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Grünes Gewölbe

Kein Jubel zum Jubiläum

Dresdens Grünes Gewölbe wird 300 Jahre alt – Vor etwas mehr als drei Jahren wurde es von Berliner Clanmitgliedern ausgeraubt

Veit-Mario Thiede
03.06.2023

August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen-Litauen, ließ sein als „Grünes Gewölbe“ weltberühmtes Dresdner Schatzkammermuseum in zwei Bauphasen zwischen 1723 und 1729 einrichten. Der Baubeginn lässt sich auf den Tag genau benennen, wie Marius Winzeler ausführt. Der Direktor des Grünen Gewölbes berichtet: „Das erhaltene entsprechende Rechnungskonvolut überliefert auf dem Deckblatt: ‚Nachrichten von dem Bau im Grünen Gewölbe, von dato 1. Juny 1723 angefangen'.“

August der Starke richtete das Schatzkammermuseum im Westflügel des 1549 bis 1552 erbauten Residenzschlosses ein. Seit 1572 wird die Raumfolge im Erdgeschoss „Grünes Gewölbe“ genannt. Der Name geht zurück auf die einstige kupfergrüne Bemalung, von der sich an den Kapitellen im Pretiosensaal Reste erhalten haben. Freilich sieht es hier aber nicht mehr ganz so wie vor 300 Jahren aus. Bereits während der Sudetenkrise des Jahres 1938 begann die Auslagerung der Sammlungen und später auch der beweglichen Teile der Innenausstattung.

Beim Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 gingen drei der Schatzkammerräume unter. Die anderen fünf blieben erhalten, doch ihre Wandvertäfelungen waren bis zum Ausbau 1962 der Witterung und Dieben ausgeliefert. Nach Kriegsende hatte die Sowjetische Trophäenkommission die Schätze des Grünen Gewölbes als Beute abtransportiert. Nach der Rückgabe 1958 waren ausgewählte Stücke im Ausstellungsgebäude „Albertinum“ zu sehen.

Die Wiederauferstehung des Grünen Gewölbes im Residenzschloss ist keine 20 Jahre her. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eröffneten 2004 im ersten Obergeschoss des Westflügels das „Neue Grüne Gewölbe“. In den schnörkellos nüchternen Räumen stehen besondere Einzelstücke im Blickpunkt – und davon gibt es über 1000. Eine bizarre Berühmtheit im „Raum der Kunststücke“ ist die von Wenzel Jamnitzer entworfene und seinem Sohn Abraham in den 1580er Jahren aus vergoldetem Silber angefertigte Statuette der Nymphe Daphne, deren Scheitel und erhobenen Armen Korallenzinken entsprießen. Ein zunächst unscheinbarer Kirschkern offenbart erst durch die Lupe betrachtet seine vor 1589 eingeschnittenen besonderen Qualitäten. Er ist bekannt als der „Kirschkern mit 185 geschnitzten Köpfen“, obwohl es eigentlich „nur“ 113 sind.

Größte Attraktion im „1. Raum der Kurfürsten“ ist die von Jacob Zeller 1620 aus Elfenbein und Gold geschaffene Fregatte. Auf dem geblähten Hauptsegel sind die Wappen des Kurfürsten Johann Georg I. und seiner Gattin Magdalena Sibylla von Preußen dargestellt. Höhepunkt der Raumfolge ist der dem Schaffen von Johann Melchior Dinglinger gewidmete Saal. Der Hofjuwelier fertigte seine aufwendigsten und kostspieligsten Werke, die so teuer wie ein ganzes Schloss waren, auf eigenes Risiko an und musste zuweilen viele Jahre warten, bis August der Starke sie ihm abkaufte.

Bernsteinpräsent aus Preußen
Dinglingers erstes Hauptwerk ist das mit 45 Gefäßen auf fünf Etagen ausgestattete „Goldene Kaffeezeug“ (1697–1701, überarbeitet 1725). Da die mit Emaille überzogenen Tassen aus purem Gold bestehen, sind sie allerdings für den Genuss von Heißgetränken ungeeignet. Das spektakulärste Goldschmiedkunstwerk des Spätbarock aber ist der von Dinglinger sowie seinen Brüdern Georg Friedrich und Georg Christoph angefertigte „Thron des Großmoguls Aureng-Zheb“ (1701–1703). Besagter indischer Großmogul und Herrscher über die damals einzigen Fundstellen von Diamanten thront eher unscheinbar im Hintergrund. Im Funkeln von 4909 Diamanten, 160 Rubinen, 164 Smaragden und einem Saphir gehört die Bühne den mit 35 kostbaren Geschenken zur fünftägigen Geburtstagsfeier des Großmoguls angereisten 132 Würdenträgern.

