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Bildungsministerium veröffentlicht Leitfaden zu Gewalt an Schulen mit Empfehlungen für Betroffene
Lehrer in Nordrhein-Westfalen sehen sich immer häufiger mit Gewalt konfrontiert – eine besorgniserregende Entwicklung, die das Klima an vielen Schulen belastet und zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Laut einer Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) berichten über sieben Zehntel der Schulleitungen von psychischer Gewalt gegen Lehrkräfte in den vergangenen Jahren. Körperliche Übergriffe wurden an rund 43 Prozent der Schulen gemeldet – ein Wert, der über dem Bundesdurchschnitt liegt.
Die Täter sind häufig Schüler, aber auch Eltern spielen eine zunehmende Rolle – insbesondere bei verbalen Angriffen und Drohungen. Die Gewalt reicht von persönlichen Beleidigungen über Einschüchterungen und Cybermobbing bis hin zu tätlichen Angriffen. Besonders betroffen sind weiterführende Schulen wie Haupt- und Gesamtschulen in sozialen Brennpunkten.
Ein neuer Leitfaden des nordrhein-westfälischen Bildungsministeriums sorgt nun für Aufsehen. Er empfiehlt Lehrkräften, sich in eskalierenden Situationen zurückzuziehen – im Zweifel sogar zu fliehen. „Lehrkräfte dürfen nicht verpflichtet sein, sich selbst in Gefahr zu bringen“, heißt es darin. Die Maßnahme soll dem Schutz der Lehrkräfte dienen, stößt jedoch auf heftige Kritik.
Sven Christoffer, Vorsitzender der Lehrergewerkschaft „lehrer nrw e.v.“, bezeichnet die Empfehlung als „kapitulierende Haltung“: „Wer Pädagogen zur Flucht rät, statt sie wirksam zu schützen, sendet ein fatales Signal.“
Die zuständige Ministerin Dorothee Feller (CDU) versucht zu beschwichtigen: „An unseren Schulen ist kein Platz für Gewalt, sie müssen sichere Orte sein. Wir lassen Betroffene nicht allein.“ Im akuten Fall sollen Lehrkräfte laut Leitfaden zunächst mit „Halt, stopp!“-Rufen und energischer Körpersprache reagieren. Unterstützer sollten so früh wie möglich hinzugezogen werden.
Ob diese Maßnahmen jedoch Wirkung zeigen, ist fraglich. „Bild“ sprach in diesem Zusammenhang bereits von einer „Kapitulation“ und einer „Aufforderung zur Flucht“. Das Ministerium hält dagegen: Der Leitfaden solle ein rechtssicheres, verhältnismäßiges und konsequentes Vorgehen bei Übergriffen ermöglichen.
Gleichzeitig wird deutlich, dass die Handlungsmöglichkeiten in vielen Fällen begrenzt sind – besonders im Hinblick auf psychische Gewalt, die zunehmend in den Fokus rückt. Diese umfasst verbale Aggressionen in Form von Beleidigungen, übler Nachrede, gezielter Herabsetzung, Ausgrenzung, sexistischen oder hasserfüllten Äußerungen und Gesten sowie verletzende Kommentare im persönlichen Umfeld oder in sozialen Medien. Auch Diskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gehören dazu.
Interessant ist, dass betroffenen Schülern sowie Lehrkräften im Fall von Cybermobbing nahegelegt wird, zivilrechtlich gegen Täter vorzugehen. Für viele erscheint der Leitfaden daher weniger als Schutzinstrument, denn als Versuch des Dienstherrn, sich seiner Verantwortung zu entziehen.