Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Rügens Badehäuser – Den Grundstein zu den Seebädern auf der Ostseeinsel legte Fürst Malte I.
Als Schweden nach dem Wiener Kongress am 23. Oktober 1815 seine Besitzungen in Vorpommern feierlich an das Königreich Preußen übergab, wurde Rügen preußisch und Schwedisch-Vorpommern hieß fortan Neuvorpommern. Mit der Zugehörigkeit zu Preußen begann für Rügen eine neue Blütezeit. Preußens Könige bewunderten die Naturschönheiten der Insel und ließen ihre Herrschaft durch Denkmäler verklären.
Friedrich Wilhelm IV. war sicherlich einer der größten Insel-Fans. So schrieb er an seine Frau Elisabeth: „Ich bin mehr wie je für die Schönheit von Rügen empfänglich.“ Er war nicht der Einzige: 1911 erklärte Landrat Freiherr von Maltzahn die „Süd- und Ostküste der Insel Rügen“, die „Insel Hiddensee“ und den Bereich „Bergen-Rugard“ zu landschaftlichen Schutzbezirken, damit Millionen und Abermillionen Volksgenossen im Ablauf künftiger Jahrzehnte keine Enttäuschung bereitet werden müsse. Heute schützen die Insel samt Hiddensee die Nationalparks „Vorpommersche Boddenlandschaft“ und „Jasmund“ – sein Buchenbestand ist seit 2011 sogar Unesco-Weltnaturerbe – sowie das Biosphärenreservat „Südost-Rügen“.
Friedrich Wilhelm IV. war es auch, der bei Neukamp und Groß Stresow nahe Putbus zu seinem Geburtstag am 15. Oktober 1854 und 1855 je eine Preußensäule aufstellen ließ. Die eine für Kurfürst Friedrich Wilhelm, die andere für König Friedrich Wilhelm I., die Rügen 1678 und 1715 siegreich gegen die Schweden verteidigt hatten. Der Hinweis, dass sie im Bund mit Dänemark waren und diesem die Insel überließen, fehlt jedoch. Nach ihrer Restaurierung wurden die Säulen 2014/2015 wieder aufgestellt.
Den Keim zum blühenden Badeleben legte Fürst Wilhelm Malte I. zu Putbus (1783–1854). Seit dem 14. Jahrhundert waren die von Putbus die größten Landbesitzer Rügens. Bis zur Bodenreform 1945 war ihr Grundbesitz mit mehr als 18.000 Hektar sogar der größte in Pommern. Sie waren Herren über das Residenzschloss in Putbus, 1962 gesprengt, Schloss Spyker, heute Schloss-Hotel, und das 1837/1846 erbaute Jagdschloss Granitz, das man schon im späten 19. Jahrhundert für Touristen öffnete. Seitdem zieht es Besucher magisch an: 1895 waren es rund 13.500, 1905 etwa 22.500 und 2019 über 250.000 im Jahr.
Malte I. war bereits zur Schwedenzeit ein mit Titeln und Ämtern überhäufter Mann. 1807 in den schwedischen Fürstenstand erhoben, bestätigte Friedrich Wilhelm III. am 24. Januar 1817 den Fürstenstand auch für Preußen, ebenso die Würde eines Erblandmarschalls für Vorpommern, womit er das Prädikat „Durchlaucht“ und den Vorsitz im künftigen Landtag erwarb.
Nach der Geburt seines Sohnes und Erbfolgers legte Malte I. auf Rügen eine Residenzstadt an. Der „Gründungsakt“ von Putbus war eine Zeitungsanzeige vom 3. November 1808, mit der er um Bewohner für seine neue Stadt warb. Arbeitsamen Tagelöhnern und Handwerkern sowie anständigen Familien versprach er annehmliche Bedingungen in einer angenehmen Umgebung, vorausgesetzt, sie brächten hinlängliche Beweise eines ordentlichen und stillen Betragens bei.
Doch nur ein Brau- und ein Maurermeister ließen sich 1809 und 1810 im zukünftigen Putbus nieder. Alle anderen Bauten entstanden in der Preußenzeit zwischen 1815 und 1860. Europas letzte Planstadt ist ein Kleinod klassizistischer Baukunst. Eines der Kavalierhäuser am kreisförmigen Circus-Rondell der „Weißen Stadt“ dient Maltes Nachfahren heute als Familien- und Verwaltungssitz. Die Familie hatte es zusammen mit geringen Teilen ihrer Ländereien nach der friedlichen Revolution zurückgekauft.
Da es mit Handwerk und Gewerbe nicht so richtig klappte, machte Malte I. seine Residenz zum Badeort. Dazu ließ er 1816 in Putbus ein Wannenbad errichten, wo man in aufgewärmtes Seewasser steigen konnte. Die Warmbäder kamen gut an und so legte er kurz darauf im gut zwei Kilometer entfernten Ortsteil Lauterbach den Grundstein für ein größeres Badehaus. Mit Bedacht wählte er dazu den 3. August 1817, den Geburtstag von Friedrich Wilhelm III. Mit der Einweihung des Badehauses in der Goor, wie der dortige Küstenwald heißt, bekam Rügen 1818 sein erstes Seebad. Auf Antrag durfte es Friedrich-Wilhelm-Bad heißen.
