09.12.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Kultur

Licht aus, Spot an für Rembrandt

Eine Selbstinszenierung, die gewirkt hat – Frankfurter Städel-Museum zeigt, wie der holländische Maler zum Künstlerstar aufstieg

Veit-Mario Thiede
14.01.2022

Anfang der 1630er Jahre zog Rembrandt Harmenszoon van Rijn von Leiden nach Amsterdam um. In der damaligen Welthandelsmetropole und reichsten Stadt der Erde buhlten an die 200 Maler um die Gunst der Kundschaft. Gleichwohl stieg Rembrandt schnell zum Marktführer der Porträt- und Historienmalerei auf, wie eine mit 140 Gemälden und Graphiken aus internationalen Sammlungen ausgestattete Ausstellung „Nennt mich Rembrandt! Durchbruch in Amsterdam“ im Frankfurter Städel-Museum zeigt. Sie stellt auch Rembrandts Schüler und Konkurrenten mit attraktiven Werken vor.

Eine wichtige Hilfestellung beim Durchbruch Rembrandts auf dem heiß umkämpften Amsterdamer Kunstmarkt leistete der Galerist Hendrick Uylenburgh. Der stellte ihm ein Atelier zur Verfügung und vermittelte Porträtaufträge. Rembrandt porträtierte die zahlungskräftige Oberschicht. In der Ausstellung laden sein „Bildnis eines stehenden Mannes (Andries de Graeff)“ (1639) und das daneben hängende, von Nicolaes Eliaszoon Pickenoy ebenfalls lebensgroß und ganzfigurig gemalte „Bildnis eines stehenden Mannes“ (1628) zum Bildvergleich ein.

Etwas steif, aber würdevoll steht der von Pickenoy porträtierte wohlhabende Bürger in einem Innenraum neben einem mit Teppich bedeckten Tisch und schaut unverwandt zu uns herüber. Einnehmend lässig wirkt dagegen der von Rembrandt ins Bild gesetzte Andries de Graeff. Den linken Fuß zierlich vorgeschoben, ist er vor sein Haus getreten. Rembrandt macht daraus eine kleine Bildgeschichte: Die Tür steht offen – will uns der Hausherr etwa hineinbitten?

Zahlreiche weitere von Rembrandt, seinen Schülern und Konkurrenten geschaffene Bildnisse bevölkern den ersten Teil der Ausstellung. Rembrandt setzte mit seiner Porträtkunst auch sich selbst und seine Ehefrau Saskia ins rechte Licht. Auf dem Gemälde „Saskia van Uylenburgh“ (um 1634/35–1638/40) tritt die rechte Gesichtshälfte hell beleuchtet aus der Dunkelheit hervor. Sorgfältig hat der Künstler den über Saskias Haar gelegten hauchdünnen Schleier, ihren mit Goldfäden durchwirkten weißen Kragen und die goldenen Glieder ihrer Ketten gemalt.

Der Wechsel von eher summarisch dargestellten und sorgfältig gemalten Partien im starken Lichtkontrast kennzeichnet auch sein „Selbstbildnis mit Hut und zwei Ketten“ (um 1642/43) und viele weitere Gemälde. Aber auch die Konkurrenten verstanden ihr Handwerk, wie etwa Dirck van Santvoorts spektakuläres „Gruppenbildnis der Regentessen und Aufseherinnen des Amsterdamer Frauenzuchthauses“ (1638) beweist. Das Großformat zeigt einen recht dunklen Innenraum mit vier schwarz gekleideten Frauen. Strahlend weiße Hauben und Mühlsteinkragen fassen ihre sorgfältig porträtierten Gesichter ein. Drei der Damen beobachten uns, eine zählt Geld.

Im zweiten Teil der Schau spielt die Historienmalerei die Hauptrolle – Rembrandts weitere Paradedisziplin. An ihr rühmten die Zeitgenossen seinen Erfindungsreichtum, der selbst altbekannten Themen verblüffende neue Seiten abgewann. So erstaunt an seinem Gemälde der Entführung des Ganymed (1635), dass der in Gestalt eines Adlers auftretende Göttervater Zeus nicht etwa den schönen Jüngling, sondern ein heulendes Kleinkind in den Fängen hält, das sich in die Hose macht, wenn es denn eine anhätte.

Neben der antiken Mythologie standen auch die Protagonisten des Alten Testaments beim Amsterdamer Publikum hoch im Kurs. Blutspritzend drastisches Meisterwerk dieses Genres ist „Die Blendung Simsons“ (1636). Rembrandt versetzt uns in ein Zelt, aus dem eine Frau mit geraubtem Haarschopf in der erhobenen Linken enteilt. Auch hier wieder gilt das für Rembrandt charakteristische Gestaltungsprinzip „Licht aus, Spot an!“.

Das Licht fällt auf einen schmerzgekrümmt zu Boden gegangenen Mann, den fünf bewaffnete Gestalten überfallen. Einer sticht ihm die Augen aus. Auf diese so nie zuvor ins Bild gesetzte Weise schildert Rembrandt die Geschichte des Richters Simson, dem Gott übermenschliche Stärke verlieh. Die hielt so lange an, wie Simsons Haar ungeschnitten blieb. Dieses Geheimnis entlockte ihm seine Geliebte Delila und lieferte den Schlafenden nach dem Haarschnitt seinen Feinden aus: den sie für ihren Verrat gut bezahlenden Philistern.

Der Ausstellungstitel „Nennt mich Rembrandt!“ spielt darauf an, dass der Meister bald nach seiner Ankunft in Amsterdam gemäß dem Vorbild berühmter italienischer Künstler wie Tizian und Raffael nur noch mit seinem Vornamen signierte. Braun und somit unauffällig hat er sein „Rembrandt“ unter den geblendeten Simson ins Bild gesetzt. Dagegen wird seine Signatur im Meisterwerk „Judith beim Bankett des Holofernes (?)“ (1634) geradezu zum Blickfang.

Das Fragezeichen hinter dem Bildtitel weist darauf hin, dass es sich bei ihm um eine Vermutung handelt. Links entdeckt man in der Dunkelheit einen Kopf. Soll das der Feldherr Holofernes sein, dem Judith zur Errettung ihrer Heimatstadt den Kopf abschneiden wird? Hell beleuchtet reißt Rembrandt die seelenruhig neben einem Tisch sitzende alttestamentliche Heldin aus der Bilddunkelheit. Ihre linke Hand liegt an einer blauen Armlehne. Auf dieser funkelt in goldenen Buchstaben Rembrandts Signatur.

Bis 30. Januar im Städel-Museum, Schaumainkai 63, Frankfurt am Main, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, Eintritt ab 16 Euro. Internet: www.staedelmuseum.de. Der Katalog aus dem Hirmer Verlag kostet im Museum 39,90 Euro, im Buchhandel 49,90 Euro


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS