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Europäische Union

Italiens langer Wunschzettel

Wie die Obrigkeit die für das Land bestimmten Mittel aus dem „Wiederaufbaufonds“ verwenden will

Norman Hanert
09.11.2020

Als die „sparsamen Fünf“ haben die Regierungen der Niederlande, Österreichs, Schwedens, Dänemarks und Finnlands versucht, die Gelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds möglichst nur als Kredite auszuzahlen. Hintergrund war die Befürchtung dieser Nettozahlerländer, dass die Hilfsgelder in Südeuropa unproduktiv versickern, anstatt als Starthilfe für überfällige Reformen genutzt zu werden.

„Klimaschutz“ und „Digitalisierung“

Nur wenige Monate nach dem entscheidenden EU-Gipfel im Juli scheint die Entwicklung in Italien die Befürchtung der „Sparsamen“ zu bestätigten. Italien war als größter Profiteur aus dem Poker um den sogenannten Wiederaufbaufonds hervorgegangen. Von den insgesamt 750 Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren allein nach Rom 209 Milliarden Euro fließen, davon 81 Milliarden sogar als nichtrückzahlbare Zuschüsse.

Laut dem vereinbarten Prozedere müssen die EU-Länder konkrete Projekte einreichen. Wenn die EU-Kommission und der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs den Projektvorschlägen zustimmen, fließen ab nächstem Jahr bis 2026 die Mittel. Offiziell hat die EU-Kommission das Ziel ausgegeben, mit den Geldern aus dem „Wiederaufbaufonds“ die Bereiche „Klimaschutz“ und „Digitalisierung“ voranbringen zu wollen.

Inzwischen berichten italienische Medien, dass Ministerien, Regionalregierungen und auch Städte Hunderte Projektvorschläge eingereicht haben. Alleine schon Roms Bürgermeisterin Virginia Elena Raggi von der Fünf-Sterne-Bewegung soll eine Wunschliste mit 159 Projekten und einem Investitionsvolumen von 25 Milliarden Euro zusammengestellt haben. Mit dabei sind Projekte wie die Sanierung der Straßenbeleuchtung für 628 Millionen Euro und eine Seilbahn für 35 Millionen Euro. Selbst das Außenministerium griff offenbar die von Brüssel ausgegebene Marschrichtung „Digitalisierung“ auf, um für sich neue Computer und Laptops auf die Projektliste zu setzten. Insgesamt sind so in Italien rund 600 Milliarden Euro an Antragsvolumen zusammengekommen. Selbst italienische Medien fühlten sich daraufhin an einen Wunschzettel für den Weihnachtsmann erinnert.

Der Unternehmerverband Confindustria mahnt, dass die Verwendung der Hilfszahlungen entscheidend für Italiens Zukunft sei. „Wenn wir die Ressourcen richtig einsetzen und Reformen angehen, die viel zu lang liegengeblieben sind, ist das der richtige Weg. Wenn nicht, bleibt Italien ein Land im Niedergang, das nicht in der Lage sein wird, seine enorme öffentliche Verschuldung abzubauen“, so der Industrieverband.

Befürchtung der „sparsamen Fünf“

Derzeit deutet alles darauf hin, dass der Schuldenberg des italienischen Staates weiterwächst. Im Oktober hat die amtierende Mitte-Links-Regierung ihre Haushaltsplanung für das Jahr 2021 vorgelegt, die rund 40 Milliarden Euro an Mehrausgaben vorsieht. Darüber hinaus wurden auch die schon länger diskutierten Pläne für eine Steuerreform aus der Schublade geholt.

Kernpunkt ist dabei eine Reform der Einkommensteuer und insbesondere eine Senkung der Belastung mittlerer Einkommen. Mit diesen Plänen scheint sich eine weitere Befürchtung der „sparsamen Fünf“ zu bestätigen, wonach ihre eigenen Bürger für Steuersenkungen in Italien herangezogen werden sollen.


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Kommentare

sitra achra am 11.11.20, 12:35 Uhr

Diesen zu Recht subventionierten liebenswerten Zustand nennt man "il dolce far niente". Alla salute!

Marilys Eschenbach am 11.11.20, 12:24 Uhr

Man hört nichts, wie man der Bevölkerung helfen will mit diesem Corona-Wiederaufbaufond? Aber endlich eine neue Stassenbeleuchtung in Rom für 628 Mio.
Das Geld landet wieder bei denen die schon genug haben? Hoffe die Italiener wehren sich.
Italien und Frankreich sind am höchsten verschuldet. Komisch, dass das persönliche Vermögen der Italiener höher ist, als das der Deutschen? Aber wir schauen gern wohlwollend zu. Und die Italiener können auch gern weiterhin die armen, wohnungslosen, arbeitslosen und bildungslosen Afrikaner zu uns durchwinken. Grazie bella Italia.

Jan Kerzel am 09.11.20, 21:33 Uhr

Die italienische Regierung unter Conte hat in Brüssel spitzenmäßig verhandelt, das Ergebnis ist einfach super, und mehr braucht es auch nicht zu sein. Leider gibt es für solche Top- Politmanager, wie es z.B. Conte ist, keinen Transfer-Markt. Praktisch wäre jede Ablösesumme gerechtfertigt , nebst Gehalt und Handgeld. Die italienischen Patrones mit ihren Landsitzen und sonstigen Gütern werden ihn eines Tages zum Ehrenpräsidenten ernennen, da bin ich mir ziemlich sicher. Hätte er auch verdient. Für uns bleibt leider nur die Rolle des wohlwollenden Zuschauers und Stifters, aber immerhin. Irgendwie sind wir doch dabei, wenn auch nicht wirklich.

Siegfried Hermann am 09.11.20, 10:14 Uhr

Ihr habt die Mafia vergessen!
Die kommt vor Schenkelklopper und Bunga-Bunga- Gegrölle aus dem Lachen und feiern nicht mehr raus.

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