22.02.2025

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Arzneiknappheit

Lebensbedrohlicher Versorgungsengpass

Marktverengung, unzuverlässige Auslandsproduktion und ruinöser Preiskampf sind die Ursachen

Peter Entinger
22.01.2025

Wie immer sind die Probleme hausgemacht. Im konkreten Fall geht es um Lieferengpässe von Arzneimitteln. Bei sieben Medikamenten wird derzeit sogar von einem Versorgungsengpass gesprochen, darunter wichtige Antibiotikasäfte für Kinder. Ein Versorgungsmangel werde nur dann festgestellt, wenn die Behörden die Versorgung der betroffenen Patienten als sehr kritisch einschätzen, heißt es von offizieller Stelle.

„Eine solche Situation gab es noch nie. So schlecht sind wir noch nie in ein neues Jahr gestartet“, sagt Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein. Lieferengpässe gibt es derzeit übrigens deutlich mehr. Rund 450 werden laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte derzeit gelistet. „Die Hauptursache ist die Marktverengung in den vergangenen Jahren. Zahlreiche Wirkstoffe werden nur noch von wenigen Unternehmen im Ausland produziert. In Deutschland ist das unter anderem auf die sogenannten Rabattverträge zurückzuführen, bei denen die Krankenkassen jedes Jahr Wirkstoffe ausschreiben und den Zuschlag an die günstigsten Anbieter vergeben“, erklärt Albrecht Eisert, Chefapotheker in der Uniklinik RWTH Aachen.

Zudem wurden im Gesundheitssystem Festbeträge verankert, um die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente zu begrenzen. Der hohe Kostendruck hat dazu geführt, dass die Produktion patentfreier Arzneimittel fast komplett nach China verlagert wurde. Mit fatalen Folgen, wie die Covid-Pandemie zeigte. Pharmaexpertin Jasmina Kirchhoff vom Institut der deutschen Wirtschaft spricht seit Längerem bereits vom „ruinösen Preiskampf bei generischen Arzneimitteln“.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte schon Abhilfe versprochen. Ziel sei, Lieferketten breiter anzulegen, damit die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern abnimmt. Der Erfolg scheint bislang kaum messbar. „Die Maßnahmen der Ampel haben nahezu keine Wirkung gehabt“, sagt Verbandschef Preis.

Denn das Rad lässt sich offenbar nicht ganz zurückdrehen. Man werde es nicht schaffen, für jedes Medikament einen europäischen Hersteller zu finden, heißt es aus der Branche. Die Gewinn-Margen sind wohl zu gering. Das Europaparlament hatte im Frühjahr 2024 ein Gesetz verabschiedet, das den Arzneimittelmarkt in der EU reformieren soll. Die Reform sieht unter anderem Fördermaßnahmen für die Entwicklung neuer Antibiotika und einen leichte­ren Zugang zu preisgünstigen Medikamenten vor. Auf dieser Grundlage könnte die EU-Kommission etwa die Pflicht einführen, für bestimmte Arzneimittel einen Vorrat sicherzustellen. Doch ob derartige Regulierungen wirklich Abhilfe schaffen, das glauben Experten nicht unbedingt.

In Deutschland gibt es zudem ein weiteres Problem. Selbst wenn Medikamente vorrätig sind, fehlt es vielerorts an den notwendigen Apotheken. „Nach drei Jahren Ampelregierung mit Apothekenschließungen auf Rekordniveau wird die neue Regierung gefordert sein, die öffentlichen Apotheken mit schnell wirkenden Sofortmaßnahmen zu stabilisieren“, fordert Preis mit Nachdruck sowie aus Sorge um die Patienten.


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