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Fernsehen

Mein lieber Schwarm

Humbug trifft auf Prophetie – Ambitionierte TV-Serie nach Frank Schätzings auflagenstarkem Öko-Thriller

Anne Martin
06.03.2023

Die ersten Filmszenen zeigen aufgeregte Urlauber in einem Hafen an der Küste Kanadas: Endlich sind Wale in Sicht, endlich kann die Bootstour zum beliebten „Whalewatching“ vor Vancouver Island starten. Aber was als unbeschwerter Ausflug beginnt, führt auf hoher See zu einer Katastrophe. Der riesige Wal, der zum Entzücken der Passagiere steil aus dem Wasser steigt, fällt nicht etwa ins Meer zurück, sondern wirft sich mit seinem massigen Leib quer auf das Boot und zerschmettert den Rumpf. Eine Attacke, die es noch nie gab, ein Mordanschlag, und es wird nicht der einzige bleiben.

Zeitgleich sticht vor der Küste Perus ein Fischer mit seinem Boot in See. Als er unter Wasser versucht, ein verhaktes Treibnetz zu entwirren, zieht sich über ihm ein Schwarm von Fischen zusammen, der Rückweg ist abgeschnitten. Weltweit scheinen sich die Wesen aus der Tiefsee gegen den Menschen zu erheben: Die Verfilmung des Bestsellers „Der Schwarm“ (6., 7., 8., 9. März, jeweils um 20.15 Uhr in Doppelfolgen im ZDF) zeigt die Angriffe aus dem Meer in spektakulären Bildern und einmaligen Unterwasseraufnahmen.

Aufwendigster deutscher TV-Film

Da ist der Sternekoch an der französischen Atlantikküste, der einen Hummer aufbricht und plötzlich mit giftigem Schleim bespritzt wird. Wenige Minuten später sackt er sterbend zusammen. Weitere Opfer werden folgen, denn längst ist das Trinkwasser durch die Entsorgung mit Hummerabfällen vergiftet.

Bald darauf entdecken Wissenschaftler riesige Eiswürmer einer unbekannten Art, die Kontinentalhänge am Meeresboden unterhöhlen und damit Erdrutsche und gewaltige Tsunamis auslösen. Vor Long Island flüchten die Menschen vor einer Krabbeninvasion. Venedig leidet unter einer Quallenplage. Unbekannte Muschelarten blockieren die Steuerruder von Schiffen. Das Unheimliche: Gerieten die giftgetränkten Hummer noch durch Zufall in Kontakt mit Menschen, so kamen die Krabben wie von unsichtbarer Hand gesteuert selbstständig an Land. Ein internationales Forscherteam wagt das schier Unmögliche zu denken: Steckt hinter den Attacken die Strategie eines unsichtbaren Gegners? Was sie vermuten, kollidiert mit allem, worauf sich die konventionelle Wissenschaft bisher berief. Und die Angriffe aus der Tiefsee gehen weiter.

Was Frank Schätzing in seinem bereits 2004 erschienenen Bestseller „Der Schwarm“ auf rund 1000 Seiten beschreibt, wirkt heute angesichts der weltweiten Wetterphänomene geradezu prophetisch. Lange galt eine Verfilmung seiner Dystopie vom Aufstand der Meereswesen gegen die menschliche Zerstörungswut als unmöglich. Über ein Jahrzehnt dauerte es bis zur Umsetzung der mit 40 Millionen Euro aufwendigsten deutschen TV-Produktion aller Zeiten, für die kurz vor seinem Tod 2010 anfangs auch Italiens Produzentenlegende Dino de Laurentiis im Gespräch war.

Fünf Co-Produzenten waren letztlich an dem Öko-Thriller beteiligt, Schauspieler aus mehr als zehn Ländern spielen mit, neun Tage wurde in Wassertanks gedreht, am Set herrschte ein babylonisches Sprachengewirr von sechs Sprachen. Die Forderung nach mehr Diversität am Set, in manchen Fernsehfilmen allzu bemüht umgesetzt, wirkt hier glaubwürdig, denn die Schauplätze wechseln in schneller Folge zwischen Peru, Kanada, Japan, Deutschland, Italien, Schottland, Norwegen bis hinauf zur Arktis.

Kampf in James-Bond-Manier

Die wenigen deutschen Schauspieler wirken an entscheidender Stelle mit: Fassbinder-Star Barbara Sukowa, seit Langem in New York zu Hause, spielt die deutsche Wissenschaftlerin Katharina Lehmann, welche die Vorstellung einer fremden Intelligenz in der Tiefsee brüsk abstreitet. Leonie Benesch ist die junge Doktorandin Charlie Wagner, die in einer kargen Hütte auf den Shetland-Inseln vor Schottland stationiert ist. Oliver Masucci steuert als Kapitän ein Forschungsschiff, das gegen Ende zu einer gefährlichen Mission aufbrechen wird. Mit an Bord: TV-Moderator Klaas Heufer-Umlauf als Experte für Tauch-Roboter. Franziska Weisz spielt eine Ärztin, welche die Angst vor einer drohenden Apokalypse beschwört.

