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Kapitalismus schlittert in eine Vertrauenskrise

Nicht einmal jeder achte Deutsche glaubt, von der aktuellen Wirtschaftsordnung zu profitieren

Peter Entinger
04.02.2020

Am Anfang der 2020er Jahre befindet sich der Kapitalismus in einer Vertrauenskrise. Nur zwölf Prozent der Deutschen glauben, dass ihnen die aktuelle Wirtschaftsordnung nützt und sie von einer wachsenden Wirtschaft profitieren.

Das geht aus der Umfrage „Trust Barometer“ der US-Agentur Edelman hervor. Demnach schaut weniger als jeder vierte Deutsche (23 Prozent) optimistisch in seine wirtschaftliche Zukunft. Lediglich Franzosen (19 Prozent) und Japaner (15 Prozent) sind noch pessimistischer. Hingegen gehören Inder (77 Prozent) und Chinesen (69 Prozent) zu den Nationen, die deutlich positiver gestimmt sind. Auch in den USA ist die Stimmung mit 43 Prozent wesentlich besser als in Deutschland.

34 000 Personen aus 28 Ländern

Für die Erhebung werden jedes Jahr etwa 34 000 Personen in 28 Ländern in halbstündigen Online-Interviews befragt. Die Umfrage wird seit zwei Jahrzehnten durchgeführt und ist damit als Instrument zur Messung der Vertrauensentwicklung ziemlich aussagekräftig. Die Studie wurde im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos offiziell vorgestellt.

„Das ist ein alarmierendes Ergebnis. Unternehmen, die die neuen Regeln nicht verstehen, werden es künftig schwer haben“, erklärte Christiane Schulz, CEO (Geschäftsführerin) von Edelman Deutschland gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“). Die Bürger seien auf der Suche nach Antworten auf die großen Fragen. Dazu gehörten neben der Klimadebatte auch der technologische Wandel und die politische Stabilität auf der Welt.

Weniger Unterschiede als man vielleicht erwarten könnte gibt es, wenn man auf die verschiedenen Einkommensgruppen schaut. Besserverdienende sehen den Kapitalismus nicht weniger kritisch als Geringverdiener. In der weltweiten Befragung zeigten sich 55 Prozent der Personen aus dem untersten Einkommensviertel kapitalismuskritisch, im obersten Einkommensviertel waren es sogar zwei Prozentpunkte mehr (57 Prozent).

Reicher kritischer als Arme

Dabei ist das Misstrauen gegen die Superreichen besonders hoch. Nur 36 Prozent der Befragten vertrauen laut der Edelman-Umfrage den besonders Vermögenden. Damit bilden sie das Schlusslicht der Befragung und liegen sogar noch hinter den politischen Führern.

Neben den durchaus pessimistischen Zukunftsaussichten gibt es eine große Kluft zwischen informierter und breiter Öffentlichkeit. Noch nie sei in so vielen Märkten der Unterschied zwischen informierter und breiter Öffentlichkeit größer gewesen, erklären die Autoren. Während das Vertrauen der informierten Öffentlichkeit global bei 65 Punkten liegt, ist das Vertrauen der breiten Öffentlichkeit 14 Punkte niedriger (51 Punkte).

In Deutschland zeigt sich sogar ein massiver Unterschied von 20 Punkten zwischen den 64 Prozent bei der informierten Öffentlichkeit und den nur 44 Prozent bei der breiten Öffentlichkeit. Als informierte Öffentlichkeit gelten in der Studie Menschen im Alter von 25 bis 64 Jahren mit einem Hochschulabschluss, einem überdurchschnittlichen Haushaltseinkommen innerhalb der Top 25 Prozent sowie intensivem Medien- und Informationskonsum.

Deutschland 19. von 28 Märkten

Überraschenderweise hat das Vertrauen der Menschen in gesellschaftliche Institutionen in Deutschland und weltweit laut der Studie leicht zugenommen. Hierzulande ist es über alle Institutionen hinweg von 44 Indexpunkten im vergangenen Jahr auf 46 gestiegen (global 54 Indexpunkte). Dabei genießen Medien das größte Vertrauen (49 Prozent) vor der Wirtschaft (48), der Regierung (45) und Nichtregierungsorganisationen (43). Diese Zahlen belegen aber auch, dass mehr als die Hälfte der Befragten kein Vertrauen in die Institutionen hat.

Im globalen Vertrauensranking liegt Deutschland auf Platz 19 von 28 Märkten. „Es ist zwar erfreulich, dass sich das Vertrauen der Gesamtbevölkerung in Deutschland leicht erholt hat. Im internationalen Vergleich sind 46 Indexpunkte dennoch kein guter Wert. Der Druck auf die Institutionen nimmt zu – vor allem, wenn man sich die Einstellung der Deutschen gegenüber der Zukunft anschaut. Unternehmen müssen das klare Signal als Motivation verstehen, weiter am Vertrauen zu arbeiten“, sagte Schulz.


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