Kaiserin Auguste Victoria zu Besuch
Während das Badehaus in Putbus per Pferdefuhrwerk fassweise mit Seewasser versorgt werden musste, floss es in Lauterbach über Rohre direkt in die Wannen. Aus dem alten Badehaus in Putbus wurde später eine Schule. Hinter der historischen Kolonnade des Badehauses in der Goor befindet sich seit 2007 wieder ein Wohlfühl-Tempel in Gestalt eines eleganten Wellness-Hotels.
Am benachbarten Neuendorfer Strand konnte man schon damals direkt im Meer baden. Ab 1815 wurden dort Badezelte für Herren und Badekarren für Damen aufgestellt. So richtig florierte Lauterbach am Rügischen Bodden allerdings offenbar nie. Schon in den 1830er Jahren nahm der Badebetrieb stark ab und Putbus entwickelte sich mehr zum Kur- und Erholungsort. Ab 1840 verlagerte sich das Baden dann noch mehr ins offene Meer, wo der „Wellenschlag“ stärker war. Auch das gesellschaftliche Leben spielte sich mit den Jahren zunehmend am Strand, auf der Promenade und der Seebrücke ab.
Selbst Friedrich Wilhelm III. hatte „sein“ Bad 1820 nur einmal besucht, zusammen mit seinen Söhnen und späteren Nachfolgern Friedrich Wilhelm (IV.) und Wilhelm (I.). Für Friedrich Wilhelm IV. war Putbus dagegen über viele Jahre so etwas wie eine Sommerresidenz. Auch seine Nachfolger Wilhelm I. und Friedrich III. – als Kronprinz – waren häufig in Putbus zu Gast.
Wilhelm II. und seine Familie bevorzugten schon das Seebad Sassnitz, das dem Friedrich-Wilhelm-Bad bereits den Rang abgelaufen hatte. „Nach Rügen reisen, heißt nach Sassnitz reisen“, schreibt Fontane 1895. Zwischen 1860 und 1890 war Sassnitz Deutschlands exklusivstes Seebad. Doch je leichter Sassnitz erreichbar wird, desto mehr verliert es seinen „distinguirten Charakter“ und damit die „regelmäßigen Besuche aus den ersten Gesellschaftsklassen“, warnte schon 1885 der Stubnitzer Amtsvorsteher Kühlwein.
Zwar verbrachte Kaiserin Auguste Victoria mit ihren fünf Söhnen 1890 noch die Sommermonate in Sassnitz. Doch Kühlweins Befürchtungen traten ein und Binz sollte nicht zuletzt wegen des breiten Sandstrandes Sassnitz den Rang ablaufen. Sassnitz, dem der Sandstrand fehlt, punktet heute mit seinem Stadthafen als Mischung aus Fischerei- und Tourismushafen sowie dessen Hafenviertel mit Kneipen, Restaurants und frischem Fisch.
1911 übertraf Binz mit 25.678 Badegästen erstmals Sassnitz, Rügens seinerzeit mit Abstand größtes Seebad, mit 23.439 Besuchern. Zwischen den Weltkriegen erreichte die Zahl der Badegäste von Binz 1928 ihren Höchststand. 39.550. Diese reisten nun nicht mehr nur per Schiff oder Bahn an, sondern setzten sich auch schon ins Auto oder Wasserflugzeug. Der Selliner See diente ab 1926 als regulärer Wasserflughafen. Heute ist Binz Rügens größter Badeort mit 15.400 Gästebetten und jährlich 2,6 Millionen Übernachtungen (2019).
Bismarcks Putbuser Diktat
Auch in Binz hatten die von Putbus in das Geschehen eingegriffen. 1882 fing Fürst Wilhelm Malte II. an, Bauland für den neuen Badeort, wie sich Binz ab 1884 offiziell nennen durfte, zu verkaufen. 1888 übertrug er das Geschäft der eigens vom Berliner Bankhaus Friedländer und Gebrüder Sommerfeld gegründeten „Aktiengesellschaft Ostseebad Binz“.
Zur Eröffnung des neuen Kurhauses am 21. Juli 1890 reiste sogar Kaiserin Auguste Victoria von Sassnitz aus mit einem Schiff an. Kurz darauf machte die Bank pleite und die Brüder Sommerfeld nahmen sich das Leben. Binz erblühte dennoch und versprüht seinen historischen Charme in einem ganzen Ensemble strahlender Bäderarchitektur. Das inzwischen zum Luxushotel sanierte Kurhaus ist bis heute ein Wahrzeichen von Rügen geblieben.
Doch Otto von Bismarck hatte es 1866 noch einmal nach Putbus gezogen. Die Familie bewohnte das Gartenhaus, das Malte I. an der Ostseite des früheren Küchengartens hatte erbauen lassen. Bald schon war es zum Gästehaus geworden und Bismarck diktierte hier seiner Frau Johanna die Grundgedanken für die Verfassung des Norddeutschen Bundes, die fünf Jahre später in der Verfassung des Deutschen Reiches fruchteten. Heute Rosencafé, erinnert eine Gedenktafel an das Putbuser Diktat.
Buchtipp:
Fritz Petrick
Rügens Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart in fünf Teilen
Teil 4: Rügens Preußenzeit 1815–1945
Putbus/Insel Rügen: rügendruck gmbH, 2010, 184 Seiten