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Ausgangspunkt für Ziele ins Gottscheer Land: Der Ort Gottschee mit der am Fluss Rinse gelegenen Bartholomäuskirche
Foto: IMAGO/dreamstimeAusgangspunkt für Ziele ins Gottscheer Land: Der Ort Gottschee mit der am Fluss Rinse gelegenen Bartholomäuskirche

Ruinentourismus

Letzte Spuren deutschen Lebens

Im Gottscheer Land – Erkundungen nach den Resten der einst ältesten deutschen Sprachinsel in Slowenien

Bodo Bost
10.09.2024

Die verlassenen Dörfer der einstigen deutschen Sprachinsel Gottschee [Kočevje] in Slowenien, wo die Natur die ehemaligen Siedlungen in ein Paradies für Tiere verwandelt hat, sind heute Tourismusmagnet. Die Obstgärten der verlassenen Dörfer dienen heute als Nahrungsquelle für Wolf, Bär und Luchs.

Die Gottschee wurde im 14. Jahrhundert von den Grafen von Ortenburg mit Siedlern aus Oberkärnten und Osttirol besiedelt. Das Karstland, in dem die Winter lang, die Sommer kurz sind und es kein Wasser im Überfluss gibt, war damals noch menschenleer. Deshalb mussten Bewohner aus fernen Gebieten angeworben werden. Die Gemeinde Gottschee mit ihrem gleichnamigen Hauptort wurde zur ältesten deutschen Sprachinsel Sloweniens, sie war auch die größte und hat ihre Identität am längsten bewahrt. Das Siedlungsgebiet umfasste eine Fläche von 860 Quadratkilometern und 177 Siedlungen.

Wirtschaftliche Probleme hatten schon in der K.-u.-k.-Zeit zu einer Massenauswanderung aus dieser Gegend nach Übersee geführt. Die ersten Gottschee-Dörfer starben noch vor den tödlichen Schüssen von Sarajewo aus. Jahrhunderte und die mehrmaligen Osmanenstürme hatte die Gottschee überstanden, aber der Zweite Weltkrieg brachte das endgültige Aus für die Sprachinsel, in der einst 30.000 Deutsche lebten.

Die Isolation der Gottschee durch einen dichten Urwald und das Karstgebiet hatte das Gebiet vom slowenischen und kroatischen Siedlungsgebiet abgeschottet, dies hatte sechs Jahrhunderte lang für den Erhalt der Sprache und Kultur gesorgt. Am Kriegsende wurden die Gottscheer, wie alle Jugoslawiendeutschen, von den Tito-Kommunisten vertrieben. Viele Gottscheer starben auch in den Todeslagern, insbesondere in Sterntal und Tüchern bei Cillje. Nur wenige Hundert, die sich zum slowenischen Volkstum bekannten, durften im kommunistischen Jugoslawien bleiben.

Heute hört man in der Gottschee nur noch ausnahmsweise Gottscheerisch. Die allermeisten Dörfer, Kirchen und das sonstige materielle und immaterielle Erbe der Gottscheer sind verschwunden. Von einst 123 deutschen Kirchen in der Gottschee sind nur noch 28 erhalten. Weitere wurden nach 2000 wieder aufgebaut oder neu errichtet. In Slowenien leben nur noch weniger als tausend Gottscheer, davon einige Hundert in der heutigen Region Gottschee. Aufgrund des politischen Drucks haben die meisten von ihnen ihre ethnische Identität nach dem Krieg aufgegeben. Bei der letzten Volkszählung gaben nur etwas mehr als 20 Personen in der Gemeinde Gottschee/Kočevje Deutsch als ihre Muttersprache an.

Ein Großteil der Gottscheedörfer ist bis heute verlassen, so wie der Ort Tappelwerch, in dem die Kirche, die mit Mitteln der Südtiroler Raiffeisenbank erneuert wurde, das einzige verbliebene Gebäude ist. Die Tourismusverwaltung der Region hat unter dem Stichwort „Lantlain“ (gottscheerisch: „Ländchen“) extra Erkundungstouren für Touristen durch die Ruinendörfer des Hornwalds in der Gottschee ausgeschrieben.

Treffpunkt der Touren ist das Nesseltal-Institut in Koprivnik, von wo aus es mit dem Kleinbus in das nahe gelegene verlassene Dorf Hornberg [Hrib] geht. Letzteres hatte Ende des 19. Jahrhunderts etwas mehr als 200 Einwohner und war seit prähistorischen Zeiten bewohnt.

Der Weg führt tiefer in die Wälder des Gottschee-Hornwalds zum verlassenen Dorf Taubenbrunn [Golobinjek], dort sind in der Nähe noch die Bärenfallen aus der Zeit der Grafen von Auersberg erhalten. Dann geht es zum verlassenen Ort Leseni mit dem Sägewerk Rog, dem einst größten holzverarbeitenden Betrieb in der Unter-Krain.

Die Gottschee ist heute in Slowenien als das Land der Bären bekannt, alle drei großen Raubtiere Wolf, Bär und Luchs sind in den Wäldern zu finden. Das Gebiet ist wegen seiner dichten Bewaldung bis heute auch das am dünnsten besiedelte Gebiet Sloweniens. Die Südgrenze der Gottschee war zwischen 2004 und 2014 EU-Außengrenze. Deshalb wurde die einst gar nicht existente Grenze zwischen den beiden Nachfolgestaaten Jugoslawiens mit Straßen und Wachposten ausgebaut, was bis heute die Ruhe der weiten Wälder etwas stört.

2017, nachdem die EU-Außengrenze schon verschwunden war, wurden sechs Urwälder der Gottschee, darunter der Urwald Krokar, unter UNESCO-Schutz gestellt. Nur in diesem Urwald hatte nach der Eiszeit die Buche in Europa überlebt, und alle Buchen, die seitdem ganz Europa besiedelt haben, stammen von hier.

Der Hornwald der Gottschee ist auch wegen der zahlreichen Höhlen, das heißt des Karstsystems, bekannt. In einigen dieser Höhlen fanden nach 1945 Kriegsverbrechen von Tito-Partisanen an deutschen Soldaten und deutschen Volksangehörigen statt, 2021 wurden im Hornwald 3000 Skelette gefunden, diese Verbrechen blieben unbestraft und ungesühnt.

www.kocevsko.com/de/kocevsko/kulturerbe


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