27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Sanktionen gegen Russland

Litauen weitet EU-Recht auf Transitwaren nach Königsberg aus

Nur Personen und Güter, die als militärisch unbedeutend gelten, lässt Wilna noch passieren. Moskau droht mit Gegenmaßnahmen. Eine Blockade des größten Hafens der Republik Litauen könnte dazugehören

Bodo Bost
01.07.2022

Nur rund 600 Kilometer von Berlin entfernt liegt das Königsberger Gebiet, eingeschlossen von den NATO- und EU-Mitgliedsstaaten Litauen und Polen. Vielleicht wurde deshalb anfänglich die Exklave der Russischen Föderation bei den EU-Sanktionen gegen letztere außen vor gelassen, aus Sorge vor einem Krieg vor der Haustür. Inzwischen indes werden die seit dem März geltenden Sanktionen auch auf das Königsberger Gebiet angewandt.

Als die litauischen Behörden Mitte Juni den Transit durch ihr Hoheitsgebiet in das Königsberger Gebiet von Gütern, die den Sanktionen der EU unterliegen, verboten, war der russische Aufschrei groß. Moskau sprach von Blockade. Zu den Gütern, die auf der EU-Sanktionsliste stehen, gehören Kohle, Metalle, Baumaterialien und Spitzentechnologie. Zur Herstellung von Rüstungsgütern nicht verwendbare Güter, vor allem Lebensmittel, dürfen weiter Litauen durchqueren. Der Gouverneur von Königsberg, Anton Alichanow, sagte, das Verbot würde zwischen 40 und 50 Prozent der Waren betreffen, die normalerweise das Königsberger Gebiet über Litauen aus Russland erreichen.

Verstärkte Personenkontrollen

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell stellte sich hinter die Maßnahme der Litauer. Sollten die Maßnahmen nicht schnell aufgehoben werden, müssten die Fährverbindungen von St. Petersburg her erhöht werden, um die dringend benötigten Baumaterialien einzuführen. Moskau drohte mit Vergeltung, auch eine russische Blockade des Memeler Hafens, des größten der Republik Litauen, könnte dazugehören.

Täglich rollen weiter drei Züge, auch mit Personen im wehrfähigen Alter, die nun allerdings verstärkt kontrolliert werden. Schon oft wurde in der Vergangenheit beobachtet, wie Pakete mit Schmuggelware aus den Fenstern der Züge flogen und dass junge Männer in Scharen vor Wehrübungen aus Russland kommend zivil ungehindert nach Königsberg reisten.

Die NATO- und EU-Enklave ist die Heimat der russischen Ostseeflotte und Stationierungsort für Moskaus atomwaffenfähiges fahrzeuggebundenes Raketensystem 9K720 Iskander. 500 Kilometer trennen das Königsberger Gebiet von Russland und mehr als 1000 Kilometer von Moskau. Wie viele Soldaten Russland im Königsberger Gebiet stationiert hat, ist unbekannt, es können 20.000 sein, aber auch 200.000.

Borell stellt sich hinter Wilna

Seit 1993 hatte Russland mehrmals mit Druck auf Litauen versucht zu erreichen, dass aus der Eisenbahnlinie offiziell ein militärischer Korridor wird. Das hätte einen unkontrollierten Transport von Personen und Gütern erlaubt. 2003 einigten sich Russland und Litauen auf vereinfachte Visumregeln. Im Gegenzug verpflichtete sich Russland, die litauischen Behörden über Art und Umfang der Fracht zu informieren. Litauen trat ein Jahr später der NATO und der EU bei.

Der sogenannte Suwalki-Korridor an der polnisch-litauischen Grenze, der die russische Exklave von dem Verbündeten Weißrussland trennt, gilt als größte Schwachstelle der NATO. Würden die Russen den 65 Kilometer langen Korridor einnehmen, wäre Königsberg keine Exklave mehr, dafür aber die drei baltischen Staaten, die dann vollständig von Russland, Weißrussland und Königsberg eingeschlossen wären.

Bundeswehr schützt Litauen

Die Verteidigung dieses Korridors obliegt auch der Bundeswehr mit der Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“, die in Litauen stationiert ist. Die rund 500 deutschen Soldaten führen die etwa 1600 NATO-Soldaten umfassende multinationale Kampfgruppe in Litauen an.

Letztere war im März 1990 die erste der damaligen Sowjetrepubliken, die ihre Unabhängigkeit erklärte, der erste Dominostein, der fiel und die anderen mit sich riss. Viele Politiker in Moskau haben den Litauern das bis heute nicht vergessen.

Bereits vor dem Ausbruch des Ukrainekriegs hatte Jewgenij Fjodorow, Abgeordneter der Staatsduma, Mitglied des zentralen politischen Rates von Einiges Russland und Koordinator der Nationalen Befreiungsbewegung, im russischen Parlament die Unabhängigkeit Litauens öffentlich in Frage gestellt und gefordert, dass Russland als Rechtsnachfolger der Sowjetunion dem baltischen Staat die Souveränität aberkennt.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Chris Benthe am 01.07.22, 14:32 Uhr

Jetzt zeigt sich, wie verhängnisvoll die "NATO-Osterweiterung" in Wahrheit ist. Niemals hätte man zulassen dürfen, dass der Suwalki-Korridor zu einem ähnlichen Zankapfel wird wie die Danzig-Korridor-Frage 1920 - 1939. Kaliningrad - Königsberg - wird nicht zu Deutschland zurückkehren, und das Gebiet ist die prestigeträchtigste Kriegstrophäe Russlands - leider, muss man dazu sagen. Es muss schnellstmöglich Verhandlungen zu einem Korridor geben, der es Russland ermöglicht, seine Personen und Güter ohne Kontrollen aus dem Mutterland nach Kaliningrad zu transportieren. Das wäre echte Friedenspolitik. Es gibt keine Alternative, denn im Kriegsfalle verlöre Litauen ALLES ! Und nicht nur Litauen, ganz Europa wäre der Verlierer. Wann endlich kehrt die Vernunft zurück in die Politik ? Nur eine einzige abgeschossene Nuklearrakete, und niemand braucht noch überhaupt irgendetwas. Das ist doch alles Irrsinn !

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS