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Vor 100 Jahren starb die populäre Monarchin. Ihr christlicher Glaube war Grundlage für ihr wohltätiges Engagement
Am 11. April 1921 ist Auguste Viktoria, als Ehefrau Wilhelms II. letzte Deutsche Kaiserin, in Haus Doorn im niederländischen Exil gestorben. Acht Tage später wurde sie in Potsdam, im Antikentempel des Schlossparks von Sanssouci, beigesetzt. Von dem Wunsch war die nunmehr republikanische preußische Regierung nur mäßig angetan gewesen, hatte aber letztlich zugestimmt.
Nicht zu Unrecht befürchtete man dort, dass zahlreiche Menschen persönlich Abschied von der äußerst populären Kaiserin nehmen und damit zugleich der abgedankten Monarchie ihre Reverenz erweisen würden. Spontan hatten Gottesdienste sattgefunden, Glockengeläut, in Dresden musste das Gedenken aufgrund des Andrangs zweimal wiederholt werden. In Doorn trafen um die 10.000 Beileidsschreiben ein. Die Überführung im Sonderzug verzögerte sich immer wieder, Abordnungen von Städten, Kirchen und Vereinen brachten Kränze zu den Bahnhöfen. In Potsdam fanden sich schließlich etwa 200.000 Trauergäste ein, politische Gräben gab es an diesem 19. April nicht, die örtliche SPD war mit einem Gebinde vertreten.
Es war aber bei Weitem nicht nur nostalgische Erinnerung an den vergangenen Hohenzollernglanz. Auguste Viktoria hatte durch ihr Wirken Eindruck hinterlassen, von den drei Kaiserinnen des 1871 begründeten Reiches war sie als Einzige beliebt. Aus ihrer tiefen christlichen Glaubensüberzeugung fand sie ihre Aufgabe im Bereich der Wohltätigkeit. Ihre Biographin Elizza Erbstößer bezeichnet Auguste Viktoria als „kaiserliche Sozialarbeiterin“. Den Spitznamen „Kirchenguste“ – es hieß, seinerzeit sei keine Kirche vor ihrer Einweihungsvisite sicher gewesen – trug sie sicher nicht zu Unrecht; um ihr umfassendes Engagement zu beschreiben, greift er jedoch zu kurz.
Die „Kirchenguste“ war sehr beliebt
Geboren wurde Auguste Viktoria am 22. Oktober 1858 als Tochter des Prinzen Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, der später als Friedrich VIII. die Regentschaft in den Herzogtümern Schleswig und Holstein beanspruchte. Der Geburtsort, das Rittergut Dolzig in der Niederlausitz, erklärt sich damit, dass die Augustenburger die großen Verlierer der deutsch-dänischen Auseinandersetzungen um Schleswig-Holstein in der Mitte des 19. Jahrhunderts waren. Zum Weggang gezwungen, fehlte es nicht an Bestrebungen, in die einstige Position zurückzukehren. Die Hoffnungen zerschlugen sich vollends mit der Annexion des Gebietes am Ende des Deutschen Krieges 1866; Schleswig-Holstein wurde preußische Provinz. Friedrich verzichtete formell erst mit der Hochzeit seiner Tochter mit dem ältesten Sohn des damaligen preußischen und deutschen Kronprinzenpaares Friedrich Wilhelm und Victoria. Die im Februar 1881 in Berlin geschlossene Verbindung beruhte zwar auf dynastischen Interessen, war allerdings tatsächlich von gegenseitiger Zuneigung geprägt. Der deutsche Reichskanzler und preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck hielt wenig von der Prinzessin; sie sei eine „holsteinische Kuh“, durch sie käme aber wenigstens frisches Blut ins Haus Hohenzollern. Auguste Viktoria brachte sechs Söhne und eine Tochter zur Welt. Sie pflegte einen „betont antikatholischen Protestantismus“, so Erbstößer. Mit geschiedenen Frauen verkehrte sie nicht, ihre Hofdamen wurden gern als „Halleluja-Tanten“ verspottet. Politisch hielt sich Auguste Viktoria zurück und gab der Familie, insbesondere ihrem Mann, Rückhalt. So etwa in der Daily-Telegraph-Affäre 1908. Ihr wird ein entscheidender Anteil daran zugeschrieben, dass Wilhelm II. damals nicht abdankte.
