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Eine Vielzahl islamischer Milizen beteiligt sich in unterschiedlichster Form am Kampf gegen die Russen im Ukrainekrieg
Nach dem Terroranschlag auf das Veranstaltungszentrum Crocus City Hall im Moskauer Vorort Krasnogorsk am Abend des 22. März, zu dem sich der afghanische Ableger des Islamischen Staates (IS) namens Daesh-Khorasan bekannt hat, beschuldigte die russische Regierung den ukrainischen Militärgeheimdienst HUR, die Attentäter rekrutiert und bezahlt zu haben. Hierfür fehlen bislang aber belastbare Belege. Dahingegen steht eindeutig fest, dass die Streitkräfte Kiews mit islamischen Gruppierungen kooperieren.
Der Beginn dieser Zusammenarbeit datiert auf das Jahr 2014, als es in der Ostukraine zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen separatistischen prorussischen Milizen und regulären russischen Truppen auf der einen sowie ukrainischen Regierungssoldaten und proukrainischen Freiwilligenverbänden auf der anderen Seite kam. Zu den letzteren gehörten das Tschetschenische Friedenssicherungsbataillon Dschochar Dudajew, das den Namen des ersten Präsidenten der nur von der Ukraine anerkannten Tschetschenischen Republik Itschkerien erhielt, und das Tschetschenische Friedenssicherungsbataillon Scheich Mansur, benannt nach einem populären Imam und Militärführer, der im 18. Jahrhundert gegen Russland gekämpft hat.
Von Homogenität keine Spur
Das von Muslim Tscherberlojewskij geführte Scheich-Mansur-Bataillon operierte zunächst im Verbund mit dem Ukrainischen Freiwilligenkorps, dem paramilitärischen Arm der nationalistischen Partei Rechter Sektor, und dann als autonome Einheit. Das heißt, es verweigerte den Eintritt in die am 27. Februar 2022 gegründete Internationale Legion der Territorialverteidigung der Ukraine (IL), die dem Kommando der Territorialen Verteidigungskräfte der Ukraine untersteht und zurzeit angeblich 30.000 Kämpfer aus rund 50 Staaten zählt. Dahingegen trat das Dschochar-Dudajew-Bataillon unter Adam Osmajew, dem auch Nichttschetschenen wie der japanische Konvertit Shamil Tsuneoka Tanaka angehören, der IL bei. Zu diesen zwei Einheiten gesellte sich im April 2017 das gleichermaßen selbstständig agierende und von Siroshiddin Mukhtarow befehligte Imam-Schamil-Bataillon. Darin dienen vor allem Moslems aus der zur Russischen Föderation gehörenden nordkaukasischen Republik Dagestan.
Nach Beginn der sogenannten Militärischen Spezialoperation Russlands in der Ukraine formierte sich im Juli 2022 zudem noch das Separate Spezialbataillon des Verteidigungsministeriums der Tschetschenischen Republik Itschkeria (OBON), das wie das Dschochar-Dudajew-Bataillon zum Verband der IL gehört und von Hadschi-Murad Zumso kommandiert wird. Drei Monate später tauchte dann mit dem Ajnad al-Kawkas der nächste neue und offenbar auch niemandem organisatorisch zugeordnete Akteur mit islamischem Hintergrund auf dem Kriegsschauplatz in der Ukraine auf, nachdem er zuvor an der Seite lokaler syrischer Dschihadisten bei Idlib, Aleppo, Hama, Latakia und anderswo gegen die Regierungstruppen von Baschar al-Assad Krieg geführt hatte. Der Wechsel war die Folge von Querelen mit weiteren islamischen Zusammenschlüssen, deretwegen der Anführer des einflussreichen Komitees zur Befreiung der Levante dem Ajnad-al-Kawkas-Chef Abd al-Rahman al-Shishani nahelegte, mit seinen Männern in die Ukraine abzuziehen.
Darüber hinaus kämpfen tschetschenisch-muslimische Freiwillige auf der Seite Kiews, die vier weiteren Verbänden angehören, nämlich der Abteilung Khamsat Gelajew, der Spezialeinsatztruppe SOG, dem 34. Sturmbataillon „Mad Pack“ und dem Muslimischen Korps Kaukasus. Die Gesamtzahl der Mitglieder all dieser Gruppierungen soll bei rund 2000 liegen. So lauteten jedenfalls entsprechende Meldungen vom November 2022.
Obwohl es hier also um relativ wenige Personen geht, ist deren Motivation zur Teilnahme an den Kämpfen in der Ukraine nicht immer die gleiche. Zwar besteht Einigkeit, was den Hass auf Russland betrifft, der aus dem brutalen Vorgehen Moskaus in den beiden Tschetschenienkriegen von 1994 bis 1996 beziehungsweise 1999 bis 2009 resultiert. Darüber hinaus folgen die Anführer des Dschochar-Dudajew- und Scheich-Mansur-Bataillons sowie des OBON jedoch eher der säkularen Vision von einem freien Tschetschenien, das nicht mehr unter der Fuchtel Moskaus und der Putin-Marionette Ramsan Kadyrow steht. Das heißt, der Islam rangiert hier maximal an zweiter Stelle. Dahingegen sind die Angehörigen des Ajnad al-Kawkas Glaubenskrieger reinsten Wassers. Sie kennen nur fundamentalistische und dschihadistische Ziele wie die weltweite Durchsetzung des Islam und der Scharia. Deswegen ist es ihnen auch relativ egal, wo sie kämpfen, solange es nur gegen vermeintlich Ungläubige geht. Insofern hat die christlich-orthodox dominierte Ukraine hier einen besonders problematischen Verbündeten.
Die Moral scheint ungebrochen
Wenn man den jeweiligen Berichten vom Kriegsschauplatz in der Ukraine glauben darf, nahmen die islamischen Verbände, die auf Seiten Kiews agieren, bereits an zahlreichen Kampfhandlungen gegen russische Truppen teil. Dazu gehören neben den Scharmützeln im Osten der Ukraine vor der russischen Invasion vom Februar 2022 die Schlachten um Kiew und Charkiw, die bis zum April beziehungsweise Mai 2022 andauerten, das parallel verlaufene Gefecht von Isjum, die Belagerung von Mariupol, die im Mai 2022 mit einer Kapitulation der ukrainischen Verteidiger endete, die nur teilweise erfolgreiche ukrainische Gegenoffensive vom Herbst 2022 sowie die verlustreichen Schlachten von Sjewjerodonezk, Soledar und Bachmut. Außerdem war das OBON an den Einfällen in die russische Oblast Belgorod ab Mai 2023 und den Kommandoaktionen im Raum Belgorod und Kursk im März/April 2024 beteiligt. Dabei agierte es Seite an Seite mit der Legion des Freien Russlands, der Rumänischen Kampfgruppe Getica, dem Polnischen beziehungsweise Weißrussischen Freiwilligenkorps sowie dem weißrussischen Bataillon „Terror“.
Anzeichen dafür, dass sich der ausbleibende Sieg der Ukraine negativ auf die Moral der islamischen Kampfverbände auf Seiten Kiews auswirkt, gibt es bislang keine.