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Vor 25 Jahren starb der einst mächtige Führer der Roten Khmer – mutmaßlich von eigener Hand
Die meisten großen Massenmörder der Geschichte nahmen ein ebenso jämmerliches wie einsames Ende. Das gilt auch für Saloth Sar alias Pol Pot alias Bruder Nr. 1 alias Onkel Sekretär alias Großvater 87, den politischen und militärischen Führer der maoistisch-nationalistischen Roten Khmer, die ab 1975 ein Schreckensregime in Kambodscha errichteten. In den 1364 Tagen von Pol Pots Herrschaft kamen pro Tag im Durchschnitt um die 1500 Menschen durch brutale Gewalt in den Foltergefängnissen des Regimes und auf den Schlachtfeldern oder infolge von Hunger um – bei einer Gesamtbevölkerungszahl von acht Millionen. Damit war Pol Pot für prozentual mehr Tote unter dem eigenen Volk verantwortlich als die Diktatoren Hitler, Stalin und Mao.
Der Bruder Nr. 1 starb vor 25 Jahren, am 15. April 1998, im Wald von Dangrek unweit des Dorfes Kbal Ansoang in der Provinz Anlong Veng an der kambodschanisch-thailändischen Grenze, wo sich die Roten Khmer versteckten, seit sie Anfang 1979 durch eine Intervention des Nachbarstaates Vietnam gestürzt worden waren. Dort hatte der öffentlichkeitsscheue Pol Pot, der immer noch hoffte, seine steinzeitkommunistischen Utopien durch die Rückkehr an die Macht verwirklichen zu können, Ende 1995 einen Schlaganfall erlitten. Das hinderte ihn aber ebenso wenig wie die kurz darauf erhaltene Krebsdiagnose, im Juni 1997 seinen abtrünnigen Gefolgsmann Son Sen mitsamt der ganzen Familie hinmetzeln zu lassen.
Machtverlust in der Partei 1997
Hieraufhin kippte die Stimmung unter den Spitzen der Roten Khmer, die nun teilweise Versöhnungsgespräche mit der neuen Regierung in Phnom Penh führten, dramatisch. Wegen der Ermordung Son Sens wurde Pol Pot am 25. Juli 1997 in einem eilends inszenierten Schauprozess zu lebenslanger Haft verurteilt und danach unter Hausarrest gestellt.
Am 15. April 1998 erfuhr der nunmehr zum Verräter Abgestempelte, dass seine Überstellung an die Justiz des wiedererrichteten Königreiches Kambodscha bevorstehe und er sich somit sehr bald auch wegen Völkermord verantworten müsse. Am Abend desselben Tages wurde Pol Pot tot aufgefunden.
Offiziell soll der ehemalige Diktator einem Herzleiden erlegen sein, wenn auch die äußeren Umstände eher auf Suizid durch Medikamente hindeuten. Jedenfalls wurde der Leichnam des ehemaligen Bruders Nr. 1 kurz der Presse präsentiert und am 18. April ohne jede Zeremonie zusammen mit Abfall und alten Autoreifen verbrannt. Sein Nachfolger Ta Mok alias Chhit Choeun alias Bruder Nr. 3 alias „Der Schlächter“ höhnte: „Jetzt ist er fertig. Er hat nicht mehr Macht, er hat nicht mehr Wert als Kuhmist. Ein Kuhfladen ist wichtiger als er. Er kann als Dünger verwendet werden.“
Der dergestalt ruhm- und würdelos zu Ende gegangene Lebensweg von Pol Pot begann entweder am 19. Mai 1925 oder irgendwann im Jahre 1928 in dem kleinen Dorf Prek Sbauv unweit der Provinzhauptstadt Krong Kampong Thom in der Mitte Kambodschas, das damals zu Französisch-Indochina gehörte. Seine Eltern entstammten dem Volk der Khmer und waren wohlhabende buddhistische Reisbauern mit engen persönlichen Verbindungen zum Königshaus. Daher konnten sie dem jungen Saloth Sar auch eine Ausbildung an der katholischen Schule École Miche in Phnom Penh finanzieren. Allerdings war der spätere Diktator offenbar intellektuell minderbegabt, denn er fiel mehrmals durch die Abschlussprüfung und versagte anschließend auch an der weiterführenden Schule, sodass ihm nur eine Lehre als Zimmermann blieb. Ab 1947 begann Saloth Sar sich für die linksgerichtete Demokratische Partei zu engagieren.
Im Sommer 1949 verließ er Kambodscha, um in Paris Vorlesungen in Elektrotechnik zu besuchen. Während seines Aufenthaltes in Frankreich trat Saloth Sar 1952 der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) bei. Da er während des Studiums keine Prüfungen machte, wurde er Ende 1952 exmatrikuliert.
Der Rückkehr in die Heimat folgten der Eintritt in die Kommunistische Partei Indochinas (PCI) sowie diverse Tätigkeiten im Untergrund. Zur Tarnung arbeitete Saloth Sar, der innerhalb der PCI seit 1953 bloß noch als Pol Pot auftrat, an der hauptstädtischen Privatschule Chamraon Vichea als Lehrer für Französisch, Geschichte, Geographie und Staatsbürgerkunde. 1962 wurde er Erster Sekretär der Arbeiterpartei Kampucheas, die aus der Revolutionären Volkspartei der Khmer hervorgegangen war und sich ab 1971 Kommunistische Partei Kampucheas nannte. Deren Anhänger wurden 1965 von dem damaligen Staatsoberhaupt Prinz Norodom Sihanouk erstmals „Rote Khmer“ genannt, ein Begriff, der sich nachfolgend allgemein einbürgern sollte.
Bis 1970 lebte Pol Pot in ständig wechselnden Guerillalagern und entwickelte dabei gemeinsam mit seinen engsten Kampfgefährten die mörderische Vision von einem Agrarkommunismus ohne Geld und „reaktionäre bürgerliche Elemente“, der nach dem Sieg der Roten Khmer verwirklicht werden sollte. Maßgeblich inspiriert wurde der Bruder Nr. 1 dabei von den Ideen und Praktiken des Maoismus, die er 1966 in China kennenlernen konnte.
Dass die Roten Khmer immer mehr Zulauf erhielten und schließlich die Regierung des von den Vereinigten Staaten unterstützten Putsch-Generals Lon Nol zu stürzen vermochten, resultierte ganz maßgeblich aus den Flächenbombardements der Grenzgebiete zu Vietnam durch die US-Luftwaffe. Diese trieben der kommunistischen Untergrundbewegung unzählige neue Kämpfer zu.
Machtverlust im Land 1979
Die Roten Khmer marschierten am 17. April 1975 in Phnom Penh ein und begannen sofort mit der Deportation der vergleichsweise US- und Lon-Nol-freundlichen Stadtbevölkerung. Dem folgten Massenhinrichtungen und die Etablierung eines einzigartig menschenverachtenden Terrorregimes, auf dessen Konto um die zwei Millionen Tote gehen.
Der Spuk, der unter radikalen Linken im Westen durchaus auch Zustimmung fand, dauerte bis zum 7. Januar 1979. An jenem Tage war die vietnamesische Offensive gegen die Roten Khmer, die mit chinesischer Rückendeckung immer wieder auch das Nachbarland attackiert hatten, von Erfolg gekrönt.