27.07.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Deutschland

Mehr als nur eine konjunkturelle Delle

Die Wettbewerbsposition der deutschen Industrie hat sich in wie außerhalb der EU in den vergangenen 24 Monaten kontinuierlich verschlechtert

Peter Entinger
01.06.2024

Die Wettbewerbsposition der deutschen Industrie hat sich innerhalb der EU und auf den Weltmärkten in den vergangenen 24 Monaten kontinuierlich verschlechtert. Das belegen neueste Zahlen vom ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München. Innerhalb der EU berichteten die Unternehmen seit dem dritten Quartal 2022, dass sie bei der Wettbewerbsposition zurückfallen. Ähnliches gilt auf den Weltmärkten, wo diese Entwicklung schon im ersten Quartal 2022 begonnen hatte. „Für die deutsche Industrie wird es schwieriger, sich im Wettbewerb zu behaupten“, erklärte Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen. Fast alle Branchen berichteten, dass sich ihre Wettbewerbsposition im ersten Quartal 2024 gegenüber dem vierten Quartal 2023 verschlechtert habe. Eine Ausnahme bilden hier die Pharmaindustrie sowie die Hersteller von Holzwaren (ohne Möbel).

Mit Blick auf die Märkte außerhalb der EU beklagten alle Befragten außer der Getränkeindustrie eine schlechtere Wettbewerbsposition als im letzten Quartal. „Auch im Inland sehen sich mehr und mehr deutsche Unternehmen unter Druck. Bis Ende 2022 gab es nahezu immer eine Tendenz, dass die Unternehmen sich mehrheitlich gut auf dem Inlandsmarkt behaupten konnten. Dies änderte sich vor einem Jahr“, so Wohlrabe. Innerhalb der Führungsgremien der deutschen Wirtschaft ist die Stimmung zunehmend schlecht.

Die Mär von den externen Gründen

Der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, erklärte in einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Gruppe, dass in den kommenden vier Jahren ein Verlust von bis zu 50.000 Arbeitsplätzen in Deutschland möglich sei. „Den Unternehmen sind wegen der schlechten Rahmenbedingungen in Deutschland über 300 Milliarden Euro an Investitionen entgangen“, sagte Wolf. Das gehe langfristig zu Lasten von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. „Ich sehe bereits eine beginnende De-Industrialisierung. Es finden viele Verlagerungen statt – überallhin“, erklärte er weiter. Besonders betroffen seien derzeit Unternehmen aus der Automobil- und Zulieferindustrie. Es helfe nicht mehr, die Lage zu beschwichtigen und als konjunkturelle Delle abzutun, bilanzierte der Funktionär.

Lange Zeit wurden Politiker nicht müde, die Probleme der deutschen Industrie auf externe Faktoren zu schieben. Zunächst waren es die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, dann der Ukrainekrieg mit den damit verbundenen hohen Gaspreisen. „Die Vorstellung, dass die Probleme der deutschen Wirtschaft verschwinden würden, wenn man die Gaspipelines wieder öffnen würde, wenn wieder Gas geliefert würde, die Vorstellung ist sicherlich falsch. Wir haben viel mehr Probleme als nur das russische Gas, das nicht mehr da ist“, konterte kürzlich der Präsident des ifo-Instituts, Clemens Fuest. Er sieht die Probleme viel tiefer gehend. Deutschland habe den Fortschritt zum Teil verschlafen. „Ich würde so weit gehen zu sagen, dass wir keine gute Zukunft in diesem Land haben können, wenn wir nicht verstärkt auf technische Entwicklung und Automation, also Arbeitskräfte einsparen, setzen“, sagte Fuest.

Mahnungen haben nicht gefruchtet

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) warnte bereits im Februar vor der größten Wirtschaftskrise seit über zwanzig Jahren. „Die schlechte Stimmung der Unternehmen verfestigt sich“, so die DIHK. Träfe die Prognose des Verbands ein, wäre es erst das zweite Mal in der Nachkriegsgeschichte, dass die deutsche Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Jahren schrumpft.

Der Auftragsbestand im verarbeitenden Gewerbe sinkt unterdessen weiter. Im März fiel er gegenüber dem Vormonat um 0,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Vor allem die Probleme der Automobilindustrie seien hierfür verantwortlich. Sie war über Jahrzehnte einer der Job-Motoren in Deutschland. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck musste kürzlich einräumen, dass der Standort Deutschland insgesamt an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt habe. Der Zufluss ausländischer Direktinvestitionen sei im vergangenen Jahr um zwölf Prozent eingebrochen und damit stärker als in der Europäischen Union.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat unlängst mitgeteilt, dass ausländische Unternehmen im vergangenen Jahr nur noch rund 22 Milliarden Euro in Deutschland investiert hätten. So wenig sei es zuletzt vor mehr als zehn Jahren gewesen.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS