19.04.2024

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Man merkt die Absicht und ist verstimmt

Vor 100 Jahren gab es zwar zwei Volksabstimmungen in Schleswig, aber der Wählerwille wurde verfälscht

Fedor M. Mrozek
17.02.2020

Das Königreich Dänemark schickt sich an, die sogenannte Wiedervereinigung mit Nordschleswig vor 100 Jahren zu feiern, während aus Sicht vieler deutscher Stimmen, darunter auch von offizieller Seite des Landes Schleswig-Holstein, die Festlegung der heutigen deutsch-dänischen Grenze im Jahre 1920 geradezu als demokratisches Musterbeispiel eines friedlichen Ausgleichs gewürdigt wird. Der Versailler Vertrag hatte hierzu am 28. Juni 1919 in den Artikeln 109 bis 114 festgelegt, dass durch Abstimmung in zwei Zonen zum einen über die staatliche Zugehörigkeit Nordschleswigs sowie zum anderen über jene von Teilen Mittelschleswigs samt der Stadt Flensburg entschieden werden solle. Auf Betreiben radikaler dänischer Nationalisten in der Tradition der Eiderdänen, die im 19. Jahrhundert das gesamte Herzogtum Schleswig zwischen der Königsau im Norden und der Eider im Süden für einen dänischen Nationalstaat vereinnahmen wollten, hatte zuvor sogar eine weiter südlich gelegene dritte Zone bis zur Linie Schleswig–Tönning Eingang in den Vertragsentwurf vom 7. Mai 1919 gefunden. Das war jedoch von der dänischen Regierung mit den bemerkenswerten Worten ihres Ministerpräsidenten Carl Theodor Zahle zurückgewiesen worden, dass die dortige Bevölkerung „niemals eine Spur dänischen Nationalgefühls“ gezeigt habe.

Clausen- statt Tiedje-Linie

Vordergründig lässt die Tatsache, dass die Sieger des Ersten Weltkrieges in Nordschleswig die Bevölkerung abstimmen ließen, die Beachtung des Sebstbestimmungsrechtes der Völker vermuten, doch der Teufel steckt im Detail. Zu eindeutig benachteiligte der Abstimmungsmodus Deutschland, als dass man Absicht ausschließen könnte.

In der südlichen Zone II, in der eine deutsche Mehrheit zu erwarten war, sollte nicht en bloc, sondern gemeindeweise über die künftige staatliche Zuordnung entschieden werden. Lediglich der Umstand, dass sich in dieser südlichen Zone nur in drei Dörfern auf der Westseite der nordfriesischen Insel Föhr eine dänische Mehrheit ergab, bewirkte, dass die zweite Zone nicht geteilt wurde, sondern vollständig bei Deutschland verblieb. In der nördlichen Zone I hingegen, in der eine dänische Mehrheit zu erwarten war, wurde en bloc abgestimmt, galt die Mehrheit für die gesamte Zone als verbindlich.

Dieser unterschiedliche Abstimmungsmodus hätte höchstens dann keine Diskriminierung Deutschlands dargestellt, wenn die Grenze zwischen der nördlichen und der südlichen Zone an der Volkstumsgrenze orientiert gewesen wäre oder nördlich von dieser gelegen hätte. Sie lag aber südlich davon.

Als Grundlage für die Zonengrenze wurde nämlich eine von dem dänischen Historiker Hans Victor Clausen 1891 vorgeschlagene Linie gewählt, die von der Nordsee her zwischen den Inseln Röm im Norden und Sylt im Süden ihren Ausgang nimmt und sich auf dem Festland südlich der mehrheitlich deutsch gesinnten Stadt Tondern bis zum nördlichen Stadtrand von Flensburg fortsetzt, das zuletzt bei der Reichstagswahl von 1881 einen dänischen Abgeordneten nach Berlin entsandt hatte. Dagegen schlug die deutsche Friedensdelegation nach Maßgabe des aus Nordschleswig stammenden Ministerialbeamten und früheren Königsberger Pastoren Johannes Tiedje eine von West nach Ost nördlich der Orte Hoyer und Tingleff zur Flensburger Förde führende Linie vor, die auf beiden Seiten annähernd gleich starke nationale Minderheiten zur Folge gehabt hätte. Dieser deutsche Gegenvorschlag blieb jedoch unberücksichtigt.

