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Der an der Harvard-Universität lehrende Astrophysiker Avi Loeb kritisiert eine zu konservative Forschung
Im Gegensatz zu dem, was sein Titel suggeriert, geht es in dem Buch „Außerirdisch“ aus der Feder des aus Israel stammenden Astrophysikers Avi Loeb keineswegs nur um „Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten“. Vielmehr kritisiert das Werk auch die teilweise höchst beklagenswerten Zustände im heutigen Wissenschaftsbetrieb.
Mysteriöser Besucher aus dem All
Zunächst dreht sich erst einmal alles um einen mysteriösen kosmischen Besucher namens Oumuamua, was im Hawaiianischen „Kundschafter“ bedeutet. Dieser wurde am 19. Oktober 2017 von dem kanadischen Astronomen Robert Weryk mittels des Pan-STARRS-Teleskops auf Hawaii entdeckt und gilt als das erste innerhalb unseres Sonnensystems beobachtete Objekt, welches interstellarer Natur ist, also mit Sicherheit einem anderen Sternensystem entstammt. Heute kann niemand sagen, woher Oumuamua genau kam. Doch damit nicht genug: Ebenso streiten die Wissenschaftler darüber, ob es sich bei dem „Kundschafter“, der mit beeindruckenden 300.000 Kilometern pro Stunde durch das Sonnensystem schoss, um einen Kometen, Asteroiden oder etwas ganz anderes handelte, weil seine physikalischen Eigenschaften Rätsel aufgeben.
Das inspirierte Loeb, der seit 1997 an der renommierten Universität von Harvard im US-Bundesstaat Massachusetts lehrt, und dessen Post-Doktoranden Shmuel Bialy zu einer scheinbar gewagten Theorie: Die seltsamen Bahndaten von Oumuamua bei gleichzeitigem Fehlen jeglicher Ausgasungen von Material während des heiklen Vorbeiflugs an der Sonne könnten daraus resultieren, dass es sich bei dem Besucher aus dem All um ein extrem dünnes, aber sehr stabiles Objekt von großer flächenmäßiger Ausdehnung handelte, welches durch den Strahlungsdruck unseres Zentralgestirns vom Kurs abgedrängt worden ist. Wobei solche Objekte in der Natur nicht vorkämen, weswegen man zwangsläufig von einem künstlich geschaffenen „Sonnensegel“ ausgehen müsse.
Und tatsächlich eignen sich derartige Konstruktionen als Antrieb für Weltraumfahrzeuge: Den ersten erfolgreichen diesbezüglichen Versuch unternahm die japanische Raumfahrtagentur JAXA bereits 2010 mit ihrer Venus-Sonde „Ikaros“.
Fachwelt lehnte die Theorie ab
Wie nicht anders zu erwarten war, stieß die unkonventionelle Erklärung von Loeb und Bialy auf massive Ablehnung seitens der Fachwelt, denn sie impliziert logischerweise, dass Oumuamua von einer außerirdischen Intelligenz auf die Reise geschickt wurde – vielleicht, um nach anderen bewohnten Welten wie eben unserer Erde zu suchen. Aber genau dies ist laut Loeb die einzig mögliche Erklärung für das, was man über den inzwischen schon längst wieder in den Tiefen des Alls verschwundenen „Kundschafter“ weiß.
Und hier setzt seine Kritik am gegenwärtigen Forschungsbetrieb ein: Die allermeisten Naturwissenschaftler seien zu konservativ und gingen den Weg des geringsten Widerstandes, um es sich nicht mit ihren Geldgebern zu verscherzen und keinen Karriereknick zu riskieren. Dabei hätten sie aber die fachliche und ethische Verpflichtung, alle vorhandenen empirischen Belege vorurteilsfrei zu prüfen. Und die sprächen im Falle von Oumuamua eine absolut klare Sprache: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein derart atypisches Objekt auf natürlichem Wege entstehen und mehrere Lichtjahre weit durch den Weltraum fliegen könne, liege bei Eins zu einer Billion, wohingegen die Sonnensegel-Hypothese aus astrophysikalischer Sicht rundum plausibel daherkomme.
„Der Mensch ist nicht allein im All“
Deshalb fordert Loeb seine Fachkollegen auf, sich nicht länger zu weigern, die Botschaft von Oumuamua wahrzunehmen: Der Mensch ist keineswegs allein im All! Und wenn man dafür bisher noch keine anderen Beweise gefunden habe, könne dies durchaus bedeuten, dass Zivilisationen nur eine mehr oder minder kurze Zeit existieren, bevor sie wieder vergehen. Das allein sollte der Menschheit bereits Warnung genug sein und zur Suche nach anderen intelligenten Lebensformen motivieren. Diese würde „uns aus unserem begrenzten Rahmen herausreißen, aus unserer Gewohnheit, nur eine oder zwei Generationen vorauszublicken und die Zukunft unserer Zivilisation nicht an erster Stelle vor Augen zu haben“.
In diesem Zusammenhang plädiert Loeb für die Etablierung eines neuen Zweiges der Astronomie, nämlich der Weltraumarchäologie: „Ähnlich wie Archäologen, die die Erde aufgraben ..., müssen Astronomen nach technischen Zivilisationen suchen, indem sie im Weltraum graben.“ Schließlich gebe es „viele Möglichkeiten, wie außerirdische Zivilisationen ihre Existenz ... ins All hinausposaunen können“.
Weltraumarchäologie vonnöten
Gleichzeitig sollten Astroarchäologen aber „auch nach Belegen für außerirdisches Leben im Hinterhof unseres Planetensystems suchen“. So beispielsweise auf den Oberflächen von Mond und Mars oder anderen nahegelegenen Himmelskörpern.
Abschließend verweist Loeb darauf, dass es sowohl Phantasie als auch Demut erfordere, die „völlige Gewöhnlichkeit der Menschheit“ anzuerkennen, denn auf nichts anderes laufe die Suche nach Außerirdischen ja in letzter Instanz hinaus. Aber was wäre die Alternative? Den Kopf in den Sand zu stecken und eines Tages dann vollkommen unvorbereitet überrascht zu werden?