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Christian Hardinghaus: „Verlorene Generation. Gespräche mit den letzten Kindersoldaten des Zweiten Weltkriegs“, Europa Verlag, München 2021, gebunden, 344 Seiten, 20,60 Euro
Christian Hardinghaus: „Verlorene Generation. Gespräche mit den letzten Kindersoldaten des Zweiten Weltkriegs“, Europa Verlag, München 2021, gebunden, 344 Seiten, 20,60 Euro

Für Sie gelesen

Lückenfüller für den Führer

Dagmar Jestrzemski
28.05.2022

Nach „Verdammte Generation“ und „Verratene Generation“ hat der Historiker Michael Hardinghaus unter dem Titel „Verlorene Generation“ den dritten Teil seiner Generationenreihe veröffentlicht. Der Band ist den jüngsten Kämpfern des Zweiten Weltkriegs der Jahrgänge 1926 bis 1931 gewidmet, die ab 1943 in der Endphase des Krieges als Lückenfüller für den Führer verheizt wurden. Durch die Kriegspropaganda der Hitlerjugend aufgepeitscht, glaubten viele noch an den Endsieg Deutschlands. 200.000 Luft­waffenhelfer ab 15 Jahren verteidigten die deutschen Städte ab 1943 fast im Alleingang. 1945 wurden selbst 14-Jährige in Panzervernichtungstrupps eingesetzt. Alle naiven, manipulierten Kindersoldaten waren unter dem Einfluss extremer Indoktrination aufgewachsen, kannten kein anderes System als die NS-Diktatur. Bis heute leiden die Überlebenden an verdrängten Kriegstraumata.

13 Männer gaben dem erfahrenen Autor ihre persönliche Geschichte preis und riefen Bilder in ihrer Erinnerung auf, „die man sich nicht vorstellen kann, wenn man sie nicht selbst gesehen hat“. Drei von ihnen wurden als Hitlerjungen in den Volkssturm eingegliedert, einer war im Hilfsdienst der Wehrmacht. Fünf Jugendliche kämpften in der Wehrmacht, vier hatten sich als Offiziersanwärter freiwillig gemeldet. Sechs Zeitzeugen wurden teilweise schwer verletzt, sechs stammen aus den ostdeutschen Gebieten Pommern, Posen, Schlesien und Ostpreußen.

In die Chronologie der Erzählungen hat der Autor den Kriegsverlauf einbezogen. Die Protagonisten berichten über ihre teils extremen Erfahrungen in der Kriegsgefangenschaft. Mit den grauenvollen Tatsachen des Holocaust wurden die Überlebenden erst nach dem Krieg konfrontiert. Von den Vorgängen in den Vernichtungslagern wussten sie nach eigener Aussage nichts oder kannten nur Gerüchte. Ihre heutigen persönlichen Überzeugungen zu politischen und gesellschaftlichen Themen kommen zur Sprache, und der Autor hat ihre Lebenswege nachgezeichnet. „Ich habe nie für Hitler gekämpft, sondern weil ich davon überzeugt war, dass ich meine Heimat vor drohendem Unheil beschützen musste“, erklärte der 93-jährige Armin aus Königsberg. Er verließ das Flüchtlingsschiff „Goya“, kurz bevor dieses im März 1945 versenkt wurde.

Allgemeine, kompakte Informationen umfasst das Kapitel „Die deutsche Jugend im Krieg“. Erneut setzt sich der Autor kritisch mit den später aufgekommenen Vorurteilen gegenüber den Kindersoldaten auseinander, die sich kaum von den Vorwürfen unterschieden, die auch den erwachsenen Soldaten und Frauen entgegenschlugen. Für die Betroffenen war dies einer der Gründe, über ihre extremen, traumatisierenden Kriegserlebnisse zu schweigen. Daher sind die hier zusammengefassten Lebensberichte der letzten Kindersoldaten des Zweiten Weltkriegs umso wertvoller.


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