Im Erdgeschoss residiert in den angestammten Räumen und drei neu hinzugekommenen seit 2006 wieder das „Historische Grüne Gewölbe“. Mehr als 2000 Objekte erzeugen in Verbindung mit dem originalen und rekonstruierten Innenausbau den Eindruck überwältigender Pracht. Die hebt im Bernsteinkabinett an. Der hier aufgestellte Bernsteinkabinettschrank ist ein Geschenk Friedrichs des Großen. Von Raum zu Raum wird die Ausstattung prunkvoller. Den ersten Höhepunkt bildet der Pretiosensaal. Verspiegelte Wände, die mit vergoldeten Zierleisten und Konsolen ausgestattet sind, vervielfachen die in großer Zahl ausgestellten Objekte. Schillernde Nautilusgehäuse sind in Schiffe, Vögel oder Trinkgefäße verwandelt. Arbeiten aus Bergkristall funkeln. Matt leuchten Straußeneier. Fünf dienen als Leib von Straußenvögeln aus vergoldetem Silber. Einige tragen ein Hufeisen im Schnabel zum Zeichen dafür, dass der „Eisenfresser“ Strauß selbst aus den größten Widrigkeiten Nutzen zu ziehen weiß.

Bewusst reizarm hat August der Starke das Wappenzimmer inszeniert. Die kupfergetriebenen und vergoldeten Wappen, von denen einige bei der Bombardierung Dresdens 1945 argen Schaden genommen haben, beziehen sich auf seine Herrschaftsgebiete. Umso überwältigender ist dann der folgende Prunk des Juwelenzimmers. Hier präsentiert ein von Balthasar Permoser wohl 1724 geschnitzter, aber mit Dinglingers Schmuckstücken indianisch herausgeputzter „Mohr“ eine in Kolumbien entdeckte Smaragdstufe, die Kaiser Rudolf II. anno 1581 Kurfürst August verehrte. In Vitrinen glitzern vielteilige Juwelengarnituren. Zu ihnen gehören Knöpfe, Schnallen, Spazierstöcke, Degen und Scheiden.

Neben der Vitrine mit der Diamantrosengarnitur, der Brillantgarnitur und den Perlen der Königinnen informiert ein Text über den Einbruch vom 25. November 2019, bei dem die Diebe Teile dieser Garnituren raubten. Die meisten Stücke des Diebesgutes wurden im Dezember Jahres sichergestellt. Am 16. Mai wurden die Diebe zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die sichergestellten Juwelen werden wieder ausgestellt, sobald das Gericht sie freigegeben hat.

Grünes Gewölbe im Residenzschloss Dresden, geöffnet täglich außer Dienstag von 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 14 Euro.
Lesetipp: „Der Traum des Königs – Die Schätze des Grünen Gewölbes“, Sandstein Verlag, 28 Euro. www.skd.museum


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Kommentare

Heiko Rübener am 08.06.23, 10:13 Uhr

Gestohlen wie eine Tüte Fruchtdrops aus dem Supermarkt.
Museen, Sammlungen und Denkmäler finanzieren sich ja nun nicht selbst und brauchen immer Unterstützer.
Staatliche Wertschätzung - Fehlanzeige.
Wen wunderts. Das Gegenteil scheint bei der Staatsministerin für Dingsbums zu sein. Vor 1933 scheint es in diesen Kreisen nichts Deutsches zu geben. Bilderstürmerei auf das „Bismarck-Zimmer“ oder Verdecken christlicher Inschriften am Berliner Stadtschloss sind die Symptome.

G. Michael Wolf am 03.06.23, 17:59 Uhr

Es mag für einen Nicht - Sachsen vielleicht pathetisch klingen, aber durch diesen frevelhaften, brutalen Akt des Diebstahls (der durch Insider - Wissen überhaupt möglich wurde), und das lächerliche Strafmaß, ist die "Herzkammer" des alten Dresden entweiht!

Kersti Wolnow am 03.06.23, 12:28 Uhr

Es ist doch jedem Idioten klar gewesen, daß offene Grenzen zum Osten und überhaupt dafür sorgen, daß wir ausgeraubt werden. Seit 1990 hat der Staat bRD seine Pflicht des Schutzes seiner Bürger aufgegeben. Ob Betrug bei Bankskandalen, beim time Sherin, Hütchenspielen auf Hamburgs Straßen oder Einbrüchen während des Urlaubs, nachts oder während der Arbeitszeit, beim Asylbetrug. Ich sehe den Staat nicht mehr als Staat, weil er keine richtige Geschichte anbietet, die Sprache verunstalten und die Leute betrügen und belügen läßt. Wir haben keine Armee mehr. Emotional bin ich losgelöst von dieser Buchstabenkonstruktion. Aber das war ich seinerzeit Ende der 80er schon von der DDR.

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