28.03.2024

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Königsberg

„Königsberger Express“ in Gefahr

Zum 30. Jahrestag droht das Ende – Die Folgen des Ukrainekriegs wirken sich negativ aus

Susann Niros
15.03.2023

Heute existieren in der Russischen Föderation noch immer rund 50 deutschsprachige beziehungsweise zweisprachige Publikationen.

Die zwei bedeutendsten Presseorgane sind die 14-täglich erscheinende „Moskauer Deutsche Zeitung“ („MDZ“) aus der Hauptstadt und der monatliche „Königsberger Express“ aus dem nördlichen Ostpreußen. Während die „MDZ“ seit 1998 vom Verband der Russlanddeutschen mit staatlichen Beihilfen aus Deutschland und Russland herausgegeben wird, ist die Leiterin der 1993 gegründeten deutschsprachigen Monatszeitung aus Königsberg eine geschichtsbewusste und mutige russische Privatunternehmerin ohne deutsche Wurzeln.

Zu Beginn der russischen Angriffe auf die Ukraine schrieb sie unter der Überschrift „Gebt dem Frieden eine Chance!“ folgende Zeilen: „Ich, Elena Lebedjewa, Redakteurin der Zeitung ‚Königsberger Express', erkläre mich als Privatperson solidarisch mit den Teilnehmern der Antikriegsdemonstrationen. Ich möchte, dass meine Leserinnen und Leser das wissen. Meine Mutter war eine gebürtige Kiewerin, sie ging von Kiew an die Front und kam im Jahr des Sieges 1945 in diese Stadt zurück. Ich habe meine Kindheit am Fluss Dnjepr verbracht. Ich glaube, fast jeder Russe ist auf die eine oder andere Weise mit der Ukraine verbunden. Raketen und Bomben, zerstörte Städte und tote Menschen stellen diese Bindungen vor eine harte Zerreißprobe. Mehr noch: Sie berauben uns unserer Zukunft – einer Zukunft, die uns allen gehört.“

Leser in aller Welt

Die rund 3000 Leser des „Königsberger Express“ in aller Welt lieben seine ehrliche und neutrale Berichterstattung der vergangenen 30 Jahre – garniert mit hochprofessionellen Bildern. Deutsche Politiker und Unternehmer schätzen insbesondere, dass sie durch diese Monatszeitung in ihrer Muttersprache erfahren können, wie sich das Königsberger Gebiet wirtschaftlich und politisch entwickelt.

In der aktuellen März-Ausgabe ist exklusiv auf Deutsch zu lesen, dass jetzt Studenten der Königsberger Kant-Universität auch militärisch ausgebildet werden sollen und dass Reservisten aus der Region nach eigenen Berichten recht chaotisch und ohne adäquate Vorbereitung an die russisch-ukrainische Front geschickt wurden, was öffentliche Beschwerden und Diskussionen zur Folge hatte. Auch über die Auswirkungen der westlichen Sanktionen auf die russische Wirtschaft wird man im „Express“ informiert: Hier steht, dass die Möbelproduktion in der Region um 50 Prozent zurückging, dass viele Baustellen stillstehen und Bauarbeiter arbeitslos werden oder dass das größte Industrieunternehmen der Sonderwirtschaftszone, die Automobilfabrik Avtotor, durch ausbleibende Lieferungen aus dem Westen in große Schwierigkeiten geraten ist. Statt wie vor dem Krieg zugelieferte Autoteile von BMW und Kia zusammenzubauen, fertigt Avtotor nun nach einem längeren Stillstand Fahrzeuge aus Teilen der chinesischen Automarke Kaiyi.

Besonders mutig erscheint der Abdruck eines kriegskritischen Leserbriefs und eines kritischen Berichts darüber, dass der Befehlshaber der russischen Ostseeflotte an einer Ehrung für den sowjetischen U-Bootkommandanten Alexander Marinesko teilnahm. Unter Marineskos Kommando wurde im Januar 1945 das deutsche Schiff „Wilhelm Gustloff“ mit Tausenden Flüchtlingen versenkt. Michail Gorbatschow ernannte ihn zum „Helden der Sowjetunion“. In Königsberg setzte man ihm ein Denkmal.

Alle, Deutsche wie Russen, profitieren vom „Königsberger Express“. Er ist eine einzigartige Brücke zwischen Ost und West und dient wie kaum ein anderes Medium der Völkerverständigung. Für deutsche Unternehmer, Investoren, Politiker, alte Ostpreußen in der Bundesrepublik oder Touristen stellt er eine unverzichtbare Informationsquelle und Orientierungshilfe dar. Russischen Bürgern der Königsberger Gebiets hilft er beim Deutschlernen oder beim Verstehen der Geschichte ihrer neuen Heimat. Der russische Staat verdankt der Zeitung, dass durch ihre Artikel zahlreiche Urlauber wie auch Investoren und damit ungeheure Finanzmittel angezogen wurden.

Doch wenn die Zeitung im 30. Jahr ihres Bestehens durch die Kriegsfolgen beziehungsweise die westlichen Sanktionen unverschuldet immer mehr Einnahmequellen verliert, machen sich die dankbaren Helfer rar. So will keine rechte Feierstimmung im Jubiläumsjahr aufkommen. Dadurch, dass kaum noch deutsche Touristen oder Geschäftsreisende ins Königsberger Gebiet reisen, geht die Zahl an Werbeaufträgen und Zeitungskäufern zwangsläufig zurück. Russische staatliche Stellen greifen der Redaktion nicht wie anderen notleidenden Königsberger Unternehmen mit Überbrückungssubventionen unter die Arme. Ganz im Gegenteil: Man lässt die Zeitung misstrauisch vom Geheimdienst überwachen und zögert die Verlängerung der Publikationslizenz existenzgefährdend hinaus.

Vom Geheimdienst überwacht

Im Gegensatz zu anderen deutschsprachigen Publikationen in der Russischen Föderation erhält der „Express“ keine finanzielle Unterstützung von der deutschen Bundesregierung. Und wenn durch die westlichen Sanktionen traditionell deutschfreundliche und kriegskritische Medien in der Russischen Föderation unschuldig in eine lebensbedrohliche Lage geraten, dann werten das deutsche Politiker und Behörden als Kollateralschaden und schauen weg.

Die Situation der Zeitung ist ernst. Kürzlich musste sie ihr Redaktionsbüro in der Königsberger Innenstadt schließen. Die einzelnen Druckausgaben werden nun von den Mitarbeitern in Heimarbeit erstellt.

Der „Express“ wurde einst mit dem „Gerd Bucerius-Förderpreis“ der Zeit-Stiftung für seine Zivilcourage ausgezeichnet. Fraglich ist, ob jetzt Mut und Kraft der Mitarbeiter ausreichen, um die momentane Durststrecke zu überstehen.

• Weitere Infos/Kontaktaufnahme: koenigsberger.express@gmail.com


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