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Vor 200 Jahren in Greifswald geboren – Ein christlicher Großunternehmer und Wohltäter in Pommern
Im November jährt sich der 200. Geburtstag des aus Greifswald stammenden Zementfabrikanten Johannes Heinrich Quistorp. Der Industrielle gilt an seiner Hauptwirkungsstätte Stettin bis heute als ein ungewöhnlicher Wohltäter, der sich als überzeugter Christ auch um die sozialen Belange seiner Mitarbeiter kümmerte. Damit unterschied sich er sich erheblich von anderen Geschäftsleuten seines Schlags.
Quistorp wurde am 14. November 1822 in Greifswald geboren. Er war der erste Sohn seiner Eltern. Das waren Mutter Johanne, eine geborene Hecht, deren Vater Kaufmann in Stralsund war, und Vater Christian August Heinrich, der vom Steuerkontrolleur und Landmesser zum Kommissionsrat aufstieg. Die Eltern zogen früh nach Wolgast um, wo Sohn Johannes und sein jüngerer Bruder die Schule besuchten. Für Johannes folgten anschließend eine kaufmännische Lehre, der Militärdienst und die Tätigkeit als Handlungsgehilfe in der Firma „Goldammer & Schleich“.
Konsul in Stettin
Das Jahr 1850 wurde zur Zäsur. Der 28-jährige junge Kaufmann gründete sein eigenes Commissionsgeschäft in Stettin. Er heiratete 1852 Wilhelmine Theune, die Tochter eines Stettiner Fabrikanten und Stadtrats, wurde zum königlich hannoverschen Konsul in Stettin berufen und erwarb 1855 eine große Kreidegrube auf der Insel Wollin. Quistorp zählte zu den ersten deutschen Produzenten von Portlandzement, entwickelte sich mit seinem Geschäftssinn und weiteren Zukäufen innerhalb weniger Jahre zum größten Zementhersteller Europas und schwamm auf einer Erfolgswelle.
Er besaß bald ein Firmenimperium. Zum Firmenbesitz Quistorps gehörten neben den Kalksteinbrüchen in Lebbin und der Zementfabrik in Stettin-Züllchow bald auch weitere Zementfabriken wie die in Wolgast, eine Schamottfabrik in Stettin-Pölitz, Dampfziegeleien in Berndshof und Glienken und der Kreideabbau in Jasmund auf Rügen mit der Jasmunder Kreidebahn und dem Martinshafen zur Verschiffung.
Dazu gesellten sich eine eigene Reederei für den Transport seiner Produkte und schließlich auch die landwirtschaftlichen Güter Wittenfelde, Dumsewitz und Schlitz auf Rügen.
Seine Unternehmen erlebten einen enormen Aufschwung und erhielten nach der Reichseinigung mit dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung im ganzen Reich einen zusätzlichen Schub. Die sprudelnden Gewinne aus den Wirtschaftswunderjahren der Gründerzeit investierte er nicht in den eigenen Luxus, sondern vor allem in das weitere Wachstum seiner Firmen und in soziale Verbesserungen für seine Mitarbeiter und in Wohltätigkeit für die Kommunen.
Die ließ er sich Millionen kosten. Die lange Palette seiner ungewöhnlichen Sozialleistungen und Wohltätigkeiten reichte von 150 Werkswohnungen in Lebbin, einem Arbeiter-Bildungs-Institut, einer Bücherei mit Lesesaal über die Stiftung von Witwenhäusern, Waisenhäusern, Dorfschulen und der Gründung einer „Kranken-, Witwen-, Sterbe- und Unterstützungskasse“ für Mitarbeiter und deren Angehörige bis zum Bau des Diakonissen- und Krankenhauses „Bethanien“. Allein für „Bethanien“ stiftete Quistorp 300.000 Mark aus eigenen Mitteln.
Großes soziales Engagement
Nach Auflösung der Stettiner Festungsbauten erkannte er sofort die Zukunftsmöglichkeiten. Quistorp erwarb zahlreiche Grundstücke, gründete die „Westend-Baugesellschaft“ und sorgte für die Entwicklung des neuen Stadtteils Westend mit Mädchen-Pensionat und Lehrerinnen-Seminar.
In Stettins Norden entwickelte er aus einem Sumpfgebiet eine Obstplantage und einen großen für die Öffentlichkeit zugänglichen Park, der bis heute als Stadtpark einen großen Zuspruch erlebt. Aber auch Quistorp erlebte Rückschläge. 1880 ertrank sein Sohn Heinrich bei einem Bootsunglück im Stettiner Haff. 1886 starb seine erste Frau. Aus dieser Ehe waren fünf Kinder hervorgegangen.
Hohe Ehrungen
1888 heiratete der Unternehmer die um 22 Jahre jüngere Mathilde Leidhoff, die Tochter eines Tuchfabrikanten aus Braunschweig, in zweiter Ehe. Dazu überführte er alle seine Firmen in einen Industrie-Verein (PIV). Für seine Verdienste erlebte Quistorp zahlreiche Ehrungen. Ein persönlicher Höhepunkt war für ihn, als ihm der Titel „Königlich preußischer Commerzienrath“ verliehen wurde.
1890 übergab Quistorp die Firmenleitung an seinen Sohn Martin. Damit hatte er sein Feld bestellt. Am 9. Mai 1899 starb er in Stettin und fand seine letzte Ruhe auf dem Friedhof seiner Schöpfung „Bethanien“, wie auch später sein Sohn Martin.
Danach gab es zahlreiche Nachrufe, die sein Wirken würdigten. Sein Sohn Martin ließ ihm zu Ehren im Eckerberger Wald vom Berliner Star-Architekten Franz Schwechten den Quistorp-Turm erbauen, der allerdings 1945 zerstört wurde.