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Bei den EU-Wahlen wirbt eine rechtskonservative Allianz mit dem Konterfei des transsylvanischen Fürsten
In Bukarest und anderswo in Rumänien werben auf riesigen Plakaten die Kandidaten nahezu aller Parteien für die Europawahl mit ihren Gesichtern. Die rechtskonservative Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) hat jedoch ganz andere Motive gewählt: so etwa das von Vlad III. Drăculea, dem Fürsten der Walachei im 15. Jahrhundert und Sohn von Vlad II. Dracul.
Die AUR stellt sich als Anti-System-Allianz dar. Nach eigenen Angaben kämpft sie gegen „ausländische Unternehmen, die Ressourcen stehlen, und gegen korrupte Eliten, ob in Rumänien oder in Brüssel“. Bei der Vorstellung ihrer Kandidaten für die Europawahlen Anfang April verglichen deren Redner die Europäische Kommission mit der osmanischen „Erhabenen Pforte“, dem Erzfeind von Vlad, auch genannt Tepes, der Pfähler.
Drăculea inspirierte im 19. Jahrhundert den irischen Autor Bram Stoker zu seiner Figur des blutsaugenden Vampirs Dracula. Dessen Porträt findet sich auf AUR-Plakaten neben denen Stephans des Großen, des Fürsten der Moldau, und Michaels des Tapferen, eines Woiwoden, der als erster Vereiniger der drei rumänischen Regionen mit Transsylvanien gilt.
Das Schloss Törzburg/Bran, das als Dracula-Schloss gilt, liegt im historischen Siebenbürgen bei Kronstadt. Vlad III. wurde um 1431 angeblich in Schäßburg – ebenfalls in Siebenbürgen – geboren. Von 1448, 1456 bis 1462 und im Jahr 1476 war er Woiwode des Fürstentums Walachei im Auftrag der Osmanen, gegen die er sich jedoch auflehnte. Aus der Walachei erwuchs im 19. Jahrhundert Rumänien.
Der Pfähler als Heldengestalt
Der Beiname Drăculea (zu Deutsch: „Der Sohn des Drachen“, von lateinisch draco = Drache) leitet sich nach der von Historikern akzeptierten These von der Mitgliedschaft seines Vaters Vlad II. Dracul im Drachenorden Kaiser Sigismunds ab. Dieser Beiname wurde bisweilen auch als „Sohn des Teufels“ (miss-)verstanden, da das rumänische Wort drac auch ein Fluchbegriff ist und so viel wie „Teufel“ heißt.
Die deutschen Siedlungen in Siebenbürgen, die im 13. Jahrhundert entstanden sind, konnten dank ihrer zu Wehrburgen ausgebauten Kirchen von den Osmanen nie erobert werden, deshalb dienten sie auch den Walachen, wie die Rumänen damals hießen, als Rückzugsräume bei den osmanischen Vergeltungsschlägen.
Während historische Erzählungen, insbesondere siebenbürgisch-sächsische und osmanische, Vlad Tepes als blutrünstigen und grausamen Tyrannen darstellen, ist Vlad der Pfähler in der nationalen Erzählung Rumäniens eine Heldengestalt. Im 19. Jahrhundert, als sich das heutige Rumänien mithilfe Russlands und des Königshauses Hohenzollern-Sigmaringen vom Osmanischen Reich endgültig löste, nahmen ihn die rumänischen Nationalisten in das Pantheon der Helden auf. Er kämpfte mit seiner kleinen Armee gegen den Sultan und pfählte ihn.
Die Büste des Pfählers steht am Eingang der Nationalen Antikorruptionsbehörde in Bukarest. In den slawischen Erzählungen wurde seine gerechtfertigte Gewalt, mit der er für Ordnung sowie Gerechtigkeit sorgte und die Korruption bekämpfte, als nahezu göttlich empfunden.
2024 ist Super-Wahljahr
Es ist erstaunlich, dass die AUR, welche die christlich-orthodoxe Religion besonders hervorhebt, unter anderen mit Kriegern wirbt anstatt mit Heiligenfiguren, welche die im Lande verwurzelte Orthodoxie repräsentieren. Allerdings war auch Vlad der Pfähler weder besonders christlich noch wählerisch: Er pfählte sowohl Muslime als auch Christen. Als ein ähnlicher Systemsprenger tritt die AUR auf.
Der populistische Diskurs dieser Allianz zieht die von der derzeitigen politischen Klasse Enttäuschten an. In Rumänien ist sie ist die einzige politische Kraft, der das gelingt. Für die AUR ist es aufwertend, sich auch das Bild des Pfählers anzueignen. Es vermittelt das Bild eines Rumänien, das eine Heldengeschichte mit mächtigen Führern hatte, was man im 20. Jahrhundert nicht sagen konnte, denn allein im Zweiten Weltkrieg hat Rumänien drei Mal die Seiten gewechselt, um immer zu den Gewinnern zu gehören.
Die Allianz AUR liegt derzeit in Umfragen hinter dem liberal-sozialistischen Bündnis PSD-PNL auf dem zweiten Platz. Für 2024 sind in Rumänien drei weitere Wahlen geplant: die Kommunalwahlen zusammen mit den Europawahlen, dann die Präsidentschaftswahlen und die Parlamentswahlen am Ende des Jahres. Bei den Präsidentschaftswahlen darf Klaus Johannis nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Die AUR, die laut Prognosen bei allen Wahlen unter den drei führenden Parteien ist, wird bevorzugt von jungen Menschen gewählt.