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Bauvorhaben sind Sache der Gebietsregierung – Bürger beklagen sich vielfach in Internetforen

Jurij Tschernyschew
17.01.2020

Als Gouverneur Anton Alichanow 2016 sein Amt antrat, wurden in der Gesetzgebung des Königsberger Gebiets eine Änderung vorgenommen. Diese betrafen auch die Baupolitik der Stadt. Seitdem wird über die Umsetzung von Bauprojekten, die Erteilung von Baugenehmigungen und die Gestaltung des Erscheinungsbilds der Städte in der Region nicht mehr in den Kommunen, sondern auf Ebene der Regionalregierung entschieden. Die Stadtverwaltungen beschäftigen sich weiter mit der Umsetzung von Infrastrukturprojekten wie der Gestaltung von Plätzen, der Beleuchtung, mit Bänken, Mülltonnen und dergleichen.

Früher hatte der jeweilige Stadtrat die Entscheidungen über Bauvorhaben selbst getroffen. Da die Mehrheit der Abgeordneten Eigentümer von Baufirmen sind – beispielsweise sind die Firmen des Abgeordneten Walerij Makarow am Bau von 14 Hochhäusern und die von Jewegenij Wercholas an über 20 Neubauten beteiligt –, wäre zu erwarten gewesen, dass im Zusammenhang mit der Übertragung von Befugnissen zur Erteilung der Baugenehmigungen an die Landesregierung positive Veränderungen eintreten würden.

Bei einem Treffen des regionalen Architektur- und Stadtplanungsrates, bei dem der Bau eines Hochhauses in der Alten Pillauer Landstraße [Dmitrij Donskoj] diskutiert wurde, machte Jewgenij Kostromin, Chefarchitekt des Königsberger Gebiets, deutlich, dass Königsberg in Bezug auf die Architektur dem Weg Hamburgs folgen und die Anzahl der Stockwerke der neuen Gebäude nicht grundsätzlich einschränken solle.

Die Hochhausbebauung auf jedem verfügbaren Grundstück ist bereits zur Norm für die Stadt geworden, aber einige Architekten und die Bewohner der umliegenden Häuser sind entschieden dagegen. Viele Russen vergleichen Königsberg mit Shanghai, der größten chinesischen Metropole, die trotz des Einsatzes modernster Technologie als Synonym für Chaos und Unordnung gilt. Sergej Gulewskij, Mitglied des russischen Architektenverbands, bezeichnete die Entwicklung Königsbergs als „Shanghai und ein Chaos, in dem psychisch kranke Kinder aufwachsen werden“. Seiner Meinung nach „töten“ die Entwickler einfach die städtische Umgebung.

Planung ohne Bürgerbeteiligung

Viele Architekten gehen davon aus, dass der Bau von Hochhäusern einen wirtschaftlichen Nutzen für die Bauherren bringe. Berücksichtigt man jedoch den Gesundheitszustand der Bürger, so ist bekannt, dass eine mehrgeschossige, dichte Bauweise sich negativ auf die Psyche auswirkt. Gulewskij beklagte, dass in Europa im Durchschnitt Siedlungen und Städte etwa 4,5 Prozent eines Staatsgebietes einnähmen, während in Russland die Fläche aller Städte weniger als ein Prozent der Gesamtfläche des Landes ausmache. Warum also mehrstöckige Gebäude dicht nebeneinander bauen? Er wies darauf hin, dass Königsberg ein historisches Erbe sei:

„Wir haben ein wunderbares Erbe: Königsberg und seine Planungsstruktur. Wenn wir durch das Zentrum gehen, ... sehen wir, wie groß die Häuser und die Straßen sind. Der Mensch lebt gut da. Eine gemütliche Straße und ein gemütlicher Innenhof sorgen für psychische Gesundheit und angenehme Gefühle.“ Zwischen Wolkenkratzern müssten sich die Städter dagegen wie Ameisen vorkommen.

Er forderte, durch Diskussionen einen Konsens mit den Bürgern zu erreichen. Einen solchen Mechanismus gebe es nicht. Weder Bürger noch Architekten dürften echte Diskussionen führen. Die Fachwelt und die Bürger müssten ihrem Ärger in sozialen Netzwerken Luft verschaffen, während die Stadt und die regionalen Behörden ihre Pläne einfach weiter umsetzten.

Gulewskij beklagte, dass mit der neuen Gebietsregierung die positiven Entwicklungen, die es seit dem inzwischen eingestellten Projekt „Herz der Stadt“ gab, Vergangenheit seien. „Jetzt haben wir Architekten überhaupt keine Informationen mehr. Fast alle neuen Projekte sind von der Dunkelheit des Unbekannten bedeckt. Niemand kennt die Strippenzieher, und wer etwas tut oder wie.“

In der Tat wurden seit Amtseinführung der neuen Regierung die Stadtentwicklungspläne geändert. Wo früher ein freier Platz geplant war, gibt es nun Gebäude und Einkaufszentren. Alle Versprechungen des bisherigen Bürgermeisters oder Gouverneurs wurden von der neuen Führung wieder einkassiert. Die künftige Entwicklung Königsbergs bleibt somit intransparent.


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