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Inbegriff eines deutschen Kaisers

Vor 900 Jahren wurde Barbarossa geboren – Der Mythos um ihn beflügelte in der Romantik Maler und Dichter

Eberhard Straub
01.04.2022

Es war der junge Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der 1796 während der letzten Krise des Heiligen Römischen Reiches lebhaft wünschte, „die alten Helden“ der vaterländischen Geschichte wieder zum Leben zu erwecken, um in sittlich-politischer Absicht „die Empfindungsweise und Phantasie“ im Volke zu veredeln. Er dachte dabei vor allem an Kaiser Friedrich Barbarossa, der vor 900 Jahren geboren wurde. Sein Wunsch ging in der Auseinandersetzung mit Napoleon und nach der Befreiung von französischer Vorherrschaft in Erfüllung.

Mit dem im Kyffhäuser entrückten Herrscher, wie Sagen berichteten, waren schon lange alle Hoffnungen auf nationale Wiedergeburt und Erneuerung entschwundener Größe verbunden. Dieser um 1122 vermutlich in Hagenau geborene Kaiser, der von 1152 bis 1190 regierte, hatte das Reich, zerrüttet in den Auseinandersetzungen mit den Päpsten, gleichsam neu gegründet. Die drei Königreiche, das deutsche, das italienische und das burgundische brachte er miteinander in enge Beziehung. Sie sollten sich nicht als jeweils eigene Herrschaftsräume mit verschiedenen Interessen verstehen, sondern ihren Stolz darin finden, zum Römischen Reich zu gehören, dessen Ehre und Ruhm sie wahrten und mehrten.

Nach den Franken, seit Karl dem Großen, war es das Vorrecht der Deutschen, den Kaiser zu bestimmen und das Römische Reich zu verwalten, das – wie sein Name sagt – in seiner Gemeinschaft Völker vereint und daher möglichst darauf bedacht sein muss, für Eintracht unter den Königen im Abendland zu sorgen und damit den allgemeinen Frieden zu schützen und eine Ordnung, in der die immer beweglichen und ehrgeizigen Kräfte zur Ruhe finden und sich einander ergänzen.

Friedrich Barbarossa hatte stets die Ehre, die Größe und den Ruhm des Römischen Reiches im Auge. Ehre und Ruhm sind sittliche Mächte und sind mit der Ehre sowie dem Ruhm Gottes, der Gloria Dei, verbunden. Der Kaiser in der Welt ist der Stellvertreter des Weltenkaisers Jesus Christus, dessen Ehre und Ruhm er nicht vernachlässigen darf, weil sie in seiner Majestät ihren anschaulichen Ausdruck finden. Die kaiserliche Majestät kann nicht immer mild und liebenswürdig sein, zuweilen muss sie auch einschüchternd wirken, um Störenfriede zur Ordnung zu rufen oder zu bestrafen.

Ein Symbol für die Reichseinheit

Deshalb konnte zuweilen Barbarossa mit Zorn und Unerbittlichkeit auftreten, um die Ehrfurcht vor seiner Würde und der des Reiches zu erhalten. Es ging nicht um ihn, sondern um die Institutionen. Was menschlich war, hatte ein Herrscher nach idealen Vorstellungen abzulegen, um der Kaiser zu sein, der niemals stirbt, ganz und gar ergriffen von seiner erhabenen Würde, die nicht vergänglich ist wie der Mensch und dessen Körper.

Es fällt heute schwer, sich in solche Ideen hineinzufühlen. Barbarossas Zeitgenossen hatten damit keine Schwierigkeiten, denn sie wussten, dass Herrschen eine Sache der Einbildungskraft ist und die allgemeine Ordnung nicht auf Abstraktionen, sondern auf anschaulichen Wahrheiten beruhte, die sich in feierlichen Zeremonien offenbarten. Friedrich Barbarossa wurde allgemein als vollkommener Ritter und Kaiser anerkannt, höflich, liebenswürdig und, wenn es sein musste, streng, aber dabei nie ungerecht.

Seine Anmut milderte die Majestät. Er verfügte über ausgezeichnete Ratgeber, die den Laien ausreichend über rechtliche Grundsätze und historisch-theologische Kontroversen unterrichteten. Die praktische Erfahrung machte ihn bald selbstständig. Er war stets bereit, aus Fehlern zu lernen. Es gelang ihm, in seinen drei Königreichen die königliche Autorität zu festigen und mit seinen Beamten die Verwaltung als Mittel der Herrschaft zu verbessern. Als Kaiser, der es sehr geschickt verstand, die unterschiedlichsten Bestrebungen seinem Wollen unterzuordnen und damit der Größe des Reiches, erwarb er sich Respekt unter den anderen Fürsten und konnte Böhmen, Mähren und Schlesien mit dem Reich verknüpfen.

