23.04.2024

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Der Wochenrückblick

„Ja, hinterher ...“

Warum Politiker straflos jeden Quatsch anstellen dürfen, und wieso „Verzicht“ nicht für alle gilt

Hans Heckel
02.07.2022

Endlich mal eine Antwort. Die Antwort auf die Frage nämlich, die wir uns schon seit Jahren stellen, wenn wir unseren Politikern beim Fuhrwerken zugucken: „Merken die nicht, was für einen Mist sie bauen? Dass das nie und nimmer funktioniert, was die da vorhaben?“

Kevin Kühnert hat für uns bei „Anne Will“ das Geheimnis gelüftet, wie Politiker ticken. Ihm wurde vorgeworfen, dass die Ampel nicht gleich nach Kriegsausbruch die Möglichkeit in Betracht zog, dass Putin am Gashahn dreht. Man hätte sofort Gas sparen sollen, statt es weiterhin fröhlich zu verstromen – um stattdessen umgehend Kohlekraftwerke hochzufahren für die Stromproduktion.

Das mochte der SPD-Generalsekretär nicht hören und konterte mit dem denkwürdigen Satz: „Hinterher ist man immer schlauer!“ Da haben wir's: So läuft das also (schief). Da können wir uns schon ausmalen, wie es weitergeht. Wenn im kommenden Januar endgültig der Strom ausfällt, weil die letzten drei Atomkraftwerke blödsinnigerweise vom Netz genommen worden sind, wird Kühnert bei „Will“ flink die richtigen Worte finden: „Uns fehlt Strom, ja, das sehen wir jetzt auch. Aber hinterher ist man ja immer schlauer!“

Hinter dieser Ausrede steckt ein System, das seit Jahren funktioniert: Seit den Jugoslawienkriegen warnen Militärexperten davor, die Bundeswehr immer weiter herunterzuwirtschaften. Die Lage auf dem Balkan zeige doch, dass ein Krieg auch mitten in Europa möglich ist. Umsonst. Es wurde weiter demontiert. Jetzt machen alle lange Gesichter angesichts unserer Wehrlosigkeit. Ein Fehler, für den jemand die Verantwortung übernehmen müsste? Iwo, denn „hinterher ...“

Nach dem Schema geht es quer durch alle möglichen Politikfelder: Dass der Euro nicht funktionieren wird, haben (echte!) Experten seit Beginn der 90er Jahre plausibel belegt. Die Politik wollte es nicht wahrhaben. In ein paar Jahren, wenn das Scheitern jeder sehen kann, wird es heißen: „Ja, hinterher ...!“

Dass die Impfpflicht für Pflegepersonal den Pflegenotstand nur verschärfen kann, weil dadurch die Personalstäbe noch weiter schrumpfen, war eine vollkommen und unwiderlegbare Vorhersage. Dennoch hat man sie ignoriert. Dass man Bahnfahren nicht eben dadurch attraktiver macht, indem man das Bahnsystem bis auf die Knochen abnagt – man muss wohl Politiker sein, um diesen simplen Zusammenhang drei Jahrzehnte lang angestrengt zu übersehen. Nun haben sich die Verantwortlichen noch etwas ausgedacht, das unseren angeschlagenen Schienenverkehr noch einmal so richtig ins Chaos treibt: die Neun-Euro-Karte. Wer konnte vorhersehen, dass sowieso schon überlastete Züge mit dem Neun-Euro-Ding noch vollgestopfter fahren und sogar ganze Züge mit Polizeiunterstützung wegen Überbelegung geräumt werden müssen? Sie etwa? Ja, „hinterher“!

Das Konzept strahlt bis in die kleinsten Winkel unseres Landes aus. Da werden in Einkaufsgegenden planmäßig Parkplätze gestrichen, um die Einkaufsstraßen zu „Flaniermeilen“ zu veredeln. „Flanieren“ tun die Leute auch, nur kaufen sie kaum noch. Schon gar nichts, was viel wiegt, schließlich müssen sie das Zeug ja abtransportieren, was per Fahrrad nicht immer möglich ist. Politiker geben sich von dieser einfachen Wirkungskette dennoch überrascht.

Wunsch und Wirklichkeit sind eins

Wie kommt das alles? Augenscheinlich gibt es so eine Art Pflicht für anständige Politiker, bestimmte Dinge einfach nicht sehen zu dürfen. Vermutlich ist das irgendwie moralisch begründet. Oder ideologisch, aber das ist im herrschenden Zeitgeist sowieso das Gleiche. In diesem Zeitgeist sind Wunsch und Wirklichkeit auf das Vollkommenste miteinander verschmolzen. Beides voneinander zu trennen, ist ein Sakrileg, das aufs Heftigste geahndet wird.

So stand jeder, der sich eine starke Bundeswehr wünscht, seit Jahrzehnten unter dem Verdacht, in Wahrheit kriegsgeil zu sein. Die Logik lautet, wer einen Krieg für möglich hält, der will ihn insgeheim. Wer erkannt hat, dass Wind und Sonne keinen Strom liefern, wenn kein Wind da ist und die Sonne auch nichts hergibt, der weist nicht etwa auf eine einfache Wahrheit hin, sondern ist ein übler „Klimaleugner“.

