopft Laura, seine Tochter im Film wie im Leben (Antonia Moretti), anerkennend auf die Schulter – die nächste Generation steht vielversprechend am Start. Nur die düstere Hintergrundmusik irritiert, genauso wie der Mann, der mit dem Fernglas auf einer Anhöhe stehend das Weingut fokussiert. Und erinnert der rote Wein, der sich im Vorspann so üppig über die Bildtotale ergießt, nicht fatal an Blut?
Selten gelang es so überzeugend, das Einsickern des Bösen zu zeigen wie in dem Zweiteiler „Im Netz der Camorra“, der am 6. und 7. September um 20.15 Uhr im ZDF läuft. Die Filmmusik schafft eine Atmosphäre wachsender Beklemmung, Hauptdarsteller Moretti gibt glaubhaft den gestandenen Unternehmer, der seine exquisiten Tropfen in fließendem Italienisch anpreist. Aber in den tiefen Furchen seines Gesichts, in den flackernden grünen Augen, scheinen auch andere Erfahrungen zu nisten.
Und dann die Ehefrau, gespielt von Ursina Lardi, die anfangs so glücklich ist, dass ihr dieser erfolgreiche Partner mit dem Weingut und der Vinothek einen neuen Lebenssinn eröffnet hat. Arglos bietet sie einem einsilbigen Gast, der ihre Vinothek betritt, eine Gratis-Verkostung an. Nur den ganz exklusiven Tropfen, den zu knapp 3000 Euro die Flasche, den habe man leider nicht im Ausschank.
Die Grenze, die sie in dieser Szene noch arglos aufzeigt, wird wenig später eingerissen. Genauso wie ihr gutbürgerliches, eingerichtetes Leben, das nach und nach von einem furchtbaren Verdacht überschattet wird. Denn der Mann, mit dem sie zusammenlebt, scheint ein düsteres Geheimnis zu haben. Am Schluss wird sie eine Flinte in der Hand halten, verängstigt, aber zu allem entschlossen.
„Im klassischen Mafiafilm sind Frauen oft kochendes oder leidendes Beiwerk,“ so Regisseur Andreas Prochaska, „meine Frauenfiguren sollen mehr sein als Kollateralschäden männlichen Handelns.“
Mafiafilme haben eine lange Tradition. Stilbildend in den 70er Jahren war Francis Ford Coppolas „Der Pate“ mit Marlon Brando in der Hauptrolle, später dann gefolgt von zwei Fortsetzungen sowie von Genre-Filmen wie Martin Scorceses „GoodFellas“ und „Casino“. Dass allerdings ein im deutschsprachigen Raum gedrehter Mafia-Film derart packt, ist die Ausnahme. Es mag an dem Kontrast zwischen den idyllischen Weinbergen und dem Einbruch des Verbrechens liegen, vor allem aber am kongenialen Zusammenspiel von Regie, Kamera und Musik.
Regisseur Prochaska machte vor einigen Jahren mit dem düsteren Western „Das finstere Tal“ auf sich aufmerksam, in dem sein Hauptdarsteller Sam Riley an den Mördern seiner Familie eine späte Rache nimmt. Diesmal ist es umgekehrt: Nicht der Gute bringt die Bösen zu Fall, sondern die Bösen überziehen das zweite Leben des Matteo DeCanin mit einem Netz aus Drohung und Erpressung.
Dieser steht vor der Entscheidung: Entweder er spielt mit und geht auf die absurden Forderungen des Weinpanschens ein, mit dem die Mafiosi im großen Stil Geld machen wollen – oder seine Familie, die von seiner kriminellen Vergangenheit nichts weiß, ist in Gefahr. „Wenn es nicht funktioniert, wird es mir eine Freude sein, deine Frau und deine Tochter zu töten,“ sagt der Anführer des Clans (Fabrizio Romagnoli) und lässt keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit.
Spätestens jetzt wird der Thriller zum Drama. Der Mann, der sein kriminelles Vorleben endgültig hinter sich lassen wollte, wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Wie Moretti diesen Zwiespalt darstellt, ohne in das Klischee des eiskalten Killers zu verfallen, ist sehenswert. Der Schauspieler über die Arbeitsweise seines Regisseurs: „Er dreht Dialoge nicht in kleinen Schritten, sondern in großen Bögen. Vielleicht haben die Szenen deshalb diesen drängenden Atem. Mir kommt es manchmal so vor, als würde ich durch ein 50-Meter-Becken schwimmen und wüsste nicht, ob die Luft reicht.“
Zwischen den Fronten agiert der Gendarm Adrin Erlacher (Harald Windisch), der im Alleingang eine von einer Kugel getroffene und ebenfalls in die Machenschaften der Mafia involvierte Afrikanerin in Sicherheit bringt. Auch er steht deshalb auf der Todesliste, aber ausgerechnet er wird derjenige sein, der dem Weingutbesitzer eine goldene Brücke zurück in sein bürgerliches Leben baut.
Die Mafia, so untersuchte die ZDF-Dokumentation „Alte Clans, neue Methoden“ erst Ende August, wurde in den letzten Jahren keineswegs zurückgedrängt, sondern hat von der aktuellen Pandemie sogar profitiert. Wo landauf, landab die Läden geschlossen wurden und Menschen in wirtschaftliche Not gerieten, sahen die Mafiosi ihre Chance. Sie vergaben private Kredite, brachten in Italien große Teile der Gemüseernte unter ihre Kon-trolle. Bisher wähnte man den Einfluss der großen Clans ausschließlich im Süden Italiens – in Sizilien etwa die Cosa Nostra, in den Provinzen Neapel und Kampanien die Camorra. Bis in die Berghänge Südtirols, da, wo Wein und Wasser fließen, schienen ihre Verbindungen nicht zu reichen.
Der ZDF-Thriller zeigt nun, wie die moderne Mafia immer tiefer in die scheinbar heile Welt bürgerlichen Wohlstands eingedrungen ist. Und so mischt sich in den teuren Rotwein des Weingutes DeCanin das bittere Gift latenter Gefährdung.
Siegfried Hermann am 04.09.21, 09:26 Uhr
Jetzt muss ich doch mal meckern.
Die ersten astreinen Mafia-Klassiker liefen mit Lino Ventura und Alain Delon in den 60zigern, u.a. Der Clan der Sizilianer.
Ich sach ma so:
Seichte, polidiesch korräkte Unterhaltung für Cafe latte und Prosecco Schlürfer aus dem feucht-grünen Bergmannstr.-Biotop, die jede Lebenswirklichkeit verloren haben.
Zum Vergleich Detlef Buck, Knallhart.