Die Päpste wollten als eigenmächtige Stellvertreter Christi die Freiheit der Kirche vor kaiserlicher Bevormundung gesichert wissen. Ihre zähen Bemühungen veranlassten die Kaiser, nun ihrerseits der weltlichen Herrschaft eine Gleichberechtigung neben der geistlichen zu verschaffen und auf dem unmittelbaren Gottesgnadentum von Kaiser und Reich zu bestehen. Das Römische Reich wurde unter Kaiser Barbarossa offiziell zum Heiligen Reich. Er ließ Karl den Großen, den Stifter des nachantiken Römischen Reichs heiligsprechen, um die Heiligkeit des Reiches zu betonen. Damit ebnete er unbeabsichtigt den Weg zur Säkularisierung des Königtums und Kaisertums in der späteren monarchischen Souveränität.

Wie ein Wagnerianischer Erlöser

Als Barbarossa auf seinem Kreuzzug 1190 bei einem Bade im Fluss Saleph in Kleinarmenien ertrank, erlosch mitnichten die Kaiserherrlichkeit. Erst die dramatische Geschichte unter seinem Enkel Kaiser Friedrich II. und dessen überraschender Tod mitten in stürmischen Auseinandersetzungen mit den Päpsten führte 1250 zu der „kaiserlosen, der schrecklichen Zeit“, wie Schiller das Interregnum in seiner Ballade vom Grafen von Habsburg nennt, das ab 1173 König Rudolf, der erste Habsburger, beendete.

Diese unselige und verworrene Zwischenzeit blieb unter den Deutschen unvergesslich, denn damals verlor das Reich an Macht und Ansehen. Es war Fried­rich II., von dem es zuerst hieß, er lebte nicht und lebte doch fort im Ätna. Eine Sehnsucht nach einem „Dritten Friedrich“ regte sich immer wieder in volkstümlichen Legenden und Verheißungen, die von einer Wiedergeburt des Reiches handelten. Im Laufe der Zeiten verschmolzen die Legenden miteinander. Bauern behaupteten im 16. Jahrhundert, den alten Barbarossa auf den Ruinen der Kyffhäuserburg gesehen zu haben.

In der populären Phantasie blieb Barbarossa stets mit Frieden, Recht und Ordnung verbunden. In der aufgeregten Zeit des 15. und 16. Jahrhundert, als Reichs- und Kirchenreform immer heftiger gewünscht wurden, erlebte Barbarossa seine erste Renaissance. Patriotische Humanisten wollten deutschen Heldenglanz neben den antiken Heroen erstrahlen lassen. Die Reformatoren würdigten in Barbarossa den Streiter wider angemaßte papistische weltliche Macht.

Nach den siegreichen Türkenkriegen gab es im 18. Jahrhundert noch einmal eine prächtige Reichs- und Kaiserherrlichkeit, weiterhin gegenwärtig in den Reichsstiften in Schwaben oder an der Donau in Österreich. Die großartigste Verklärung des unvergesslichen Kaisers findet sich im Kaisersaal in der Würzburger Residenz. Unter Aufbietung aller möglichen Götter und Halbgötter führen der Genius des Reiches und Apoll die burgundische Prinzessin Beatrix ihrem Gemahl zu, dem Kaiser Friedrich. Dieses festlich-heitere Deckenfresko ist die Apotheose des Reiches, das 1750 noch bestand, eine letzte „Prunkrede“ auf das Römische Reich, das trotz allem nicht untergehen kann und darf, wie es immer wieder hieß.

1806 wurde das Reich aufgelöst. Napoleon und eine gekrönte Horde von Räubern betätigten sich als Leichenfledderer. Die große Katastrophe forderte dazu auf, den Blick zurückzulenken, um Kraft und geduldige Ausdauer denen zu vermitteln, die vielleicht mutlos werden sollten. Im Sinne der Kyffhäusersage glaubte man an den künftigen Kaiser und Retter aus Not und Elend. Im säkularisierten österlichen Geist der Auferstehung bot der schlafende Kaiser im Berg Trost, dermaleinst aufzubrechen, um das Reich zu einen und eine neue Friedensordnung zu stiften.

Der seit dem 18. Jahrhundert erwachende Sinn für die Geschichte und für das Mittelalter beflügelte Dichter und Maler, um den Deutschen Mut zu machen, sich ihrer gar nicht glücklosen Geschichte zuzuwenden. Barbarossa als Symbol deutscher Größe, Anmut und Würde wird bei Achim von Arnim in seinem Roman „Die Kronenwächter“ von 1817 mit mythischen und historischen Kräften in Beziehung gebracht. Richard Wagner griff im ersten Entwurf für seinen „Ring“ darauf zurück.

