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Kant verbindet

Abschied aus der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin – Ein bekanntes Kant-Bildnis geht auf Reisen

Jörn Pekrul
05.10.2023

Ein Ereignis Königsberger Provenienz mit weltweiter Ausstrahlung sendet bereits seine ersten Signale: der 300. Geburtstag des am 22. April 1724 geborenen Immanuel Kant, Professor für Logik und Metaphysik in Königsberg (Pr) und einer, wenn nicht der bedeutendste Vertreter der abendländischen Philosophie.

Um seine Bedeutung zu ermessen, reicht ein Blick ins ferne Japan: Im dortigen Tetsugakudo-koen-Park in Tokio, angelegt 1916, werden in einer „Halle der vier Weltweisen“ die vier größten Gelehrten der Menschheit gezeigt. Man sieht Buddha aus Indien, Konfuzius aus China, Sokrates aus Griechenland und Immanuel Kant aus Königsberg.

Es ist kaum möglich, die beeindruckende Struktur von Kants Denken kurz zu schildern. Doch geben einige Kernpunkte Hinweise: Der Mensch entscheidet über die Regeln der Dinge und handelt nach seinem Willen. Dieser Wille ist erst dann frei, sobald persönliche Neigungen hinter sich gelassen sind und die Vernunft führt. Dazu die Pflicht: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemein gültiges Gesetz werde.“ Zu dieser Pflicht gehören die geistige Freiheit und der Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Selber denken, Autoritäten kritisch prüfen, konstruktive und vernünftige Handlungen mit Verantwortung übernehmen sind seine Maximen.

Dieses Denken revolutionierte die Ethik ihrer Zeit und setzte den Grundstein für das Heute. Das Werk Kants ist für alle Lebenslagen nutzbar.

Ein Sonnenstrahl dieses großen Königsbergers fiel am 19. September in das Haus der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin (DPG). Geladen hatte die Stiftung Königsberg zu einer Finissage. Es wurde ein Kant-Bildnis, mutmaßlich von Johannes Heydeck aus dem Jahr 1872, verabschiedet. Neun Jahre hing es in der Bibliothek der DPG als Begleiter und Wegweiser in der Dekade vor dem Kant-Jahr 2024.

Großes Königsberger Erbe
Als Schirmherr begrüßte der SPD-Bundestagsabgeordnete und Präsident der DPG, Stefan Zierke, die zahlreichen Gäste. Alsdann gab der geborene Königsberger Christean Wagner vom Kuratorium der Stiftung Königsberg einen Überblick über Kants Bedeutung für die Politik. Das Credo vernunftgeprägter Handlungen gewinnt in diesem Feld eine zeitlose Bedeutung. Der Referent wartete dazu mit einigen persönlichen Erinnerungen an frühkindliche Richtungsvorgaben königsberg-kantischer Prägung auf. Man erfuhr: Kant lässt sich auch im Alltag gut über Sekundärliteratur erschließen.

Danach übernahm der Hamburger Christoph de Vries das Rednerpult. Als Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen und Aussiedler in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist ihm der grundsätzliche Bezug nicht fern. Seine Auslegung des Kantschen Werkes „Zum ewigen Frieden“ verband er sehr plausibel mit der Gegenwart und dem Thema eines dauerhaften Friedens zwischen den Staaten nach Kant – man merkte, dass der Referent „sattelfest“ im Thema ist und dies gut zu vermitteln weiß.

Durch diese Beiträge war die Zuhörerschaft lebhaft eingestimmt und erwartete gespannt den nächsten Vortrag. Es sprach der Philosophiehistoriker Steffen Dietzsch, der in der Philosophie der Frühromantik und des Deutschen Idealismus bis hin zur Moderne versiert ist. Dies wurde in seinem Vortrag über den Begriff der Aufklärung in der Königsberger Kultur deutlich. Die Idee einer vernunftgeprägten, freiheitlich gesinnten Gesellschaft, die Fortschritt besser gewährleistet als repressive Regime. Und die Freiheit, die ständig gepflegt werden müsse angesichts ständig präsenter Versuchungen zur Meinungsunfreiheit und der Unaufrichtigkeit im geistigen Austausch.

Dietzsch organisierte 2010 mit Lorenz Grimoni im Duisburger „Museum Stadt Königsberg“ die viel beachtete Ausstellung „Kant der Europäer“. Als das Museum 2016 seine Türen schloss, gingen die Bestände als Dauerleihgabe an die Ostpreußische Kulturstiftung (OKS) für das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg. Von dort angereist, sprach Tim Kunze und gab einen Eindruck der geplanten, musealen Gestaltung des Kantschen und Königsberger Erbes in Lüneburg.

Mit einem Schlusswort des Vorsitzenden der Stiftung Königsberg, Klaus Weigelt, endete der Reigen der Beiträge. Man war noch angefüllt von dem bisher Gehörten, doch auch dieses Schlusswort „drehte nochmal voll auf“. Weigelt begann mit einem Dank an alle Beteiligten am Zustandekommen dieser Finissage. Alsdann entwickelte er eine Reflexion über den „Dank“ als moralischen Imperativ bei Kant. Es war eine Auslegung voller Esprit und Kurzweil, welche die Vorträge noch einmal verband. So nahm es nicht Wunder, dass sich eine angeregte Gesellschaft zu einem lebhaften Austausch zusammenfand. Kleine Gesprächsgruppen bildeten sich, lösten sich wieder auf, um mit anderen Teilnehmern in eine neue Runde angeregter Gespräche zu gehen. Kant verbindet – auf welch eindrucksvolle Weise selbst im Jahr vor seinem 300. Geburtstag war hier zu erleben.

Die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft ist eine überparteiliche Vereinigung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der Deutschen Landtage und des Europaparlaments. Sie wurde 1951 gegründet und hat ihren Sitz seit 1999 in Berlin im ehemaligen Reichstagspräsidentenpalais von 1904. In der Weimarer Republik war das Haus ein Ort der Begegnungen und Debatten. Diese Tradition des Gesprächs über Parlaments- und Parteigrenzen hinweg wurde von der DPG wieder aufgenommen.

Wie die Finissage der Stiftung Königsberg zeigte, haben diese Ideen reiche und dauerhafte Früchte getragen – ganz im Sinne von Immanuel Kant und seiner Stadt Königsberg in Preußen.


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