Tondern stimmte für Deutschland

Nach Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 mussten deutsches Militär und höhere Verwaltung die Abstimmungszonen räumen. In das Gebiet unter dem gemeinsamen Namen „Plebis-cit Slesvig“ rückten britische und französische Truppen ein, das Kommando übernahm am 25. Januar eine Internationale Kommission aus jeweils einem Regierungsvertreter Großbritanniens, Frankreichs, Schwedens und Norwegens nebst einem Generalsekretär aus dem Vereinigten Königreich, das auch den Kommissionspräsidenten stellte. Je drei ortsansässige Deutsche und Dänen fungierten als sogenannte technische Berater.

Das Wahlrecht stand Personen ab 20 Jahren zu, die im Abstimmungsgebiet geboren oder vor dem 1. Januar 1900 dort ansässig gewesen oder aus dem Gebiet ausgewiesen worden waren. Das letzte „oder“ resultierte aus einem Übersetzungsfehler, denn gemeint waren eigentlich Schleswiger dänischer Herkunft, die von der preußischen Regierung des Landes verwiesen worden waren, doch durch dieses sprachliche Versehen mit „oder“ statt „und“ konnten zur Betrübnis der dänischen Seite auch Deutsche, die bis 1900 in ihrer schleswigschen Heimat gelebt hatten und freiwillig verzogen waren, an den Abstimmungen teilnehmen.

Nach erbittertem Wahlkampf, der dennoch friedlich verlief, erbrachten die Abstimmungen zunächst in der nördlichen Zone I am 10. Februar 1920 eine Dreiviertelmehrheit mit 75 431 Stimmen für Dänemark und 25 329 für Deutschland, sodann in der südlichen Zone II am 14. März mit 80,2 Prozent und 51 724 Stimmen einen Sieg für die deutsche Seite bei 12 800 Stimmen für die dänische. Der nationale Kristallisationspunkt Flensburg bekannte sich als Teil der zweiten Zone mit 27 081 Stimmen für Deutschland und mit 8944 für Dänemark. Als Anerkennung für die deutsche Dreiviertelmehrheit errichtete die Reichsregierung in den Jahren 1927 bis 1930 das Deutsche Haus und stiftete es der Stadt Flensburg mit den Worten „Reichsdank für deutsche Treue“. Die teils deutlichen deutschen Mehrheiten in den Städten Tondern (76 Prozent), Hoyer (73 Prozent), Sonderburg (55 Prozent) und Apenrade (54 Prozent) führten nicht zu einem Verbleib bei Deutschland, da in Nordschleswig keine gemeindeweise Entscheidung vorgesehen war. Als letzte Amtshandlung der Internationalen Kommission übergab sie Nordschleswig am 15. Juni 1920 an das Königreich Dänemark, wohingegen die südliche Zone am selben Tage den Behörden des Deutschen Reiches respektive des Freistaates Preußen zurückgegeben wurde. Ein Fünftel seines Umfangs hatte die preußische Provinz Schleswig-Holstein verloren. Die damals gezogene deutsch-dänische Grenze ist seitdem nicht mehr verändert worden.

Fedor M. Mrozek ist Vorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein des Bundes der Vertriebenen. Er hält vor dem Kreisverein Kiel der Landsmannschaft der Danziger am Freitag, den 12. Juni um 15 Uhr einen Bildvortrag „100 Jahre deutsch-dänische Grenze“ im Kieler Haus der Heimat in der Wilhelminenstraße 47/49.


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