Rotbart und Weißbart

Der „Staufische Ritter“ und „staufische Klassik“ wurden beschworen als Erinnerungen an einen wunderbaren Moment, als Macht und Geist, Schönheit und Freiheit keine Gegensätze waren, sondern sich wechselseitig steigerten und den Deutschen zu einer leichten und gefälligen Form verhalfen, die sie in Zeiten politischer Ohnmacht entbehrten. Die nationale Auferstehung fand für viele endlich mit der Reichseinigung von 1871 statt.

Rotbart langes Warten im Kyffhäuser hatte sich gelohnt. Kaiser Weißbart, wie Felix Dahn und andere Wilhelm I. feierten, vereinigte die Deutschen, protestantisch, antipapistisch und frei geboren, zu einer neuen Reichsherrlichkeit voller zeitgemäßer Liberalität. Burg Hohenstaufen lag in Ruinen, doch Burg Hohenzollern unweit davon in neuem Glanz sprach vom alten schwäbischen Ruhm, vom alten Reich, das im neuen, preußischen zu vielversprechendem Leben wieder erwache.

Kaiser Wilhelm II., unermüdlich darauf bedacht, die Reichsherrlichkeit historisch vertieft mit assoziationsreichen Bauten der Phantasie zugänglich zu machen, förderte nachdrücklich einen „staufischen“ Stil. Die Ruinen der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche sprechen davon eindringlich. Barbarossa und Barbablanca verschmolzen miteinander. Das mächtige Kyffhäuserdenkmal von 1896 würdigt den alten und den neuen Kaiser, das alte und das neue Reich, und redet von der einen deutschen Geschichte, die im Glanze ihres neuen Glückes blühen werde. Aber auch diese Herrlichkeit und ihr Glanz dauerte nur eine kurze Zeit.


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Kommentare

sitra achra am 07.04.22, 11:52 Uhr

Leider war seine letzte außergrabliche Aktion, Unternehmen Barbarossa, nicht von Erfolg gekrönt.Nun haben wir den Salat. Bleib' also im Untersberg und schlafe den Schlaf des Gerechten, Friedrich!

Chris Benthe am 04.04.22, 15:16 Uhr

Jede Nation braucht ihre Mythen, das gehört dazu. Sie sind identitätsstiftender, als manch ein Zeitgenosse sich eingestehen mag. Wenn ich mich heute so umschaue, entdecke ich die Abwesenheit jedweder Identität, verbunden mit Entwurzelung, Desinteresse, Orientierungslosigkeit und uneingestandener Ohnmacht. Die Jugend hat nichts mehr, was ihr Halt geben könnte. Ich hoffe auf Wiederentdeckungen einer neuen Generation, die aus dem Betrogen-worden-Sein schöpft und auf all die fremdbestimmten "Wokeness"-Elemente gehörig pfeift.

Michael Mechtel am 03.04.22, 18:05 Uhr

Wenn ich als historischer Laie hier eine Assoziation einfügen darf, dann die, daß nach meinem Eindruck eine neue "kaiserlose, schreckliche Zeit" 1918 begonnen hat, als nicht zuletzt unter dem Druck des US-Präsidenten Wilson Kaiser Wilhelm II. abdankte: ein frühes Beispiel für einen illegitimen US-induzierten regime change. Und wieder folgte eine unselige, verworrene Zeit.

Man wird heute kaum wieder zur Monarchie zurückkehren können oder wollen. Aber für die damalige Zeit muß das ein gewaltiger Traditionsbruch gewesen sein. Und der Gedanke drängt sich mir auf, daß ohne diesen Bruch manche Wirren der Weimarer Republik und das Abgleiten in die Nazi-Diktatur wahrscheinlich hätten vermieden werden können. Denn das Kaiserhaus hätte als stabilisierender Anker fungieren können. Die europäischen Staaten, die noch ihre Königshäuser haben, sind jedenfalls nicht schlecht damit gefahren.

Siegfried Hermann am 01.04.22, 09:20 Uhr

Wird hier der Pathos nicht ein wenig zu fett aufgetragen!?!?
Der Friedrich hatte zeitlebens seine liebe Not mit seinen bösen Fürstenbuben im Lande. Und von außen wurde das Reich auch öfters bedrängt. Die Geschichte mit der Exkommunikation geschenkt. Er blieb immer Sieger. So entstehen mit der Zeit unerklärliche Mythen.
ähmm. Das heißt Römisches Reich Deutscher Nation.
Und da gibts wirklich Leute die glauben, das der Rotbart im Untersbergs wartet bis seine Zeit gekommen ist und als Deutschlands Retter zur neuer Größe empor schwingt.
Also Stoff aus dem die Hollywood-Träume sind.
Wir werden sehen!

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