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In Berlin und Brandenburg nehmen die possierlichen Tierchen allmählich Überhand
Berlin gehört zu den Städten in Europa, in denen laut einer neuen Studie des Museums für Naturkunde die meisten Arten verschwunden sind. Die Biologen des Naturkundemuseums in der Berliner Mitte gehen davon aus, dass es in der Stadt 16 Prozent weniger Tier- und Pflanzenarten gibt, als hier zum Ende des 17. Jahrhunderts existierten. Allerdings haben sich seitdem auch fast 450 gebietsfremde Arten im Stadtgebiet neu angesiedelt. Eine dieser dazugekommenen Arten, der aus Nordamerika stammende Waschbär, wird nun allerdings zu einem scheinbar unlösbaren Problem. In Außenbezirken Berlins ist sogar schon von einer Waschbär-Plage die Rede. Die kleinen Raubtiere plündern Mülltonnen aus und verteilen dabei flächendeckend Müll in der Gegend. Gern nisten sich die Tiere auch in Dachstühlen ein, beschädigen Dacheindeckungen oder Dämmungen von Häusern.
Harmlos verlief im Mai vergangenen Jahres eine Begegnung, die ein Berliner Busfahrer mit einem jungen Waschbären hatte. Als der Fahrer während einer Pause die Fenster des Busses zum Lüften öffnete, nutzte ein Tier die Gelegenheit, um in den Bus zu klettern. Ein Naturschutzranger fing den Waschbären schließlich ein und setzte ihn in der Nähe wieder aus.
Im Fall eines Brandenburger Senioren haben Waschbären dagegen vor einigen Jahren zu einem tiefen Einschnitt in seinem Leben geführt. Als der verwitwete Rentner von einem längeren Auslandsaufenthalt zurückkam, fand er sein Einfamilienhaus in Nordbahn-Glienicke unbewohnbar vor: Wie später rekonstruiert werden konnte, waren während der Abwesenheit des Mannes Waschbären über das Dach in das Haus eingedrungen. Die über Wochen angerichteten Schäden und Verwüstungen im Innern des Hauses waren so massiv, dass der Rentner nicht mehr die Kraft für eine Sanierung aufbrachte. Er verkaufte das Haus, zog zu Verwandten.
Schätzungen gehen dahin, dass es in Berlin mittlerweile 1000 Waschbären gibt. In Brandenburg haben sich die kleinen Raubtiere fast flächendeckend ausgebreitet. In beiden Bundesländern scheint ein wirksames Rezept, wie eine weitere Ausbreitung der Kleinbären verhindert werden kann, zu fehlen.
Vorerst als gescheitert angesehen werden muss ein Berliner Projekt, das auf eine langfristige Reduzierung der Waschbärenpopulation abzielte. Dazu wollte ein Verein „Hauptsache Waschbär“ Tiere einfangen, um Weibchen zu sterilisieren und Männchen zu kastrieren. Wie Anfang Juli bekannt wurde, wird dieses geplante Pilotprojekt allerdings nicht umgesetzt. Wie der Sender rbb berichtete, hat die Senatsumweltverwaltung nach fast zweijähriger Prüfung der Projektunterlagen Bedenken angemeldet.
Beanstandet wird von der Verwaltung laut des Berichts unter anderem, dass beim Projekt eine Begleitung durch eine wissenschaftlich anerkannte Forschungseinrichtung fehle. Die Steglitzer Tierärztin Mathilde Laininger, die das Projekt mit dem Verein „Hauptsache Waschbär“ seit 2022 vorantreibt, verweist dagegen darauf, dass das Projekt durchaus wissenschaftlich unterstützt werden sollte. Die Tiermedizinerin kann zudem auch selbst mehrere Jahre Erfahrung in der Arbeit mit Waschbären vorweisen. Einen weiteren Hinderungsgrund stellt die fehlende Genehmigung des Bezirks Steglitz-Zehlendorf zur Haltung von Waschbären dar. Diese ist für die Umsetzung des Projekts zur Bestandskontrolle notwendig.
Für ihre tierärztliche Praxis hat die Veterinärmedizinerin die Erlaubnis zum Halten von fünf Waschbären erhalten. Eine Erhöhung der Zahl lehnt das Bezirksamt ab. Waschbären dürfen „nach einer EU-Verordnung in Verbindung mit dem Bundesnaturschutzgesetz nur für ein Forschungsvorhaben gehalten werden“, so das Amt gegenüber dem rbb. Weiter heißt es vom Bezirk, man setze stattdessen darauf, die Tiere „zu vergrämen“.
Der schwarz-rote Senat setzt wiederum auf ein schon länger angekündigtes Wildtierkompetenznetzwerk, dessen Starttermin allerdings noch immer nicht bekannt ist. Aufgrund der fehlenden Bejagungsmöglichkeit in der Großstadt und ohne Kastrationsprojekt steht einem Anwachsen der Berliner Waschbärpopulation damit erst einmal nichts im Weg.
Im benachbarten Brandenburg wird der Waschbär dagegen sehr intensiv bejagt. Allein vergangenes Jahr erlegten Jäger in der Mark Brandenburg etwa 32.000 Waschbären. Meldungen über eine Waschbärenplage im Spreewald und eine Diskussion zur Verbesserung der Nachtjagdmöglichkeiten zeigen allerdings, dass sich die Tiere auch in Brandenburg weiterhin rasant vermehren. Experten schätzen die Zahl der Waschbären in der Mark Brandenburg auf rund 100.000 Tiere.