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Bei Olaf Scholz liegen die Nerven blank. Das Ende der Ampel vollzog er wenig staatsmännisch, nun kämpft er ums politische Überleben
Was genau an jenem denkwürdigen Mittwochabend im Bankettsaal des Kanzleramts geschah, der im Volksmund bereits „Sterbezimmer der Ampel“ genannt wird, ist öffentlich noch nicht vollends rekonstruiert. Die Beteiligten geben bislang nur mit Abweichungen Auskunft. Offenbar hat im Beisein des Koalitionsausschusses der Kanzler zu seinem Bundesfinanzminister um kurz nach halb neun gesagt: „Ich möchte nicht mehr, dass du meinem Kabinett angehörst, und werde morgen dem Bundespräsidenten mitteilen, dass du entlassen wirst.“ Christian Lindner soll mit einem „Okay!“ geantwortet haben, dann schwieg die Runde sekundenlang. Bis Olaf Scholz gesagt habe: „So. Doof.“
Ein Kanzler-unwürdiger Auftritt
Wenig später trat Kanzler Scholz vor die Presse, gab das Ende der Ampelregierung bekannt und fauchte seinem gefeuerten Koalitionspartner erstaunlich ungefiltert seine aufgestaute Wut hinterher: „Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Für den sonst bis an die Schmerzgrenze gefühlsreduziert auftretenden Scholz waren diese Worte ein vulkanisch anmutender Ausbruch von Leidenschaft. Staatsmännisch souverän wirkten sie nicht. Von Scholz' Respekt-Versprechen im Wahlkampf 2021 ist wenig übrig geblieben.
Das Zornesgewitter war indes wohlkalkuliert, seine Rede las der Noch-Kanzler vom Teleprompter ab, er konnte sie also nicht spontan entworfen haben. Am folgenden Sonntag gab Scholz dann im Talk mit Caren Miosga zu, mindestens zwei Reden vorbereitet zu haben: „Ich habe mich vor allem für den Fall vorbereitet, dass wir es hingekriegt haben.“
Ebenso unwürdig erscheint das Taktieren des Regierungschefs um den Termin seiner Vertrauensfrage, die den Prozess zu Neuwahlen in Gang setzt. „In der ersten Sitzungswoche des Bundestages im neuen Jahr werde ich dann die Vertrauensfrage stellen, damit der Bundestag am 15. Januar darüber abstimmen kann“, kündigte er in seiner Mittwochabendrede an, womit die Neuwahl gut zwei Monate nach dem Verlust seiner Parlamentsmehrheit stattfinden würde. Nach ersten Protesten ruderte er zwei Tage darauf in typischer Scholz-Manier zurück und behauptete, er habe ja bereits angekündigt, „zügig“ Neuwahlen ermöglichen zu wollen: „Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren.“
Tatsächlich hat Scholz allen Grund, den Wahltermin so spät wie möglich anzusetzen. Seine SPD oszilliert bei Umfragen zwischen 15 und 16 Prozent. Im Ansehen der Bürger ist der Kanzler so unbeliebt wie nie, 72 Prozent der Bürger sind unzufrieden mit ihm. Trotzdem hält seine Partei – bislang – an Scholz als nächsten Kanzlerkandidaten fest. SPD-Chefin Saskia Esken ist „überzeugt, dass wir mit ihm gemeinsam auch diese Bundestagswahl gewinnen können“. Für den 30. November hat Generalsekretär Matthias Miersch eine „Wahlsieg-Konferenz“ einberufen. Dass hier verzweifelte Sozialdemokraten ihre Existenzängste mit allerlei Wortgeklingel vertreiben wollen, ist unüberhörbar.
Ende eines Irrtums
Ein Sympathieträger war Olaf Scholz nie. Sonderliches Charisma hat ihm noch keiner nachgesagt. Seinen Aufstieg in der SPD verdankt der Fachanwalt für Arbeitsrecht seinem Bienenfleiß und seiner Begabung fürs parteiinterne Strippenziehen. In Hamburg schmückte sich ab 2011 eine zerstrittene SPD mit Scholz als ehemaligem Bundesminister im Amt des Ersten Bürgermeisters. 2019 bewarb er sich bei der Urwahl als Parteivorsitzender, die Mitglieder wählten jedoch lieber Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.
Zum Kanzlerkandidaten brachte es Scholz nicht, weil er ein Parteiliebling ist, sondern weil weit und breit kein Genosse Kandidatenformat vorwies. Dass Boris Pistorius seit Amtsantritt als Verteidigungsminister Anfang 2023 als beliebtester Politiker gilt, liegt daran, dass auch Scholz bewiesen hat, dass er jenes Format nicht hat.
