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War den Polen viel Wert: Stanisław Moniuszko auf einem alten, nicht mehr im Umlauf befindlichen 100.000-Złoty-Schein
Foto: pa/ZoonarWar den Polen viel Wert: Stanisław Moniuszko auf einem alten, nicht mehr im Umlauf befindlichen 100.000-Złoty-Schein

Kunst · Geschichte · Essays

In Berlin gelebt, von Wagner geprägt

Posener Oper führt „Das Gespensterschloss“, die berühmteste Oper des Polen Stanisław Moniuszko, in der Berliner Philharmonie auf

Jolanta Lada-Zielke
20.04.2024

Als populärste Oper des polnischen romantischen Komponisten Stanisław Moniuszko (1819–1872) gilt „Das Gespensterschloss“ („Straszny Dwór“). Sie wird in einer konzertanten Aufführung in der Berliner Philharmonie am 22. April zu erleben sein. Es treten Solisten, Chor und Orchester der Posener Oper unter der Leitung von Marco Guidarini auf. Dies ist bereits die dritte derartige Präsentation einer Oper Moniuszkos auf der Berliner Bühne. Das Posener Ensemble führte dort bereits „Halka“ (2019) und „Paria“ (2023) mit Erfolg auf.

„Das Gespensterschloss“ spielt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zwei junge, abenteuerlustige polnische Adlige schwören, niemals zu heiraten, um jederzeit bereit zu sein, ihr Heimatland zu verteidigen. Nachdem sie von einem Gespensterschloss gehört haben, beschließen sie, dorthin zu fahren, um sich mit bösen Geistern auseinanderzusetzen. An diesem Hof gibt es jedoch keine Gespenster, sondern schöne und auf dem Heiratsmarkt gefragte Jungfrauen. Eifersüchtige Mütter und Kupplerinnen aus anderen Häusern verbreiten das Gerücht über den angeblichen Fluch, um junge Männer von diesem Ort fernzuhalten. Zum Schluss brechen beiden Helden ihr Gelübde und heiraten zwei zauberhafte Bewohnerinnen des Gespensterschlosses. Am Ende tanzen alle die feurige Mazurka.

Die Aufführungen der Opern von Moniuszkos in Berlin sollen eine Art Rückkehr sein. Der als „Vater der polnischen Nationaloper“ titulierte Komponist verbrachte drei Jahre an der Singakademie zu Berlin (1837–1840), wo er Komposition bei Carl Friedrich Rungenhagen studierte. Dort lernte er großformatige und kleinere Werke vokaler Musik von der kompositorischen und der Aufführungsseite kennen. Darüber hinaus arbeitete er als Korrepetitor und Chorleiter.

In Berlin führte Moniuszko seine „Drei Lieder“ zu Gedichten des polnischen Dichters Adam Mickiewicz erfolgreich auf. Einige seiner Stücke veröffentlichte der Verlag Bote & Bock. Zwar lag damals ein Teil des heutigen Polen im preußischen Staat, es war aber noch vor der Zeit von Bismarcks Kulturkampf.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es sowohl in Warschau als auch in Berlin eine intensive Beschäftigung mit der Kultur der anderen Seite. Ein großer Teil der Einwohner Warschaus und anderer polnischer Städte sprach Deutsch und war deutsch geprägt. Von Rungenhagen stammt die Oper „Ratibor und Wanda“ zu einem polnischen Thema, die man komplett aufführte. Unter den aufgeklärten Bürgern Deutschlands herrschte Begeisterung für Polen als Kämpfer gegen das zaristische Russland. Die Werke Moniuszkos waren ein Teil dieser damals noch selbstverständlichen Beschäftigung mit dem Nachbarn.

Unter dem Wagnerschen Einfluss
Ebenso selbstverständlich war, dass Rungenhagen dem polnischen Studenten die Möglichkeit vermittelte, dessen erste Liedversuche zu veröffentlichen. Diese Stücke ähnelten denjenigen, die die Töchter aus guten Häusern im 19. Jahrhundert am Klavier bei Hauskonzerten spielten. Rüdiger Ritter, Musikwissenschaftler und Autor der deutschsprachigen Biographie Moniuszkos, sieht eine stilistische Verwandtschaft der Lieder des Komponisten mit Balladen von Karl Loewe.

Wenn man über die Geschichte der Opernmusik im 19. Jahrhundert spricht, kommt man nicht um das Werk Richard Wagners herum. Karol Musioł schreibt in seinem Buch „Wagner und Polen“, dass sich Moniuszko von Wagner inspirieren ließ. In „Das Gespensterschloss“ gestaltete er den Anfang des zweiten Aktes nach der Spinnstubenszene vom „Fliegenden Holländer“. Am Silvestertag sitzen junge Bewohnerinnen des Gespensterschlosses mit einer älteren Dame wie Sentas Amme Mary zusammen und sticken ein Tischtuch für einen Altar. Wie in der Oper Wagners träumen sie von ihren Geliebten, die sie aber noch nicht kennen. Sie haben vor, aus dem aufs Wasser gegossenen Wachs abzulesen, welche welchen heiraten wird.

Als reifer Komponist hat sich Monius­z­ko die neuesten Partituren und Klavierauszuge zukommen lassen und wusste, was die bedeutendsten Komponisten geschrieben haben. Deshalb konnte er die Werke Wagners – vielleicht sogar vor ihrer Erstaufführung – kennenlernen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er diese Szene aus dem „Fliegenden Holländer“ als Muster nahm und entsprechend umarbeitete. Heute sind Moniuszko und Wagner als Schöpfer der Nationaloper anerkannt, jeder in seinem Land.

„Das Gespensterschloss“ wurde am 28. September 1865 in Warschau uraufgeführt, als die Repressionen nach dem niedergeschlagenen Januaraufstand gegen die russische Herrschaft noch andauerten. Nach der dritten Aufführung nahm die zaristische Zensur die Oper vom Spielplan. Wahrscheinlich gilt aus diesem Grund das Werk bis heute als die polnischste von Moniuszkos Opern.

Das bedeutet jedoch nicht, dass das Publikum aus anderen Ländern ihre Botschaft nicht verstehen könnte. „Das Gespensterschloss“ hatte bereits Erfolg beim 11. Internationalen Wettbewerb der Interpreten European Opera sowie dem Internationalen Opernfestival in Wiesbaden 2022. Die Berliner Aufführung am 22. April kann auch gut ankommen. Die Besetzung ist international: ein italienischer Dirigent und ein polnisch-ukrainisches Solistenensemble.

Karten: www.berliner-philharmoniker.de


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