Für den cleveren Politiker ist es ganz klar, wie er in so einem (politischen) Klima überlebt: Er kann nicht nur Quatsch reden, ohne dafür später belangt zu werden. Er muss sogar Unsinn absondern, sofern er sich gut anhört. Denn später wird er niemals danach bewertet, was er angerichtet hat, sondern nur danach, was er sich gewünscht hat.

Aus diesem Grunde kümmert es einen Habeck auch nicht, dass Deutschland energiepolitisch gegen die Wand fährt. Sobald es gescheppert hat und Millionen von Existenzen vernichtet sind, wird der grüne Minister nur davon schwärmen, was für fabelhafte Absichten ihn dazu bewegt haben, eine führende Wirtschaftsmacht in den Abgrund zu jagen und ihren Wohlstand zu zerstören. Bei „Anne Will“ und ähnlichen Formaten werden die Moderatoren ihm dafür andächtig ihren Respekt zollen, statt den ideologischen Hasardeur angemessen übers Knie zu legen.

Aber bis zu diesem speziellen „Hinterher“ ist es ja noch ein Weilchen, weshalb Habeck ordentlich Gas gibt. In den „Erneuerbaren“ liege die Zukunft der deutschen Energieversorgung, lautet unverdrossen sein Mantra. Aha, also rechnen wir kurz nach: Mit 30.000 Windrädern konnte Deutschland vergangenes Jahr 3,6 Prozent seines Primärenergiebedarfs decken. Soll der Anteil auf nur gut ein Drittel steigen, müssten wir also 300.000 Turbinen im Land verteilen. Die Bundesrepublik umfasst 357.000 Quadratkilometer, heißt also: Rund eine Windkraftanlage pro Quadratkilometer. Gut, da sind noch die Windräder auf See, aber so groß ist die deutsche Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee auch nicht.

Die Republik müsste auf jedem Quadratkilometer Land in etwa ein riesiges Windrad installieren, in Land und Stadt, in Wohn- wie Naturschutzgebiet. Eine Horrorvorstellung, ästhetisch, gesundheitlich und ökologisch erst recht. Sollten Sie in ein paar Jahren durch das dergestalt entstellte Land stolpern, schlucken Sie Ihre Wut lieber runter. Denn wenn Sie einen Politiker fragen sollten, ob er diesen bizarren Albtraum nicht habe kommen sehen, wird er bloß mit den Achseln zucken: „Ja, hinterher ...!“

Immerhin: Um uns behutsam aufs „Hinterher“ vorzubereiten, predigen Ampelpolitiker in immer engerem Takt „Verzicht“ und „Weniger“. Sie meinen damit allerdings nicht Regierung und Parlament, also sich selbst: Mit 37 Parlamentarischen Staatssekretären streunen von dieser Sorte Kostgänger mehr im Bundestag herum denn je. Und das Bundeskanzleramt bekommt vierhundert zusätzliche Büroräume – die Baukosten sind fröhlich am Steigen: Nachdem zunächst 485 Millionen Euro angepeilt worden waren, geht man in diesem Jahr bereits von bis zu 640 Millionen aus. Den Erfahrungen zufolge dürfte die Milliardengrenze lässig gerissen werden. Dass das so teuer würde, wusste man dann natürlich auch erst „hinterher“.


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Kommentare

Michael Mechtel am 02.07.22, 13:38 Uhr

Schöne Problemübersicht. Nur zwei Anmerkungen:
1. Wenn ich nicht etwas verschlafen habe, dann hat nicht Putin primär am Gashahn gedreht, sondern wir selber bemühen uns nach Kräften, Putins Gas zu boykottieren. Ob es dafür Ersatz gibt, merken wir freilich erst hinterher ...
2. Die Energie-Ernte aus Windrädern wächst nicht proportional mit ihrer Anzahl. Sie nehmen sich nämlich gegenseitig den Wind weg. Sollten wir also tatsächlich einmal 300000 Windräder haben - was Geld-, Material- und Fachkräftemangel verhindern mögen -, dann ist damit weitaus weniger als 1/3 des Primärenergiebedarfs gedeckt.

sitra achra am 02.07.22, 12:08 Uhr

Wir leben offensichtlich in einer Pussykratie, wie Max Erdinger befindet. Nur in einer solchen sind derartige Inkonsistenzen möglich. Realitätssinn und rationales Handeln sind nicht gefragt, Voluntarismus und Traumtänzerei dominieren das Tagesgeschäft.
Man will die Welt retten, ohne dass diese dazu gefragt wurde, das Individuum zerfasert in seine Bestandteile mit vielen Geschlechtern und wenig Hirn.
Der Untergang des Westens ist besiegelt.

Ulrich Bohl am 02.07.22, 08:36 Uhr

Hinterher ist man immer schlauer trifft auf Politiker nicht zu. Sie lehnen auf Vernunft basierendes Handeln ab, denn
Parteigeist und Eigeninteressen dominieren ihr Handeln.
Das politische Handeln bleibt weit hinter den
Fähigkeiten auf anderen Gebieten zurück. Es ist zunehmend geprägt von unfähigen politischen Akteuren.

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