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Der Quempas – als Frühgottesdienst einst in vielen Orten Südostpommerns als feierliche Zeremonie durchgeführt
Was wäre heute die Weihnachtszeit ohne Christbaum? Doch dabei vergessen wir oftmals, dass diese Tradition noch gar nicht so lange existiert. Weit bevor dieses Brauchtum in die Weihnachtszeit Einzug hielt, bediente man sich hölzerner Weihnachtspyramiden. Sie waren – wie jene vor gut 95 Jahren für die Sammlung des Naugarder Heimatmuseums Erworbene – einem Baum nachempfunden.
Und dies wiederum erklärt auch die Gemeinsamkeit von der „Naugarder Weihnachtspyramide“ und dem „Hiddenseer Bügelbaum“. Doch im Gegensatz zu den handwerklichen Schöpfungen vom „Söten Länneken“, wie Hiddensee auch genannt wird, besteht die Naugarder Pyramide aus einem zirka einen Meter hohen und gedrechselten Stamm, bekrönt durch einen goldenen Stern. Darunter befanden sich drei Ringe von unterschiedlichem Durchmesser.
Waagerecht und in gleichem Abstand zueinander angebracht, ruhten sie auf ebenfalls gedrechselten und waagerecht über Kreuz liegenden Kerzenhaltern. Zur Spitze der Pyramide nahmen ihre Durchmesser ab, wodurch sich dessen Körperlinie gleich einem Baum verjüngte. Die Ringe selbst waren mit Tannengrün, Silberfäden und Glaskugeln geschmückt.
Die Marienkirche in Naugard wurde um 1325 als dreischiffiger Backsteinbau fertiggestellt. Das Schicksal der Kirche ist recht wechselhaft. Im Jahr 1918 brannte der Turm aus und genau das ist 2006 wieder passiert.
Für den Frühgottesdienst am ersten Weihnachtstag hatten eben diese Pyramiden eine ganz besondere Bedeutung, wie schon der Heimatforscher Fritz Adler zu berichten wusste: „Schließlich sei noch ein vergessener Weihnachtsbrauch erwähnt, von dem noch die Weihnachtspyramiden in Naugard übrig geblieben sind, und der auch aus der Kirche zu Plathe verbürgt ist. Zum Gottesdienst am Weihnachtsmorgen standen im Altarraum und auf den Emporen eine Anzahl einfacher und gedrechselter Pyramiden.“ Diese Weihnachtspyramiden waren jedoch nicht nur in Naugard und Plathe, sondern auch in Cammin und Gollnow Teil des Frühgottesdienstes, der im Volksmund „Quempas“ genannt wurde.
Die Bezeichnung der Morgenandacht bezog sich dabei auf den Choral „Quem pastores laudavere“. Ursprünglich begann der Gottesdienst, wie eine Ausgabe des „Stralsunder Tageblattes“ 1930 zu berichten wusste, um 4 Uhr, später um 6 Uhr morgens: „Nach einem Eingangslied, das von der ganzen Gemeinde gesungen wurde, und einer kurzen Liturgie, wurde der Quempas im Wechselgesang von vier Knabenchören vorgetragen, die auf vier verschiedenen Plätzen, bei der Orgel und auf den Seitenemporen verteilt waren.“
Vor jedem dieser Chöre stand die bereits zuvor beschriebene Pyramide, wobei die in Plathe sogar drehbar gewesen sein soll. Zudem soll jeder der Sänger vor sich ein brennendes Licht gehabt haben.
Auch befanden sich im Altarraum Mädchen, die ebenfalls vor sich ein Licht auf einem etwas über einen Meter hohen Kerzenhalter hatten und in deren Mitte sich wiederum eine hohe Tanne mit Lichtern befand.
Nachdem zum Ende der Quempas ein Knabe vor dem Altar sprach: „Das Volk, so im Finstern wandelt, siehet ein großes Licht“, antwortete darauf der Mädchenchor mit dem Choral „Lobt Gott ihr Christen“. Dann wurde durch ein weiteres Mädchen die Weihnachtsgeschichte verlesen, die durch den Gesang „Vom Himmel hoch“ und einer kurzen Predigt sowie einem Gemeindegesang abgeschlossen wurde.
Die Festlichkeit dieses Frühgottesdienstes, welcher vor etwa 100 Jahren auch in anderen Städten Südostpommerns noch verbreitet gewesen sein soll, lässt sich heute für uns Nachgeborenen leider nur noch erahnen. Insofern kann sich glücklich schätzen, wer in den letzten Jahrzehnten den wiederbelebten Quempas in Rummelsburg erlebt hat.