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Enttäuschung über Merz-Koalition: Parteiaustritte und Forderungen nach einem Mitgliederentscheid
Als SPD-Spitzenkandidat musste Gerhard Schröder im Jahr 2005 feststellen, dass Bundestagswahlen zwar im Westen Deutschlands gewonnen werden, ein schlechtes Abschneiden im Osten der Republik am Ende aber dann doch den Wahlsieg kosten kann. Schröders SPD lag vor 20 Jahren mit 34,2 Prozent nur einen Prozentpunkt hinter den Unionsparteien, die 35,2 Prozent holten. Zum knappen Wahlsieg der Unionskandidatin Angela Merkel hatte seinerzeit beigetragen, dass die SPD in mehreren östlichen Bundesländern deutlich hinter ihrem bundesweiten Gesamtergebnis lag.
Allein vor diesem zeitgeschichtlichen Hintergrund müsste man im Konrad-Adenauer-Haus inzwischen mit einiger Sorge auf die Entwicklung im Osten der Republik blicken. Als besonders alarmierend muss Friedrich Merz das Vorgehen der Berliner CDU unter Kai Wegner empfinden (siehe Kolumne). Noch bevor die SPD am 15. April ihren Mitgliederentscheid über den von ihr mit CDU und CSU ausgehandelten Koalitionsvertrag gestartet hatte, legte die Berliner CDU mit einer eigenen Befragung unter den Mitgliedern des Landesverbands los. Für die Bundesspitze der CDU um Merz ist die Berliner Umfrage zwar keineswegs bindend. Allerdings kann sich die Einbeziehung der Basis der Berliner Christdemokraten schnell zu einem Signal für die gesamte Partei entwickeln.
„Nicht mehr repräsentiert“
Der CDU-Kreisverband Potsdam-Mittelmark hat sich vor Kurzem mit einem Brief direkt an Friedrich Merz gewandt: „Zahlreiche unserer Mitglieder fühlen sich nicht mehr ausreichend repräsentiert und denken ganz offen über einen Parteiaustritt nach.“ Als Gründe nennt der mittelmärkische CDU-Kreisvorsitzende Christian Große die Entscheidungen der Bundespartei und der Bundestagsfraktion zum Schuldenpaket und zur Schuldenbremse. Diese Entscheidungen hätten zu deutlicher Verärgerung geführt und Mitglieder verunsichert.
Weiter heißt es in dem Brief, der Kreisverband habe einstimmig beschlossen, eine Mitgliederbefragung über den möglichen Koalitionsvertrag mit der SPD zu fordern: „Für den Fall, dass dieser Mitgliederentscheid nicht umgesetzt wird, droht unserer Partei ein weiterer massiver Vertrauensverlust innerhalb der Mitgliedschaft – mit unabsehbaren Konsequenzen ... Wir befürchten zahlreiche Parteiaustritte, die wir bis jetzt nur mit größten Anstrengungen verhindern konnten.“
Mit einem Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag würde die CDU dem Vorbild der SPD folgen. Diese bietet bereits seit 2013 ihren Mitgliedern die Möglichkeit, in einem Mitgliederentscheid über einen Koalitionsvertrag abzustimmen. Ob in der CDU eine Mehrheit für den Koalitionsvertrag zustande käme, den Merz und CSU-Chef Markus Söder mit der SPD ausgehandelt haben, erscheint angesichts der Stimmung an der CDU-Basis in ganz Deutschland und auch bei der Jungen Union durchaus eine offene Frage.
Die CDU-Spitze hält möglicherweise auch deshalb am bisherigen Prozedere fest. Dieses sieht eine Abstimmung über den Koalitionsvertrag auf einer Sitzung des Bundesausschusses vor. Besser bekannt als Kleiner Parteitag nehmen an diesen Sitzungen nur rund 160 CDU-Mitglieder teil. Als wahrscheinlich gilt, dass diese am 28. April über den Koalitionsvertrag abstimmen.
Andere Haltung zur AfD gefordert
Ein Ja zum Vertrag wäre für den wahrscheinlichen nächsten Kanzler Merz ein wichtiger Schritt zur Regierungsspitze; eine Zustimmung nur des Bundesausschusses kann allerdings auch zur Belastung für die CDU werden. Schon jetzt wird über immer mehr Parteiaustritte von CDU-Mitgliedern berichtet. Als im mecklenburgischen Ostseebad Kühlungsborn Ende März gleich ein Großteil des CDU-Stadtverbands den Austritt aus der Partei erklärt hat, sorgte dies bundesweit für Schlagzeilen. Aus Sachsen-Anhalt berichtet der CDU-Kreisverband Harz, dass „zahlreiche Parteiaustritte“ bereits vorlägen und viele weitere Mitglieder mit dem Austritt drohten.
Von diesem Kreisverband liegt nun ebenfalls die Forderung an die Bundes-CDU vor, die Parteimitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen zu lassen. Mehr noch: Der Kreisverband Harz hat die Parteispitze überdies aufgefordert, das Kooperationsverbot mit der AfD, die „Brandmauer“, aufzuheben: „Die CDU hat die Wahl im Osten klar verloren“, heißt es in dem entsprechenden Appell der Harzer Christdemokraten.