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Vater des nichtmarxistischen, reformorientierten Flügels der deutschen Arbeiterbewegung – Vor 200 Jahren kam er in Breslau zur Welt
Friedrich Merz treibt derzeit auf die Spitze, was die deutsche Linke eingefordert hat: eine Brandmauer der „demokratischen“ Parteien zu jenen Kräften, die nicht dazugehören sollen. Der Ausschluss wesentlicher Teile der Bevölkerung vom politischen Willenbildungsprozess war allerdings auch schon im 19. Jahrhundert eine Pflanze, die sich durch härtesten Boden hindurcharbeitete. Der vor 200 Jahren, am 11. April 1825, in Breslau geborene Vordenker der deutschen Arbeiterbewegung Ferdinand Lassalle, dessen Nachname ursprünglich Lassal lautete, formulierte 1863 gegenüber dem Leipziger Arbeiterkongress: „Es ist geradezu vollständig beschränkt, zu glauben, daß den Arbeiter die politische Bewegung und Entwickelung nicht zu kümmern habe! Ganz im Gegenteil kann der Arbeiter die Erfüllung seiner legitimen Interessen nur von der politischen Freiheit erwarten.“ Politische Teilhabe auf Augenhöhe, so die Botschaft des Sohns eines wohlhabenden jüdischen Seidenhändlers.
Lassalle war schon als Jugendlicher ein Draufgänger, forderte er doch bereits als Zwölfjähriger einen anderen Buben schriftlich zum Duell im Ringen um das weibliche Geschlecht. Eine Hingabe, die ihm 1864 angesichts einer nochmaligen Forderung das Leben kosten sollte.
Lassalle studierte bereits vor seiner Reifeprüfung Hegelsche Schriften, anschließend ab 1843 in Breslau und Berlin Geschichte, Archäologie, Philosophie und Philologie. Er trat der Breslauer Burschenschaft der Raczeks bei und fand Gefallen an demokratischen und sozialistischen Ideen.
1845 reiste Lassalle nach Paris und knüpfte Kontakte zu deutschen Revolutionären im Exil sowie zu französischen Frühsozialisten. In Frankreichs Hauptstadt traf er Heinrich Heine und änderte seinen Nachnamen von Lassal in Lassalle in Anlehnung an Antoine Charles Louis de Lasalle. Letzterer war ein französischer Kavalleriegeneral während der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege und gilt als der größte General der leichten Kavallerie seiner Zeit.
Mit 20 Jahren lernte er die doppelt so alte Gräfin Sophie von Hatzfeldt in Berlin kennen. Um sie in ihrem aufsehenerregenden Scheidungsprozess, den er als symbolischen Kampf gegen Adelsprivilegien begriff, juristisch unterstützen zu können, vertiefte Lassalle seine juristischen Kenntnisse.
Während der 48er Revolution trat Lassalle als Redner und Journalist auf der Seite von Karl Marx und Friedrich Engels auf und rief zum bewaffneten Kampf auf. Es folgten eine Verhaftung, eine Verurteilung und eine sechsmonatige Haftzeit. Sein Gesuch um Aufnahme in den „Bund der Kommunisten“ scheiterte an Vorbehalten wegen seiner angeblichen Nähe zum Adel. Während andere Sozialisten und Kommunisten sich ob des Scheiterns der Revolution ins Exil absetzten, blieb Lassalle nach der Haftentlassung im Lande. Deshalb bezeichnete er sich gelegentlich nach dem zweiten Roman aus James Coopers „Lederstrumpf“-Serie um den Trapper Natty Bumppo als den „letzten Mohikaner“.
Lassalle blieb aktiv in revolutionär gesinnten Arbeiterzirkeln. Ein von ihm gegründeter Zusammenschluss in Düsseldorf verfolgte das Ziel der politischen Schulung von Arbeitern. Ab 1857 lebte er wieder in Berlin, wo er über den vorsokratischen Philosophen Heraklit von Ephesos publizierte, 1858 sein Drama „Franz von Sickingen“ verfasste sowie Kontakte zu seinem Verleger Franz Duncker und dem Chefredakteur der politisch-satirischen Zeitschrift „Kladderadatsch“, Ernst Dohm, unterhielt. Hinsichtlich der deutschen Frage präferierte Lassalle, anders als seine früheren Weggefährten Marx und Engels, die kleindeutsche Lösung, ohne Österreich und unter Preußens Führung.
Einen Meilenstein bildete seine Rede „Über den besonderen Zusammenhang der gegenwärtigen Geschichtsperiode mit der Idee des Arbeiterstandes“ vom April 1862. Bekannt als „Arbeiterprogramm“, stieß sie eine breite Diskussion in Arbeiterkreisen an. Darin lehnte er Streiks als unzureichendes Mittel ab und sah stattdessen die parlamentarische Mitwirkung als effektiven Weg zu besseren Löhnen und Lebensumständen. Diese Abkehr von der revolutionären Umwälzung bedeutete den endgültigen Bruch mit Marx.
Beeindruckt von seinen Ideen lud eine Leipziger Arbeitergruppe Lassalle noch im selben Jahr ein, die Leitung eines gesamtdeutschen Arbeiterverbandes zu übernehmen. Daraus ging 1863 der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) hervor, eine der Wurzeln der heutigen SPD.
Hinter verschlossenen Türen traf sich Lassalle mehrmals mit Otto von Bismarck, um diesem gegenüber eine Lanze für das allgemeine Wahlrecht zu brechen. Im Gegenzug bot er dem preußischen Ministerpräsidenten Unterstützung im deutsch-deutschen Dualismus an. Zu einer engeren Zusammenarbeit kam es nicht mehr.
Aus enttäuschter Liebe forderte Lassalle den Vater von Helene von Dönniges zum Duell. Der aber ließ sich durch den Verlobten seiner Tochter vertreten. Bei dem Pistolenduell am Morgen des 28. August im Wäldchen von Carouge bei Genf wurde Lassalle letztlich tödlich in den Unterleib getroffen. Er starb drei Tage später (siehe PAZ vom 30. August 2014).
Lassalles Ideen klingen bis heute nach, etwa in seinem „ehernen Lohngesetz“, das davon ausgeht, dass der durchschnittliche Arbeitslohn stets „auf den notwenigen Lebensunterhalt reduziert“ bleibt. Doch während Lassalle davon ausging, dass ansteigende Löhne zu mehr Bevölkerung mit weniger Geld führten, zeigt heute jeder Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns, dass die Preise steigen. Auch seine Vorstellung vom Weg zu Solidarität und Freiheit hat sich letztlich nicht bewahrheitet. „Im Mittelalter herrschte die Solidarität der Interessen in den Formen der Unfreiheit, in der Gegenwart herrscht die Freiheit ohne alle Solidarität, die Zukunft wird die Solidarität in den Formen der Freiheit bringen“, so Lassalle. Das DDR-Regime erzwang die Solidarität durch Unfreiheit. Doch zumindest seine Leidenschaft für gleichberechtigte politische Teilhabe aller von Politik Betroffenen weist einen sehr aktuellen Bezug auf, den auch die heutigen Sozialdemokraten nachdenklich zur Kenntnis nehmen dürften.
sitra achra am 14.04.25, 15:50 Uhr
Da es heutzutage kaum noch Arbeiter gibt, ist der Sozialismus ein obsoleter Anachronismus, der endlich in die Grube gehört.
Gregor Scharf am 12.04.25, 12:19 Uhr
Nachdenklich stimmt eigentlich nur die Tatsache, dass er nichts von Arbeit zu halten schien und lieber seine Gedanken schweifen ließ, um die Arbeitenden und somit Schaffenden zu verwirren. Es ist immer das Gleiche mit diesen Philosophen. Sie leben nach dem Motto „Arbeit geh weg, ich komme“ und richten Chaos an.