Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Trutzige Dorfkirchen unterm pommerschen Küstenwind
Wer an den Küsten Vorpommerns Urlaub macht und Strandtrubel, Wellenschlag und Sonnenbad überdrüssig ist, dem seien Abstecher ins Hinterland empfohlen. In den oft winzigen Dörfern verbergen sich mitunter wahre Kleinode ländlicher Kirchenbaukultur.
Im Trebeltal zum Beispiel stehen trutzige Gotteshäuser, die bereits während der deutschen Einwanderung ins Wendenland errichtet wurden. Das ist inzwischen nahezu 800 Jahre her. Tribohm muss man da nennen, Semlow, Schlemmin und auch Kirch Baggendorf. Kirch Baggendorf – der Name macht neugierig. Lässt er doch vermuten, dass das kleine Dorf, zehn Kilometer westlich der Kleinstadt Grimmen im Kreis Vorpommern-Rügen, besonderes auf Ausflügler mit Sinn für Kirchenbauten wartet.So ist es dann auch. Auf einem grünen Hügel ruht ein bastionsartiges Gotteshaus inmitten eines weitläufigen, von hohen Bäumen beschatteten Friedhofs. Gut anzusehen, ein solches Ensemble.
Ursprünglichkeit bewahrt
Aufgefügt worden ist die Kirche vorwiegend aus Feldsteinen, die schmelzende Eiszeitgletscher vor wohl 15.000 Jahren in rauen Mengen in Norddeutschland zurückließen. Die nur grob behauenen Granitbrocken sind so geschickt aufgeschichtet und durch Kalkmörtel fest verbunden, dass all die Jahrhunderte den Grundfesten, dem Chor-, Langhaus- und Turmgemäuer kaum etwas anhaben konnten.
Kai Steffen Völker, der frühere Pastor von Kirch Baggendorf und Autor einer kleinen Fibel über Geschichte, Baugeschehen und Ausstattung der Kirche, geht davon aus, dass der recht einheitlich wirkende Bau in einem Zug errichtet wurde – was auf dem Lande selten vorkam - und spätestens in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts fertiggestellt war. Trotz einiger zwischenzeitlicher Umbauten bewahrten viele Generationen von Kirch Baggendorfern im Großen und Ganzen die Ursprünglichkeit ihrer Andachtsstätte.
Wenn das mächtige, auf der Südseite von wildem Wein dekorierte Feldsteinmauerwerk auch dominiert, Portale, Dreifenstergruppen und Zwickel führten die Handwerker geschickt in Backstein aus. Eine solche Kirche zu bauen kostete Geld. Aber die Kirch Baggendorfer werden nicht arm gewesen sein, denn die Ackerböden zwischen Stralsund und Trebelfluss gelten als ertragreich.
Besondere Bildergeschichten
Wer eintritt und in den Bankreihen Platz nimmt, gerät ins Staunen über den durchrestaurierten, harmonisch durch Kreuzrippengewölbe gegliederten Raum einschließlich des Chors. Die mal weit gespannten, mal aufstrebenden Joche, Bögen und Laibungen verraten sowohl romanische als auch gotische Einflüsse.
Den Blick bannen etliche Weihekreuze und biblische Themen illustrierende Fresken, die sich freilich nicht jedem sogleich erschließen mögen. Sie warten also auf eine tiefere Betrachtung. Und die Zeit dafür sollte man sich nehmen. Seit dem 14. Jahrhundert zieren diese Bildgeschichten Kuppeln und Joche, sind damit ebenfalls sehr alt. Da ist etwa das Gleichnis-Motiv von den törichten und klugen Jungfrauen, nachzulesen bei Matthäus 25, das im Mittelalter häufig in Kirchen als Bildnisdarstellungen oder Figurenreigen Verwendung fand. Bei der Ausgestaltung von Dorfkirchen im Nordosten ist das Motiv aber selten zu finden.
Leider verbarg sich die Ausmalung der Baggendorfer Kirche jahrhundertelang unter dichter Tünche. Wiederentdeckt wurde sie 1938 vom in Stettin ansässigen Kirchenmaler und Restaurator Gustav Hoffmann (1883 1974). In den vergangenen Jahren hat der Restaurator Marcus Mannewitz weitere Details mit Aussagekraft zu Tage befördert. Anschauenswert sind aber auch die dem Barock zugeordneten und ebenfalls mit Bildnissen dieser Zeit versehene Kanzel sowie der Altar.
Traditionen bewahrt
Kirch Baggendorf hat wie alle Dörfer so manche Zäsur in seiner Geschichte durchstehen müssen. Eine davon ist der Konkurs des Gutes Ende der 1920er Jahre. Große landwirtschaftliche Betriebe gingen damals wegen der unsäglichen Verhältnisse in Deutschland und des Weltgeschehens reihenweise pleite. Ein Unglück für den Kirch Baggendorfer Gutsbesitzer, viel mehr aber für die Landarbeiter, die ohne Lohn und Brot dastanden. Das Dorf wurde, wie Pastor Völker schreibt, von der Pommerschen Siedlungsgesellschaft an Siedlungswillige aus Posen/Westpreußen, das nach dem Ersten Weltkrieg an Polen abgetreten werden musste, veräußert.
Die Zuzügler trugen indes frische Glaubenskraft ins Dorf. So sollten die Einheimischen, zuvor eher nachlässige Gottesdienstbesucher, fortan die Kirchenbänke gut besetzen. Man pflegte das Tischgebet, war sangesfreudig und gründete einen Posaunenchor. Vieles von dem blieb bis heute. Die Kirch Baggendorfer finden sich regelmäßig zu Gemeindenachmittagen und Hauskreisen zusammen, auch den Posaunenchor gibt es noch.