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Landespolitik

Mein Feind, der Koalitionspartner

Im Brandenburger „Kenia“-Bündnis geht es zu wie unter unversöhnlichen politischen Gegnern

Hermann Müller
10.05.2023

Vom CSU-Europapolitiker Manfred Weber über den CSU-Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber bis hin zum hessischen Ex-Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) – immer wieder haben sich prominente Unionspolitiker für schwarz-grüne Regierungsbündnisse ausgesprochen. In Brandenburg regieren die Grünen bereits seit 2019 zusammen mit der SPD und der CDU. Das Bild, das diese „Kenia“-Koalition abliefert, ist allerdings keine Empfehlung.

Gut anderthalb Jahre vor einem Superwahljahr, in Brandenburg finden 2024 Landtags-, Europa- und Kommunalwahlen statt, streiten sich die Grünen mit der CDU und der SPD so heftig, wie man es eigentlich nur von erbitterten Feinden erwartet. Wie tief die Gräben in der Koalition mittlerweile klaffen, zeigte sich auf dem Landesparteitag der märkischen Grünen Ende April. Von den beiden Co-Vorsitzenden des Landesverbandes kam auf dem Parteitag derart scharfe Kritik am Koalitionspartner CDU, dass sich dies wie eine Abrechnung mit einem politischen Gegner anhörte.

2024 steht ein Superwahljahr an
Co-Chefin Alexandra Pichl warf der CDU vor, sie „fische“ eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl in der Asylpolitik „am rechten Rand“. Pichl polterte auf dem Parteitag: „Die CDU hat ihr C in dieser Sache schon längst verloren.“ Die Grüne weiter: „Der ehemalige Pfarrer, Innenminister Stübgen, agiert fernab von christlicher Nächstenliebe, wenn er wieder und wieder gegen Geflüchtete hetzt und von vollen Booten fabuliert.“

Jan Redmann, Landesparteichef der CDU und deren Fraktionsvorsitzender im Landtag, warf als Reaktion daraufhin den Grünen „ein gefährliches Spiel“ vor. Pichl versuche, alle, die wie Michael Stübgen zu Recht auf die Überforderung der Gemeinden mit der ungesteuerten Zunahme irregulärer Migration hinweisen, als Hetzer zu verunglimpfen, „um damit von der eigenen Hilflosigkeit abzulenken“, so Redmann.

Die Grünen-Delegierten begnügten sich auf ihrem Landesparteitag allerdings nicht nur damit, die CDU scharf anzugehen. Ohne viel Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD zu nehmen, bezeichnete Petra Budke, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, den Rücktritt der Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) als einen „bildungspolitischen Offenbarungseid“.

Auch auf dem Gebiet der Asylpolitik knirscht es zwischen den Grünen und der SPD kräftig. Im Vorfeld des Flüchtlingsgipfels der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 10. Mai hatte sich Brandenburgs sozialdemokratischer Regierungschef Dietmar Woidke für eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten ausgesprochen. Konkrete Länder nannte einige Tage später dann der CDU-Chef Redmann. Nach dessen Angaben kommen jedes Jahr mehrere hundert Georgier ins Land, bei denen die Anerkennungsquote als Asylbewerber bei Null liege. Auch Kenia und Vietnam sind aus Sicht Redmanns sichere Herkunftsstaaten.

Nach Einschätzung des Brandenburger CDU-Chefs liegt der Anteil der Asylsucher in Brandenburg, die keine Aussicht auf ein Bleiberecht haben, sogar bei 70 Prozent. Völlig andere Vorstellungen hat dagegen Budke. Sie will mit Qualifizierungs-Maßnahmen möglichst vielen Asylsuchern ein Bleiberecht ermöglichen.

„Werden nicht aufhören zu nerven“
Beobachter nennen regelmäßig einen wichtigen Faktor, der die Grünen zu so einem schwierigen Koalitionspartner wie in Brandenburg macht: Die Partei halte bis heute weitgehend an einer Trennung von Amt und Mandat fest. Als Folge haben beispielsweise die beiden Grünen-Minister Ursula Nonnemacher und Axel Vogel ihre Landtagsmandate abgegeben. Auch Mitglieder der Grünen-Landtagsfraktion spielen auf Parteiebene nicht die Rolle wie in anderen Parteien. Die Kehrseite dieser Trennung von Amt und Mandat zeigt sich darin, dass aus der Partei mitunter wesentlich radikalere Forderungen kommen als von den Grünen-Ministern in der Regierung oder von der Fraktion.

Abgemildert wurde dies in der Vergangenheit durch die frühere Grünen-Landesvorsitzende Julia Schmidt. Die 29-jährige Studentin war vom Landesvorstand im Februar zum Rücktritt aufgefordert worden. Begründet worden war dies mit dem Fehlen einer Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit.

Hinter den Kulissen war Schmidt bis dahin allerdings für SPD und CDU ein verlässlicher Ansprechpartner gewesen, wenn für Konflikte innerhalb der Dreierkoalition Lösungen gefunden werden mussten. Ihre Nachfolgerin will diese Vermittlerrolle offenbar nicht übernehmen. Die auf dem Grünen-Parteitag Ende April neu gewählte Co-Landeschefin Hanna Große Holtrup kündigte nämlich unter heftigem Beifall der Delegierten an: „Wir werden nicht aufhören, unsere Koalitionspartner zu nerven.“


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