13.12.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Wandertouren

Marlenes Hüte und die Lampenschirme Berlins

Herbstwanderungen zur Brandenburger Industriekultur – Wo einst die Produktion blühte, gedeiht jetzt eine einmalige Kulturlandschaft

Harald Tews
29.10.2023

Nirgends in Deutschland passen Indu­striekultur und Naturerlebnis besser zusammen als in Brandenburg. Die rasante Industrialisierung der Provinz parallel zum Boom Berlins im 19. Jahrhundert sowie das abrupte Ende der Großbetriebe in den 1990er Jahren haben eine faszinierende Landschaft hinterlassen. Als Denkmale und Museen halten die Orte die Erinnerung an einstige Lebens- und Arbeitswelten wach. Auf sechs herbstlichen Wandertouren kann man die von idyllischer Landschaft umgebenen Orte erleben.

Wer Anfang des 20. Jahrhunderts eine hochwertige Nähmaschine brauchte, kaufte sich ein Modell aus dem Hause Singer – hergestellt in Wittenberge an der Elbe. Guben hingegen war das Hut-Mekka Europas. Carl Gottlob Wilke erfand hier 1854 den ersten wasserdichten Wollfilzhut. Sogar Marlene Dietrich und Charlie Chaplin bestellten in der Stadt an der Neiße. So führt die Tour Industriekultur in Wittenberge auf rund fünf Kilometern unter anderem zum Uhrenturm des alten Nähmaschinenwerks. In Guben erfährt man auf der neun Kilometer langen Tour Auf den Spuren der Gubener Industrie mehr über die Industriellenfamilie Wilke.

Die knapp 14 Kilometer lange Tour
Industriegeschichte trifft Gartenkultur im Dahme-Seenland führt Wanderer zur Schwartzkopff-Siedlung in Wildau. Ende des 19. Jahrhunderts errichtete die Berliner Maschinenbau Aktien-Gesellschaft, einer der größten Lokomotivbauer im Kaiserreich, hier eine moderne Werkssiedlung mit 950 Wohnungen, Schule, Bootshaus und Badeanstalt. Noch heute ist sichtbar, wie idyllisch die Fabrikarbeiter einst wohnten.

Durch unberührte Natur schlängelt sich der 66-Seen-Wanderweg in über 400 Kilometern einmal um Berlin. Besonders reizvoll ist die 25 Kilometer lange Etappe 8 von Strausberg nach Rüdersdorf im Seenland Oder-Spree vorbei am Ufer des Stienitzsees. Dabei empfiehlt sich ein Abstecher in den Museumspark Rüdersdorf. Das historische Kalk- und Bergwerk informiert über die mühsame Verarbeitung des Kalksteins. Imposantes Relikt ist die „Kathedrale des Kalks“, eine Schachtofenbatterie mit 18 Schornsteinen, in der einst Branntkalk hergestellt wurde.

Der 45 Kilometer lange Regionalwanderweg Baruther Linie bringt Wanderer in vier Tagesetappen von Blankenfelde vorbei an verlassenen Kalkschachtöfen in das Gebiet zwischen Teltow und dem Baruther Urstromtal. Ziel ist der Glasmacher­ort Baruth mit seinem Ortsteil Baruther Glashütte. Im 19. Jahrhundert war der kleine Ort zwischen Spreewald und Fläming Brandenburgs größter Glaserzeuger. Lampenschirme aus Milchglas erhellten damals Berliner Wohnungen und Salons.

Drei Industriekultur-Höhepunkte vereint der 135 Kilometer lange Rundwanderweg Rund um die Schorfheide. In sieben Etappen geht es von Eberswalde durch den Naturpark Barnim, über das UNESCO-Weltnaturerbe Buchenwald Grumsin und das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Auf der ersten Etappe lohnt ein Stopp im Museum Eberswalde, das über die Wiege der brandenburgisch-preußischen Industrie erzählt. In Oderberg, das auf Etappe 5 passiert wird, erzählt das Binnenschifffahrtsmuseum die Geschichte der Oderschifffahrt. Und auf Etappe 6 sind von Weitem die beiden Schiffshebewerke in Niederfinow sichtbar. Die Besuchsplattform des historischen Hebewerks ist ohne Führung bis Dezember täglich zugänglich.

www.industriekultur-brandenburg.de


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Kersti Wolnow am 30.10.23, 12:01 Uhr

Den Beginn der Industrialisierung habe ich mir immer für die einfachen Leute ganz schrecklich vorgestellt.
Wenn ich mir aber die jetzige Gesellschaft in Zukunft vorstelle, wird mir ganz anders. WIr leben schon heute in unerträglichem Zustand, in den Städten auf engstem Raum in anonymen Bienenwaben, genannt Hochhäuser, arbeiten zur Hälfte für einen anonymen, toten Staat, der das Geld nach Gutsherrenart an anonyme und fremde Leute vergibt, die der Gemeinschaft, die nicht mehr erkennbar ist, nachweislich nicht von Nutzen sind, haben so gut wie keine ansehnliche Kunst, Kultur und Architektur mehr, was jedem die Seele vergiften muß. Die Lebensmittel heißen food und werden im Labor künstlich hergestellt. Und dann kommt noch die künstlche Intelligenz auf uns zu.
Ich habe den Eindruck, daß diejenigen, die unsere Zukunft planen und gestalten, keine Menschen sein können.

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS