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Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz setzen einen ersten Trend für das „Superwahljahr 2021“. Und dieser verspricht weit mehr Dramatik als bislang vermutet
Als am 22. Januar dieses Jahres der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet das Rennen um den CDU-Vorsitz entschied, schien klar, dass entweder er oder der bayerische Ministerpräsident Markus Söder der Kanzlerkandidat der Union im kommenden Herbst sein würde – und somit einer von beiden der nächste Bundeskanzler. Zu stabil standen seit Monaten die Meinungsumfragen, als dass irgendjemand daran gezweifelt hätte, dass gegen die Union eine Regierung gebildet werden könnte.
Doch nach den Ergebnissen der gestrigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz dürfte diese Selbstgewissheit dahin sein. Verluste von 2,9 und 4,1 Prozent sowie historische Tiefstwerte in Ländern, die jahrzehntelang von schwarzen Ministerpräsidenten dominiert worden waren, sind ein Befund, an dem niemand vorbeikommt. Vor allem zeigen beide Länder, dass mit einer Koalition aus sich bürgerlich gebenden Grünen und Sozialdemokraten sowie den Liberalen plötzlich auch im Bund eine Perspektive für eine Regierungsbildung jenseits der Union vorhanden ist.
Die Ursachen dafür sind keinesfalls nur in dem jüngsten Skandal um die Bereicherung einiger Unionsabgeordneter im Bundestag zu suchen. Hier hat die Bundestagsfraktion vergleichsweise schnell und entschieden gehandelt, sodass das Fehlverhalten Einzelner kaum an den beiden Schwesterparteien hängen bleiben dürfte. Viel gewichtiger dürfte da schon das gesamte Corona-Management der letzten zwölf Monate gewesen sein, für das die CDU in der Person der Bundeskanzlerin, des Gesundheitsministers und des Wirtschaftsministers maßgeblich die Verantwortung trägt. Zwar profitierte die Union in den Umfragen lange von der Sehnsucht der Deutschen nach sicherer Führung in unsicheren Zeiten, doch ließen allzu viele Pannen in jüngster Zeit eben auch Zweifel aufkommen, ob die Union mit ihrem derzeitigen Personal diese sichere Führung auch bieten kann.
Für die Christdemokraten rächt sich zudem, dass sie in den vergangenen Jahren jeden programmatischen Schwenk der Bundeskanzlerin mitgemacht haben, sodass – wie es unlängst der treue Parteisoldat Wolfgang Bosbach formulierte – heute niemand mehr sagen kann, wofür die Union eigentlich steht. Den Wahlkämpfern der Partei draußen im Lande fehlt somit die Möglichkeit, den Wählern zu erklären, warum sie ihr Kreuz bei der CDU machen sollen.
Neben der bislang unterbliebenen programmatischen Erneuerung rächt sich nicht zuletzt auch, dass Armin Laschet nach der Eroberung des Parteivorsitzes weiterhin brav unter der Kanzlerin Angela Merkel agieren muss. Damit wird insbesondere die CDU weiterhin für eine Politik in Haftung genommen, auf die sie kaum noch einen Einfluss hat. Insofern muss Armin Laschet dringend klären, wie er unter oder neben der Kanzlerin an Profil gewinnt – ansonsten droht mit dem Ende der Ära Merkel auch das Ende einer dann kurzen Ära Laschet.
Die Ergebnisse der Anderen
Übertrieben waren an diesem Wahlabend wie seit langem die um 18.00 Uhr erklungenen Jubelstürme der Grünen. Zwar konnten sie in ihrem Vorzeigeland Baden-Württemberg mit ihrem prominenten Landesvater Winfried Kretschmann um 2,3 Prozent und in Rheinland-Pfalz gar mit 4,0 Prozent zulegen. Doch sieht ein überzeugender Aufbruch anders aus.
Zumal parallel die SPD weiter schwächelt. Zwar sind die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz wieder stärkste Kraft geworden, gleichwohl mussten sie Verluste hinnehmen. Und dies trotz der Popularität ihrer Ministerpräsidentin Malu Dreyer. In Baden-Württemberg sind die Genossen mit 11 Prozent gerade noch zweistellig geworden. Was zeigt, dass die Sozialdemokraten dort, wo sie über keinen Amtsbonus prominenter Genossen verfügen, weniger um die Spitzenpositionen kämpfen als vielmehr dagegen, bedeutungslos zu werden.
