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Dietmar Grieser: „Geliebte Ukraine. Auf literarischer Spurensuche zwischen Donezk und Anatevka“, Amalthea Signum Verlag, Wien 2022, gebunden, 156 Seiten, 22 Euro
Dietmar Grieser: „Geliebte Ukraine. Auf literarischer Spurensuche zwischen Donezk und Anatevka“, Amalthea Signum Verlag, Wien 2022, gebunden, 156 Seiten, 22 Euro

Ukraine

Liebeserklärung an ein Kulturland

Der Journalist Dietmar Grieser berichtet ohne politische Wertung von seinen Reisen zu verschiedenen Zeiten in eine Region mit bewegter Geschichte – Verständnisvoll und mit Empathie geht er auf die Menschen ein

Karlheinz Lau
18.03.2023

Dietmar Grieser ist ein bekannter österreichischer Journalist, der sich besonders mit der wechselhaften Geschichte der Ukraine und ihren Menschen beschäftigt. 13 bekannte und für einen deutschen Normalbürger weniger bekannte Persönlichkeiten beziehungsweise deren Nachfahren unterschiedlichster Herkunft, die er auf zahlreichen Reisen persönlich getroffen hat, stellt er in „Geliebte Ukraine“ vor. Es ist eine sehr persönliche Auswahl und kein Gesamtbild der Ukraine, das er vermittelt.

Man staunt, wer alles aus diesem Lande stammt. Zu nennen ist der früh verstorbene Gesangsstar Joseph Schmidt aus Czernowitz mit der weltbekannten Melodie „Ein Lied geht um die Welt“ oder der Bauernsohn Leo Bronstein, der unter dem Namen Trotzki Gegenspieler von Stalin war. In dessen Auftrag wurde Trotzki 1940 in Mexiko ermordet.

Lesenswert ist Griesers Schilderung seines Ausflugs nach Donezk 1979, also noch zur Sowjetzeit. Hier übertraf in einer Kohlegrube der Kumpel Stachanow im Alleingang seine Arbeitsnorm um das Vierzehnfache. Der Held der sozialistischen Arbeit in der UdSSR mit all seinen materiellen Vergünstigungen war geboren. Analog dazu wurde in der SBZ ein Adolf Hennecke 1948 aufgrund seiner Leistungen im Kohlebergbau zu einem Vorbild gekürt.

Eindrucksvoll und mit vielen Details schildert der Autor die Umstände einer Reise in die Sowjetunion mit einem Ziel, das nicht unbedingt im offiziellen Intourist-Programm stand. Er wurde nie allein gelassen. Er zeichnet die Szenen in einer bisher unbekannten Umgebung nicht hämisch oder kritisch als Westler, sondern verständnisvoll und mit Empathie.

Dies gilt im Grunde für alle Beiträge, besonders hervorgehoben sei das Kapitel über Anatevka und den jiddischen Milchmann Tewje. Es vermittelt Einblicke in die Lebensweise der ukrainischen Bevölkerung mosaischen und christlichen Glaubens in den Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg und nach dem Zerfall der Sowjetunion. Griesers Treffen mit der Witwe des Dichters Paul Celan 1976 lässt ahnen, wie der Zerfall der Habsburgermonarchie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sich auf die Befindlichkeit jüdischer Menschen in Mitteleuropa auswirkte. Die zahlreichen Fotos der beschriebenen Personen unterstützen die Texte.

Es gelingt dem Autor, das Bild einer Kulturlandschaft Ukraine zu entwickeln. Ihren Höhepunkt erreichte sie als vor dem Ersten Weltkrieg. Die Diktaturen im 20. Jahrhundert, der Zweite Weltkrieg sowie der gegenwärtige Angriff Russlands zerstörten vieles. Griesers Buch ist eine Liebeserklärung an die Ukraine, auch in der Hoffnung, dieses Land mit seinen Menschen einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Hilfreich wäre eine Übersichtskarte als Ergänzung zu den Texten.


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