Noch regnet es keine Frösche vom Himmel wie in den biblischen Plagen des Alten Testaments, dafür stürmen Krabben ohne Augen, aber mit riesigen Scheren an Land. „Plagen bringen uns zum Nachdenken darüber, ob wir sie hervorgerufen haben“, so Weisz als Sophia Granelli. Ihre Kollegin ergänzt, man wisse über das Weltall mehr als über die Tiefsee.

Anders als im Original stehen sich im spannenden Finale keine Vertreter der kanadischen Urbevölkerung und eine besessene Wissenschaftlerin gegenüber, die in James-Bond-Manier kämpft. Als Mäzen der Tiefsee-Expedition wird stattdessen ein japanischer Millionär eingeführt.

Im Fokus steht die Rivalität zwischen Wissenschaft und jener kleinen Forschergruppe, die visionär zu denken wagt: Soll man die unbekannte Intelligenz bekämpfen oder eher versuchen, Kontakt aufzunehmen? Der Leiter der Gruppe setzt auf Verständigung: „Ich werde sie bitten, aufzuhören und werde ihr entgegenkommen“, so Meeresbiologe Sigurd Johnson (Alexander Karim). Die letzte Entscheidung wird bei Charlie liegen, die dem Tsunami nur knapp entkommen ist, die ein geheimnisvolles Licht vor dem Fenster des sinkenden Forschungsschiffes „Juno“ aufsteigen sah und die nun auf der „Thorvaldson“ mitfährt, um in der Arktis den Kontakt zu jener Macht zu suchen, welche die Forscher „Yrr“ nennen und die von Schätzing als gallertartiges Lichtphänomen beschrieben wird.

„Es pilchert mehr, als es schwärmt“

Der Autor, der sein Werk anfangs als ausführender Produzent vorantreiben wollte, aber wegen Differenzen mit einem hauptverantwortlichen US-Drehbuchautoren vor Drehbeginn ausstieg, zeigte sich vom Ergebnis enttäuscht. Wie Schätzing kurz vor der Ausstrahlung in der „Zeit“ äußerte, erlebt er die Fernsehversion seines Buches als „rühr- und redseliges Beziehungskisten-TV. Es pilchert mehr, als es schwärmt.“ Die globale Bedrohung würde nicht deutlich, es fehle an aktuellen Bezügen. Er hätte gerne eine Milliardärin eingeführt, die ihr Geld mit Künstlicher Intelligenz gemacht hat.

„Der Schwarm“, an vier Abenden gesendet, wird von zahlreichen redaktionellen „Beibooten“ flankiert, etwa zwei Dokumentationen zum Film (6. und 8. März, jeweils um 21.45 Uhr). Teil eins untersucht, wie wirklichkeitsnah die im Film dargestellten Phänomene sind, ob etwa Wale wirklich so gefährlich sind. Teil zwei beschreibt rätselhafte Vorkommnisse wie einen jährlichen Quallen-Alarm in israelischen Kraftwerken. Die Reihe „Terra X“ beschäftigt sich in zwei Folgen mit der Schwarmintelligenz von Bienen, Staren und Ameisen (5. März um 19.30 Uhr).

Außerdem präsentiert eine Folge von „planet e“ neue Nahrung aus dem Meer, etwa Quallenchips und Algenpesto (5. März um 15.45 Uhr). Über die Gefährdung der Ozeane und mögliche Hilfe berichtet die Sendung „SOS Ozean“ (7. März um 21.45 Uhr). Auch Autor Frank Schätzing wird porträtiert („Mein Schwarm“, 9. März um 0.40 Uhr und Mediathek).


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Kommentare

Michael Holz am 08.03.23, 23:00 Uhr

Im Gegensatz zum Buch ist der Film einfach nur schlecht. Schätzing sagt ja selbst es wird mehr gepilchert als geschwärmt. Nach zwei Teilen war Schluss, ich habe den Schwarm zum Teufel geschickt. Armer Schätzing, das haben deine Fische und Meeresbewohner nicht verdient!

Daniel Deutsch am 06.03.23, 10:45 Uhr

Übrigens ist die Zahl der Opfer wetterbedingter Katastrophen in den letzten, glaub ich, 100 Jahren um 90% zurückgegangen. Nichts mit Prophezeiung.
Klimawahn.

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