Und trotz der sowohl vor als auch nach Schließung der Wahllokale durch geneigte Medien verbreiteten Euphorie zeigt sich wieder einmal, dass die Zuwächse und Verluste der Grünen und Sozialdemokraten weitestgehend zugunsten beziehungsweise zulasten des jeweils anderen gehen. Das linke Lager hat keine eigene Mehrheit.
Die AfD als größte Oppositionspartei im derzeitigen Bundestag hat an dem gestrigen Wahlsonntag erheblich Federn lassen müssen und ist mit 9,7 und 8,3 Prozent in beiden Ländern nur noch einstellig. Gleichwohl hat die Partei gezeigt, dass sie sich endgültig im deutschen Parteienspektrum etabliert hat. Dass die Blauen trotz einer Pandemie, in deren Verlauf traditionell die Regierungsparteien ins Rampenlicht rücken, trotz des Geraunes um eine etwaige Einstufung als „Prüffall“ durch den Verfassungsschutz, trotz des offensichtlichen Boykotts durch die etablierten Medien und trotz der innerparteilichen Flügelkämpfe noch immer bei zehn Prozent stehen, zeigt, dass sie über ein stabiles Wählerpotential verfügen. Allerdings zeigen die Ergebnisse des heutigen Tages auch, dass die Zeiten, in denen die AfD scheinbar mühelos an Stimmen zulegte, vorbei sind.
Zurück im politischen Geschäft sind die Liberalen. Nicht nur, dass die Freien Demokraten in Baden-Württemberg um 2,2 Prozent zugelegt haben – auch die Tatsache, dass sie wieder als möglicher Mehrheitsbeschaffer infrage kommen, dürfte sie in den nächsten Tagen und Wochen zu einem gefragten Gesprächspartner machen. Trotz ihres Jubels am Wahlabend wissen Grüne und Sozialdemokraten, dass sie für eine Mehrheit jenseits der Union auf die Liberalen angewiesen sind. Die bisherige Koalition in Rheinland-Pfalz in den letzten fünf Jahren hat zumindest schonmal gezeigt, dass ein solches Bündnis reibungslos funktionieren kann.
Für die Linkspartei zeigt sich einmal mehr, dass sie weiterhin eine Regionalpartei aus den neuen Bundesländern bleibt. Im Westen Deutschlands spielt sie keine Rolle.
Perspektivisch spannend ist nicht zuletzt das Ergebnis der Freien Wähler. Ihre 5,4 Prozent in Rheinland-Pfalz zeigen, dass es – wie es die PAZ in den vergangenen Wochen wiederholt berichtete – im bürgerlichen Lager der bundesrepublikanischen Gesellschaft nach wie vor eine Repräsentationslücke gibt, die von den bisherigen im Bundestag vertretenen Parteien nicht abgedeckt wird. Zu diesem Befund passt auch, dass die „Sonstigen Parteien“ in beiden Ländern über acht Prozent erhielten.
Wie repräsentativ sind die Ergebnisse?
Zu guter Letzt noch etwas zur Aussagefähigkeit der gestrigen Ergebnisse: Natürlich sind es „nur“ zwei Bundesländer, die am 14. März 2021 abgestimmt haben. Zudem zwei Länder aus einer bestimmten Ecke Deutschlands, deren Rahmenbedingungen keinesfalls repräsentativ für das ganze Land sind. Aber es sind immerhin zwei Länder, in denen zusammen rund 15 Millionen Einwohner zuhause sind – und somit rund 20 Prozent der Bundesbürger.
Zur Erinnerung: Vor vier Jahren waren es ein paar Hunderttausend Saarländer, die die bis dato vorherrschende Euphorie um Martin Schulz (SPD) implodieren ließen. Insofern ist mit dem heutigen Ergebnis durchaus ein erster gewichtiger Trend gesetzt. Das „Superwahljahr 2021“ könnte weitaus dramatischer werden als bislang allgemein vermutet!
