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Corona in Russland

Krankenhausbau und Kontaktsperren

Putin reagiert spät auf sprunghaften Anstieg der Erkrankungen – Moskau ist das Zentrum der Epidemie

Manuela Rosenthal-Kappi
06.04.2020

Deprimiert sitzt die allein lebende 64-jährige Galina Alexandrowna in ihrer schicken Eigentumswohnung im Zen-trum von Moskau vor dem Fernseher. Die Informationen über das Coronavirus und die Ratschläge des Bürgermeisters Sergej Sobjanin, sich auf die Datscha zu begeben, ängstigen sie. Die Wohnung verlässt Galina nur, um einzukaufen oder mit ihrem Hund Gassi zu gehen. Mit Atemschutzmaske, Einmalhandschuhen und im Umkreis von 100 Metern um das Wohnhaus herum ist das erlaubt. Ansonsten herrscht in Moskau Kontakt- und Ausgangssperre.

Beliebte Ausflugsorte, wie der Gorkij-Park, Kolomenskoje oder Zaryzina, dürfen nicht mehr betreten werden. Den Zugang zum Gorkij-Park verhindert ein Bretterzaun. Moskau ist das Epizentrum der Corona-Krise in Russland. Deshalb ist die Stadt seit dem 30. März abgeriegelt. Die Städter dürfen ohne triftigen Grund ihre Wohnungen nicht mehr verlassen, Züge und Busse fahren kaum noch, auf den Flughäfen campieren gestrandete Gastarbeiter aus den zentralasiatischen Republiken, die es nicht mehr rechtzeitig nach Hause geschafft haben.

Zunächst schien es, als ob Russland von der Epidemie weitgehend verschont geblieben wäre. Dass es nicht mehr Erkrankungsfälle gibt, wird der schnellen Reaktion von Regierungschef Michail Mischustin auf den Ausbruch des Coronavirus in Wuhan Anfang März zugeschrieben, indem er ein sofortiges Einreiseverbot für Chinesen verhängte. Dass es nun doch zu einem sprunghaften Anstieg der Infizierten kam, führen Experten auf aus dem Ausland zurückgekehrte Landsleute zurück, die den Erreger importiert haben könnten.

Ähnlich wie Kanzlerin Merkel in Deutschland reagierte Präsident Putin erst spät, als es im Millionenzentrum Moskau über 2000 bestätigte Corona-Fälle gab und Ärzte vor einem weiteren sprunghaften Anstieg warnten. Als Sofortmaßnahme ordnete Putin einen einwöchigen bezahlten Zwangsurlaub für alle an, und über 65-Jährige in Moskau und Umland sowie alle chronisch Kranken mussten sich in häusliche Quarantäne begeben. In Moskau und weiteren Städten wurden Einkaufszentren, Vergnügungseinrichtungen und Friseurläden geschlossen. Immer mehr Firmen schicken ihre Angestellten nach Hause.

Von der Krise besonders Betroffenen verspricht die Regierung schnelle Hilfe. Banken sollen Kleinunternehmern eine Stundung ihrer Zins- und Tilgungszahlungen gewähren, Rentner erhalten umgerechnet 40 Euro Soforthilfe, wenn sie die Anweisungen befolgen. Sinkende Einnahmen aufgrund des niedrigen Ölpreises könnten eine große Zahl von Unternehmen, Konsumenten und Banken unter Druck bringen. Betriebe sollen für die nächsten sechs Monate neben Stundungen einen Steueraufschub erhalten. Ohne umfangreiche staatliche Hilfe könnten drei Millionen Unternehmen Pleite gehen, neun Millionen Arbeitsplätze wären in Gefahr.

Vertrauensbildende Maßnahmen

Wirtschaftshilfen sind eine Möglichkeit, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Russen dem staatlichen Gesundheitssystem wenig zutrauen. Zwar gibt es eine kostenlose medizinische Versorgung für jeden Bürger, doch sowohl das Personal als auch die medizinischen Einrichtungen gelten seit Jahren als qualitativ schlecht. Wer es sich leisten kann, lässt sich deshalb lieber in Privatkliniken behandeln.

Das stellt nun vor allem Superreiche vor ein Problem: Die Möglichkeit, sich in Israel, Finnland oder Deutschland behandeln zu lassen, fällt wegen der Reisebeschränkungen weg. In der Vergangenheit gaben sie teils bis zu 40 000 Euro pro medizinischem Aufenthalt, etwa für Operationen, im Ausland aus. Jetzt stehen sie in der Kritik, weil Fälle von Hamsterkäufen bekannt wurden: Reiche sollen massenhaft Beatmungsgeräte für bis zu 20 000 Euro pro Stück aufgekauft haben.

Der Staat bemüht sich – mit Taten und Durchhalteparolen wie zur Sowjetzeit –, Abhilfe zu schaffen. Dem Beispiel Chinas folgend wird in Golochwastowo, 50 Kilometer außerhalb Moskaus, eine Spezialklinik für Infektionskrankheiten gebaut. Auch in anderen Regionen wird die Krankenhauskapazität ausgebaut. Bisher wurden 197 300 Tests auf das Vorhandensein des Coronavirus durchgeführt. Vier Menschen starben bisher, 38 gelten als genesen.

Russland blickt zu Südkorea auf, das auf die Bedrohung der Epidemie besser reagiert hat als China, die EU oder Amerika. Von Letztgenannten enttäuscht, sucht Moskau eher die Kooperation mit China und Indien. Der Westen wirft Putin dagegen vor, die Krise für sein beschädigtes Image nutzen zu wollen. Beim G20-Videogipfel habe er eine zeitweilige Aussetzung internationaler Sanktionen auf wichtige Güter wie Medikamente, Nahrungsmittel, Technik und Ausrüstung verlangt.


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