Seine ganze Erscheinung vermittelt etwas innerlich Unfreies. Scholz läuft in kleinen Watschelschritten, als trüge er Fußfesseln. Er presst dabei die linke Hand an den Bauch, als schmuggle er etwas über die Grenze. Wenn er spricht, tastet er sich unwillig durch den Satzbau, als sei ihm sein eigenes Gerede zuwider. Oft genug hinterlässt er beim Publikum den Eindruck, als sei ihm nicht zu trauen, weil er sich augenscheinlich in Parallelwirklichkeiten bewege. Seine Erinnerungslücken in der Causa Cum-Ex wurden sprichwörtlich; seine Aufschneidereien wie „Ich kann Kanzler!“ (vor der vergangenen Wahl) oder „Ich rechne fest damit, dass die SPD und ich auch die nächste Regierung anführen werden“ (vor der kommenden Wahl) haben seine Glaubwürdigkeit nicht steigern können.
Scholz ist nicht nur der unbeliebteste Kanzler, den unser Land je hatte – er könnte auch als erfolglosester Regierungschef enden. Zwar stellte auch Willy Brandt im September 1972 nach drei Jahren Regierungszeit die Vertrauensfrage und führte vorgezogene Wahlen herbei, aber Brandt war damals ein Popstar und holte zwei Monate später mit 45,8 Prozent das beste Ergebnis für die SPD überhaupt.
Schon 2021 ging Scholz als farbloser SPD-Kandidat ins Rennen, der nur deshalb mit 1,6 Prozentpunkten Stimmenvorsprung die Union überholen konnte, weil die Christdemokraten den ohnehin schwachen Armin Laschet aufstellten, der mit einem verunglückten Lachanfall im Hochwassergebiet im Westen der Republik seine Siegchancen vermasselte.
Vom Kanzler zum Komiker
Diesmal weiß Scholz sehr wohl, dass er als Paria in den Wahlkampf zieht. Manch einer empfindet die Entlassung Lindners als eine Art erweiterten politischen Suizid des Kanzlers. Am Tag nach dem Ampel-Aus verspottete der Kabarettist Abdelkarim in der ARD den Kanzler als „das menschgewordene Testbild“. Verlacht wird Scholz auch im Ausland. In den USA höhnte Trump-Gefährte Elon Musk auf X/Twitter: „Olaf ist ein Narr“. Aus Polen folgte auf die Klagen der Bundeswahlleiterin über eventuell fehlendes Papier für Neuwahlunterlagen das ironische Angebot, den Papiermangel notfalls zu beheben.
So verhält sich Scholz wie einer, der nichts mehr zu verlieren und den Abgrund beständig vor Augen hat. Der Auseinandersetzung mit dem Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz will er betont gelassen entgegensehen, schließlich seien die Unterschiede zwischen ihnen groß: „Ich finde mich cooler, wenn es Staatsangelegenheiten betrifft“, verkündete er bei „Caren Miosga“. Und den Vorsprung der Union in den Umfragen, die zwischen 34 und 36 Prozent liegt, quittierte er mit: „Das ist eine sehr aufholbare Größenordnung.“ Gut möglich, dass Scholz in der Abgeschiedenheit seiner Filterblase wahrhaftig glaubt, dort draußen im Lande würde noch jemand auf ihn warten.
Kersti Wolnow am 13.11.24, 11:08 Uhr
Nein der Unterschied zu Merz ist wirklich gering, beide gehören demselben Hause an, er als Warburg-Mitglied und der Friedrich als Black Rock, also beide der City of London.
K. M. am 13.11.24, 07:03 Uhr
Ich finde es sehr mutig, Willy Brand mit Olaf Scholz zu vergleichen. Haben doch beide wirklich nichts gemeinsam. Wenn man sieht, wie er sich an ein Amt klammert, was er nicht im Entferntesten ausgefüllt hat, verwundert einen doch nichts mehr. Das fade Auftreten, seine glanzlosen Reden, das Aussitzen, was er augenscheinlich von Frau Merkel gelernt hat. In meinen Augen war noch nie der "Kanzler".
Es wird Zeit, dass er in der Versenkung verschwindet, und auch endlich zur Rechenschaft, in Sachen Cumex, gezogen wird. Die Aroganz, welche er an den Tag legt, die Überheblichkeit, mit der er Andersdenkende beschimpft, nein im Interesse der eigenen Bevölkerung, stand er noch nie. Ich kann nur hoffen, dass das Gespräch, welches mit Merz im Hinterzimmer wieder vollzogen wurde, ein Rohrkrepierer wird, und man im Nachgang nicht wieder eine rot-schwarze Verbindung bilden kann, denn nichts anderes bezweckt der gute Herr.