PS: Der Beitrag wurde am gestrigen Wahlsonntag aufgrund der ersten Prognosen und Hochrechnungen verfasst und am heutigen Montag aufgrund des vorläufigen amtlichen Endergebnisses in beiden Ländern geringfügig verändert.
Marco Stein am 19.03.21, 12:13 Uhr
Am Ende ist es egal wer mit wem koaliert, solange es für 50,1% gegen die AfD reicht. Und das ist mehr als wahrscheinlich. Seit Thüringen ist klar, dass die CDU notfalls auch mit der LINKE ins Bett steigt. So werden also die selben Parteien, bestenfalls etwas anders durchgemischt, die selbe Politik betreiben und sich weiter für Lockdown, Zerstörung der Wirtschaft, Masseneinwanderung Schwerstintergrierbarer, Überwachung, Beschneidung der Grundrechte, Auflösung der staatlichen Souveränität, Schuldenunion der EU, Transformation der Gesellschaft, Big Reset Fantasien.....einsetzen und sich für diese Politik, die sich am Ende gegen den Souverän, also die Deutschen Staatsbürger, richtet auch noch vom Wähler legitimiert fühlen. Zu schade, dass die allermeisten Wählergenau genau das nicht durchschauen. Es wird deshalb in Zukunft weder Normalität wie vor Corona geben, noch Politik für Deutschland bzw. Deutsche. Dazu liegt den Etablierten Deutschland und seine Staatsbürger zu wenig am Herzen.
sitra achra am 15.03.21, 13:47 Uhr
@Michael Holz: das sehe ich genauso!
Das Wahlergebnis zeigt, dass die Bundestagswahl alles andere als spannend wird. Same procedure as every year, James.
Der gemeine Bubü hat einen Speckring angesetzt und leidet an Gehirnverfettung. Er hält, stockkonservativ (im negativen Sinne) wie er ist, an seinem angeblichen Besitzstand fest und hofft, dass die Vorcoronazeiten wiederkommen. Die Grünen ernennt er daher zur neuen CDU. Sie sollen die guten alten Zeiten durch Weltrettungsaktionen bewahren. Dann ist er sogar dazu bereit, auf Etliches zu verzichten, z.B. auf Fernreisen und Fleischkonsum uvm.
Aber Pustekuchen! Die große Transformation steht an, und die wird sicherlich in der Art sein, wie Klaus Schwab sie prognostiziert.
Brave new world! Get prepared!
Peter Rösch am 15.03.21, 11:28 Uhr
Was diese Ausführungen zur AfD angeht, lese ich hier vor allem Quatsch. Wer hätte denn wirklich noch zweifeln wollen, dass die AfD "sich etabliert" hat? Wie kann man bereits das Erfolg verkaufen wollen? Als sei "das Etablieren" ein Wert für sich. - Das ist ja das Problem, als was eigentlich (!) hat sich die AfD einstweilen etabliert? Wirksamem Widerstand hat die AfD eine Absage erteilt.
89 erlebt Schlömmer am 15.03.21, 09:52 Uhr
Die "Ära" Merkel wird nicht nur wirtschaftlich ein kaum mehr reparables Desaster nach sich zeihen, auch gesellschaftlich gleitet dieses Land nun unaufhaltsam in eine DDR mit grünem Anstrich ab. Merkel hat ihre Truppe soweit nach links-grün verschoben, damit ihren Kellner Dienst erledigt. Ihre CDU kann jetzt weg und mit ihr geht der Rest an Konservativität des Landes in der rot-grünen Mehrheit unter. Viele Grüße, ich komme aus der DDR, ich komme aus der Zukunft. Wer hätte das 89 je erwartet. Nach 2005 ich schon.
Michael Holz am 14.03.21, 19:02 Uhr
Alles wie gehabt, keine großen Veränderungen im Land der Kartoffel und des Spätzle. Die Einen bekommen etwas abgenommen, was die Anderen einheimsen. Aber dieser Austausch erfolgt auf nur auf einer politischen Seite. Die andere Hälfte schläft weiter. Die Wähler bekommen das, was sie gewählt haben und die Nichtwähler gar nichts.