Auguste Viktoria, seit 1888 Königin von Preußen und Deutsche Kaiserin, war bereits frühzeitig und beständig um die Behebung sozialer Not in Einzelfällen bemüht. Gern versuchte sie, im Hintergrund zu bleiben, was sich allerdings kaum realisieren ließ. Vom Wirken des Hofpredigers Adolf Stoecker, bei dem sie die Umsetzung des Christentums in tätige Nächstenliebe erkannte, zeigte sie sich beeindruckt. Einfluss auf systematische Vorstellungen von Sozialpolitik vermittelte ihr Georg Hinzpeter. Der Erzieher und spätere Berater Wilhelms II. verfasste für sie im Lauf des Jahres 1882 elf Themenbriefe, die nicht zuletzt den Gedanken enthielten, dass es nicht vorrangig um Wohltätigkeit gegenüber den Ärmeren gehe, sondern um den Abbau von Spannungen zwischen Bevölkerungsschichten.
Für die Verbesserung der Situation der Heimarbeiter, von denen viele Frauen waren, setzte sie sich ein und besuchte mehrfach das Oberlinhaus in Potsdam. Ein damals ungewöhnlicher, differenzierter Blick auf „Krüppel“ war ihr von Friedrich von Bodelschwingh nahegebracht worden. Nach dem Tod der Kaiserin-Witwe Augusta 1890 übernahm sie die Schirmherrschaften über das Rote Kreuz und den Vaterländischen Frauenverein, der unter anderem Kindergärten und Suppenstuben betrieb. Auguste Viktoria beschränkte sich nicht lediglich auf die Übernahme von Protektoraten, sie gab Anregungen und legte gemeinsam mit ihren Hofdamen selbst Hand an.
„Holsteinische Kuh“
Besonders verbunden war sie dem im Mai 1888 gegründeten Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein, an dessen Entstehung sie direkt beteiligt war. Hervorgegangen sind daraus später die Evangelische Frauenhilfe und der Evangelische Kirchenbauverein. Letzterer förderte ein Vielzahl von Neubauten. Zunächst auf Berlin beschränkt, konnte bereits 1892 die Erlöserkirche in Rummelsburg eingeweiht werden. Bis 1900 waren 49 Kirchen fertiggestellt. Später weitete sich die Tätigkeit aus. In Ostpreußen entstanden die sogenannten Jubiläumskirchen.
Auguste Viktoria setzte sich für Frauenbildung ein. Sie begrüßte die entsprechende Öffnung der preußischen Universitäten. Ihr Hauptargument war, dass Frauen auf diese Weise die Söhne besser unterstützen könnten. Ihrem Bemühen um die Säuglingsfürsorge ist die Entstehung des 1909 eröffneten Kaiserin-Auguste-Viktoria-Hauses zu verdanken.
Im Ersten Weltkrieg galt dem Lazarettwesen ihre Aufmerksamkeit. An einen deutschen Sieg glaubte sie bis zum Ende. Der Zusammenbruch der Monarchie und ihrer Welt war für sie nur schwer zu verkraften. Dies hat wohl maßgeblich zu ihrem Tod im Alter von nicht einmal 63 Jahren beigetragen.
Wie weit sich die Wirkmächtigkeit der Erinnerung an die Monarchin erstreckte, ist etwa daran erkennbar, dass Hermann Göring sich gezwungen sah, seine unbeabsichtigt für den 14. Sterbetag Auguste Viktorias geplante Hochzeit zu verschieben. Noch heute führen zahlreiche Einrichtungen ihren Namen, auch über Deutschland hinaus, so das Auguste-Viktoria-Hospital auf dem Jerusalemer Ölberg.
Chris Benthe am 10.04.21, 12:22 Uhr
Wunderbare Erinnerung, danke.