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Das Aufkommen der rechten Reform-Partei macht es für die Tories noch schwieriger
Im britischen Parlament von Westminster schwankt die Stimmung unter den regierenden Konservativen (Tories) zwischen Unruhe und Verzweiflung. Eine Umfrage von Anfang April hat die Partei wie eine Bombe erwischt: Laut der YouGov-Hochrechnung steuert die Tory-Regierung von Rishi Sunak bei der Parlamentswahl, die im Herbst ansteht, auf eine schwerere Niederlage als 1997 zu. Damals fegte Tony Blair mit „New Labour“ die Tories aus dem Amt.
Gemäß der YouGov-Prognose soll die Konservative Partei nach aktuellem Stand mehr als 150 Wahlkreise verlieren und nur noch auf 155 Abgeordnete kommen. Labour käme auf 403 Mandate im Parlament (von insgesamt 650 Sitzen) – ein triumphaler Sieg für die Oppositionspartei unter dem gemäßigten Anführer Keir Starmer und eine verheerende Niederlage für die Tories. Wichtige Minister und selbst Premierminister Sunak müssen um ihre Parlamentssitze bangen.
Was die Regierungspartei unter Druck setzt, ist nicht nur ihr gigantischer Rückstand von etwa 20 Prozentpunkten zu Labour. Zusätzlich bedrängt sie der Aufstieg der oft als „rechtspopulistisch“ bezeichneten Partei Reform UK. Sie ist die Nachfolgerin der früheren Brexit-Partei, die vom Brexit-Trommler Nigel Farage geleitet wurde. Die Partei kommt laut Umfragen auf zwölf bis 13 Prozent Zustimmung.
Laut Berechnung von YouGov für die Tageszeitung „The Times“ könnte Reform UK den Konservativen in 41 Wahlkreisen die entscheidenden Stimmen abnehmen und dort den Verlust des Mandats bewirken. Parteichef Richard Tice hat klargemacht, dass er den Tories eine vernichtende Niederlage gönnt. „Sie verdienen es, zerschlagen und zerstört zu werden“, sagte er. Etwa jeder dritte Tory-Wähler von der letzten Parlamentswahl 2019 soll inzwischen zu Reform abgewandert sein.
Allerdings zeigt die YouGov-Berechnung auch, dass Reform UK selbst keinen einzigen Sitz im Parlament erobern kann. Das Mehrheitswahlsystem verhindert dies. Dennoch hofft die Partei, die große Politik beeinflussen zu können. Unklar ist, was ihr Ehrenpräsident Farage plant, der nur im Hintergrund wirkt und ansonsten beim rechten TV-Privatsender GB News das große Wort führt. Der bekannte rechte Tory-Abgeordneter Danny Kruger sagte voraus: „Reform bringt uns um.“ Falls Farage wieder in die Politik ginge, könnte es das Ende der Tories sein.
Die Stimmung im Land ist schlecht, denn Großbritannien geht es nicht gut. Die Wirtschaft stagniert, die Krankenhäuser sind überlastet, die Steuern sind gestiegen. Viele konservative Wähler sind verärgert, dass die Tories zentrale Versprechen nicht eingehalten haben. Statt einer Verringerung der Immigration, wie sie mit dem Brexit versprochenen wurde, hat die Zuwanderung stark zugenommen – vor allem von Nicht-Europäern.
Im März wurden die Tories vom Übertritt ihres früheren Vize-Geschäftsführers Lee Anderson zu Reform UK erschüttert. Der in Nordengland beliebte Abgeordnete, ein Ex-Bergmann, war wegen eines Streits um einen Islamisten-Vorwurf gegen Londons Labour-Bürgermeister Sadiq Khan aus der Partei ausgeschlossen worden. Anderson lief daraufhin zu der Reform-Partei über. „Ich will mein Land zurückhaben“, sagte er zur Begründung. Sein Vorwurf: Die Konservativen hätten die Wähler verraten, die ihnen 2019 das Vertrauen geschenkt hatten.
Bei der Wahl 2019 war es dem damaligen Premier Boris Johnson gelungen, große Teile der „roten“ Kernlande in Nord- und Mittelengland für die Konservativen zu erobern. Johnson musste aber nach zahlreichen Skandalen 2022 zurücktreten. Noch mehr hat den Tories das chaotische Intermezzo der Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss geschadet, die nach nur 44 Tagen in der Downing Street aufgeben musste. Ihre radikale, schuldenfinanzierte Steuersenkung war gescheitert. Aber Truss geistert noch immer in rechten Tory-Kreisen herum. Sie hat die Gruppe „Popular Conservatives“ gegründet, wobei die Bezeichnung „populär“ zu Spott führte, denn Truss ist extrem unbeliebt in der Bevölkerung.
Aber auch Sunak, der indischstämmige ehemalige Investmentbanker, der einst als politisches Wunderkind galt, hat nach anderthalb Jahren in der Downing Street sehr schlechte Popularitätswerte. Im Januar warnte Ex-Wohnungsbau-Minister Simon Clarke: „Die ungeschminkte Wahrheit ist, dass Sunak die Konservativen in eine Wahl führen wird, wo sie massakriert werden.“ Clarkes Versuch einer Tory-Rebellion scheiterte indes kläglich.
Die nächsten Schläge für die Partei dürfte es bei den Kommunalwahlen im Mai geben. Den Tories droht der Verlust Hunderter Mandate in Stadträten und Gemeinden. Dann könnte der nächste Versuch einer Rebellion gegen Sunak kommen, um ihn noch vor der Parlamentswahl im Herbst zu stürzen. Labour-Chef Starmer kann genüsslich zusehen, wie sich die Konservativen gegenseitig zerfleischen. Es läuft alles darauf hinaus, dass der 61 Jahre alte Jurist im Herbst in die Downing Street einziehen wird.