26.04.2024

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Tag des Friedhofs am 20. September

Kein Grund zur Trauer

Vor 176 Jahren wurde der Heidelberger Bergfriedhof eröffnet – Auf dem früheren Weinberg ruhen Prominente wie Max Weber

Bettina Müller
20.09.2020

In Prä-Corona-Zeiten konnte ein Besuch der Heidelberger Altstadt ganz schön anstrengend sein. Horden von Touristen fluteten die ungezählten Andenkenläden mit hohem Kitschfaktor oder gerieten bei dem Anblick des Heidelberger Schlosses hoch oben über den Dächern der Stadt fast in Ekstase. Sie stürmten die Restaurants ohne jeglichen Sicherheitsabstand und besetzten zuverlässig jeden touristischen Hotspot, den man sich selber gerne einmal in Ruhe angeschaut hätte.

Doch es war aussichtslos. Und so nahm der leicht apathische Besucher die Straßenbahn in Richtung West-/Südstadt, um Stille zu suchen, und gelangte so zu dem größten und grünsten Friedhof der Stadt, der zugleich auch einer der schönsten Friedhöfe Deutschlands ist. Und daran wird sich nach der Pandemie auch nichts ändern.

Der Bergfriedhof wurde am 18. September 1844 als „Neuer Friedhof an der Steige“ eröffnet. Geplant hatte ihn der großherzogliche Garteninspektor Johann Metzger, und mit seinem Konzept war er seiner Zeit weit voraus, weil damals ein freiwilliger Gang über einen Friedhof im Denken der Menschen kaum verankert war. Metzgers Anliegen war, dass die Besucher mit Hilfe eines angenehmen Aufenthalts auf dem Friedhof die Toten nicht vergessen sollten, und die Natur sollte dabei die Hauptrolle spielen. Und das macht sie bis heute mit einer üppigen Vegetation: begrünte Geländeterrassen mit verschlungenen Pfaden und Treppen, Waldpflanzen als Bodendecker, aber auch Tiere, die sich sonst nirgendwo in der Stadt zeigen wie Fledermäuse, Dachse oder sogar mal das ein oder andere Wildschwein, das verbotenerweise den Zaun niedermäht.

So mancher pilgert zum Ebert-Grab

Von Weitem fällt schon die rerrassenförmig angelegte Anordnung ins Auge, weil der Berg tatsächlich einmal ein Weinberg war und eine der schönsten Aussichten in das Rheintal bot. Johann Metzger sorgte auch dafür, dass man die ursprüngliche Terrassierung nicht veränderte, und er legte neue Serpentinenwege und Terrassen an, als der Platz knapp wurde.

Ruhebänke ließen den Ort noch verwunschener erscheinen. Keine Flucht mehr, weil der Gedanke an die Toten zu bedrückend war, Metzger wollte die Lebenden und die Toten harmonisch an einem Ort zusammenbringen. Vor allem aber sollte der Mensch der Natur folgen und nicht umgekehrt.

Heute hat der Friedhof eine Gesamtfläche von fast 15 Hektar und erfüllt mit seinem ungewöhnlichen Konzept und seiner besonderen Vegetation spielend die Kriterien des diesjährigen deutschlandweiten „Tags des Friedhofs“ an einen möglichst entspannten und lehrreichen Besuch auf einem Friedhof. Die Aktion wurde 2001 vom Bund Deutscher Friedhofsgärtner ins Leben gerufen.

„Einige Friedhöfe stehen unter Denkmalschutz und stellen touristische Attraktionen dar, wie etwa Friedhöfe auf denen berühmte Persönlichkeiten beerdigt wurden. Städtische, stark begrünte Friedhöfe übernehmen neben Parkanlagen wichtige klimatische und ökologische Funktionen“, heißt es im Internet im Begleittext zu dem Tag, der dieses Jahr am 20. September stattfindet.

Und irgendwann kommen alle Besucher an der wohl berühmtesten Grabstätte des Bergfriedhofs vorbei. Das Hinweisschild „Zum Ebert-Grab“ ist auch kaum zu übersehen. Es weist den Weg zu der Ehren-Grabstätte des einstigen sozialdemokratischen Reichspräsidenten, der am 28. Februar 1925 kurz vor seinem 54. Geburtstag nach nur sechs Jahren Amtszeit in Berlin an einer verschleppten Appendizitis verstarb und am 5. März in seiner Heimatstadt auf dem Bergfriedhof beerdigt wurde. Natürlich ist die Grabanlage repräsentativ, sein Status ließ damals gar nichts anderes zu, auch wenn Ebert selber aus einer Handwerkerfamilie stammte – sein Vater war Schneider und Ebert selber wollte ursprünglich Sattler werden.

Dennoch ist die Grabanlage schlicht. Sechs Stufen muss man erklimmen, um das Podest zu erreichen. „Des Volkes Wohl ist meiner Arbeit Ziel“ heißt es unter dem Namen, und das ist alles, was auf dem monumentalen Altar-Stein aus Muschelkalk zu lesen ist, der von zwei seltsam verfremdeten Adlern flankiert wird und über dem ein Hochkreuz mit dem gekreuzigten Jesus wacht.

Viele Gräber von Wissenschaftlern, die an der Universität Heidelberg wirkten, wird man ebenfalls auf dem Friedhof finden. Insgesamt vier Rundwege lassen sich auf dem Friedhof unternehmen, um sie zu entdecken. Der Erfinder des Bunsenbrenners, Robert Bunsen, hat dort seine letzte Ruhe gefunden, der bedeutende Komponist Wilhelm Furtwängler oder auch der Nationalökonom Max Weber und viele Persönlichkeiten mehr. Sie alle haben im Tod eins gemeinsam: ein Grab mit Aussicht.


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