27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

TV-Serie

Max und Moritz in Ruinen

Klischeeschlacht und Kitsch auf zwei Beinen – Vierteilige Serie über das kriegszerstörte Berlin im ZDF

Anne Martin
30.10.2020

Das zerbombte Berlin zeigt sich in pittoresker Schönheit: Trümmerfrauen werkeln auf Ruinen und sehen dabei aus wie einem Mode-Katalog entstiegen: adrett gekleidet, die Kopftücher zu lässigen Turbanen geknotet. Und die Statisten spazieren derart choreografiert durchs Bild, dass der Zuschauer den Regieassistenten bei seinen Einsätzen förmlich vor sich sieht: „Untergehakte Mädchen von links nach rechts, ein Radfahrer mit Schiebermütze in der Totalen. Und Action!“

Das Kulissenhafte zieht sich durch sämtliche Folgen der ZDF-Serie „Schatten der Mörder – Shadowplay“ (am 30. und 31. Oktober, jeweils um 20.15 Uhr, sowie am 2. und 3. November, jeweils um 22.15 Uhr) und sorgt für latentes Unbehagen. Es sind ähnliche Vorbehalte, wie sie schon bei der Verfilmung von Steven Spielbergs Holocaust-Opus „Schindlers Liste“ entstanden. „Indianer Jones im KZ“ kritisierte seinerzeit ein Rezensent.

Auch hier wieder: Darf man das Kriegs- und Nachkriegsgrauen als beliebige Folie für einen zugegeben spannenden, aber reißerischen Film missbrauchen? Darf man vor zeitgeschichtlichem Hintergrund die klassischen Drehbuch-Tricks herunterdeklinieren und seien sie auch noch so unglaubwürdig? Die innere Wandlung des Helden etwa, in diesem Fall die Entwicklung einer unbedarften Serviererin zur skrupellosen Mörderin. Vor allem: Darf ein Filmemacher die Klischees, was denn wohl „typisch deutsch“ sei, zu ästhetisch gefälliger Folklore zusammenrühren?

Verstärkung durch Hollywoodstars

Der Autor und Regisseur Mans Marlind ist Schwede und nimmt sich die Freiheit, deutsche Zeitgeschichte allein nach Spannungs- und Verkaufsaspekten zu inszenieren. Die Handlung: Der Polizist Max McLaughlin soll 1946 im kriegszerstören Berlin in der US-Besatzungszone eine Polizeieinheit aufbauen. Ihm zur Seite wird die deutsche Polizistin Elsie gestellt. Ziel der beiden ist es, den „Engelmacher“ (Sebastian Koch), eine Art Al Capone im Berlin der Nachkriegszeit, zu Fall zu bringen. Gleichzeitig will Max seinen Bruder Moritz stellen – dieser führt einen grausam ausufernden Feldzug gegen einige NS-Verbrecher.

Morlinds Besetzung ist international und so attraktiv wie die durchdesignte Kulisse: die Brüder Max und Moritz werden von den US-Schauspielern Taylor Kitsch und Logan Marshall-Green gespielt, die Gattin des US- Konsuls von der glamourösen Britin Tuppence Middleton. Die Deutschen wiederum schrammen dicht an der Karikatur vorbei. Allein die Namen! Elsie Garten heißt die Polizeichefin, gespielt von Nina Hoss. Berta die grobschlächtige frühere KZ-Aufseherin, die von Moritz enttarnt und grausam getötet wird. Trude nennt sich eine nervenschwache Hilfspolizistin mit schlecht sitzender Perücke.

Im rechtsfreien Berlin der Nachkriegszeit, in der jeder um seine Existenz kämpft, stellt Morland nach Westernart die Guten gegen die Bösen. Max will eine neue Ordnung erschaffen, sein Bruder Moritz bleibt in seinem Rachefeldzug dem Chaos verhaftet. Eine tragende Rolle spielt die Moritat von „Max und Moritz“, die mit ihren grausigen Streichen das Drehbuch für dessen Mordlust liefern.

Karriereeinstieg als Mörderin

Die aus dem Mehrteiler „Charité“ bekannt gewordenen Mala Emde spielt als „Karin Mann“ eine der Hauptrollen. Nach einer Vergewaltigung durch zwei GIs wird sie schwanger und landet beim „Engelmacher“, der sie erst von der ungewollten Schwangerschaft erlöst und später zu seiner Komplizin macht. An seiner Seite wandelt sich die junge Berlinerin zu einer kaltblütigen Mörderin, die als Einstieg in ihre neue Karriere gleich mal ihre beiden Vergewaltiger mit einem Eisenrohr erschlägt. Unwahrscheinlich? „Die Zeit war brutal,“ sagt Emde. „Es gab solche Dinge. Und für Karin stellte sich nur die Alternative, sterben oder sich prostituieren.“

Die Dreharbeiten in Tschechien erlebte die 24-Jährige als ein großes Abenteuer. Von der Zusammenarbeit mit den berühmten Kollegen Nina Hoss und Sebastian Koch schwärmt sie im Nachhinein: „Ich konnte mir viel von ihnen abgucken, beide geben sich nie mit Mittelmaß zufrieden.“ Womöglich unterlagen die beiden hoch dekorierten Schauspieler aber auch dem Irrglauben, hier werde Herausragendes produziert. Sebastian Koch, einer der Stars aus dem Oscar-gekrönten Stasi–Epos „Das Leben der Anderen“, räumt nach dieser Serienerfahrung fürs Fernsehen jedenfalls ein, nach wie vor lieber fürs Kino zu drehen.

Wie der schwedische Regisseur sowie sein Landsmann und Co-Regisseur Björn Stein die zahlreichen Versatzstücke ihres Thrillers montieren, ist durchaus sehenswert. Trotzdem bleibt der Vorbehalt: Es gibt Themen, die verdienen eine andere Annäherung als das offensichtliche Heischen nach einer glamourösen Nachkriegskulisse, nach Cliffhangern, Spannungsbögen und Einschaltquoten. Aber vielleicht ist diese Haltung auch zu bedenkenträgerisch, also „typisch deutsch“.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Marilys Eschenbach am 01.11.20, 22:05 Uhr

Danke für die Erwähnung dieses Films.
Habe Samstag Abend mal 5 Minuten in den Film reingeschaut. Und es sollte wohl so sein, dass gerade eine Szene lief, wo eine der Damen im Film erzählte, dass ein kleines deutsches Mädchen sie angesprochen hat und fragte, ob sie ihre Mutter sein könnte. (Sollte wohl einer vielen Kriegsweisen sein) Das kleine Mädchen ist dann auf der Bank eingeschlafen und die „Dame“ hat ihr einen Zettel in die Tasche gesteckt wo draufstand: „Auch Deine Eltern haben diesen Krieg gewollt.“ Weiter meinte die Dame etwas hämisch, dass das kleine Mädchen dann wohl irgendwann von Russen vergewaltigt wird. Dann habe ich abgeschaltet.
Also ein Propaganda Film: Die Deutschen sind das Volk der Täter und tragen alleine die Schuld. Also mein Vater war ein ganz einfacher Soldat und meine Mutter war auch keine Deutsche. IDiese Schuld-Propaganda ist langsam etwas platt. Aber wir lassen es uns ja gefallen?
Und wer wirklich wissen will, was vor dem 2WK und auch 1WK so alles gelaufen ist, da kann ich nur das Buch von Schultze-Rhonhoff „1939 ….“ empfehlen.
Wird wohl noch etwas dauern, bis ein breiteres Publikum diese Fakten erfährt. Und ein Filmregisseur dies liest.

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS