17.09.2024

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Auf dem Weg nach Allenstein mit einem Mercedes-Benz 12, der immerhin 55 PS unter der Haube hatte und bis 1929 gebaut wurde
Foto: klassiker-runde-wetterau.comAuf dem Weg nach Allenstein mit einem Mercedes-Benz 12, der immerhin 55 PS unter der Haube hatte und bis 1929 gebaut wurde

Provinz Preussen

Mit Tempo 39 durchs Ordensland knattern

1929 veranstalteten der AvD sowie der ADAC spektakuläre Rallyes und Rundfahrten durch ostpreußische Lande

Jürgen Ehmann und Jens Eichler
06.09.2024

Bei so manchem Autolieber fing es an zu kribbeln, als an jenem Sonntag im Mai 1929 unter „Bevorstehende Sportereignisse“ folgender Text in der Zeitung zu lesen war: „Der Bezirk 14 des Automobilclubs von Deutschland (AvD) veranstaltet im Einvernehmen mit dem Ostdeutschen Automobil-Club und dem Automobilclub von Westpreußen am 1. Juni eine Zielfahrt nach Marienburg und am 2. Juni eine Zuverlässigkeitsfahrt, die von Marienburg über Marienwerder, Dt. Eylau, Osterode, an dem Tannenberg-Denkmal bei Hohenstein vorbei nach Allenstein, Wartenburg, Bischofsburg, Lötzen, Rastenburg und Königsberg führt. Für diejenigen Automobilisten, welche die Strapazen der Zuverlässigkeitsfahrt scheuen, wird im Anschluss an die Sternfahrt nach Marienburg eine Gesellschaftsfahrt vorgesehen, die über Marienwerder, Deutsch Eylau, Osterode, an dem Tannenberg-Denkmal vorbei nach Allenstein, Heilsberg, Königsberg führt und durch die Besichtigung der Burgen in Marienwerder und Heilsberg sowie das Befahren der landschaftlich außerordentlich reizvollen Gebiete sehr interessant zu werden verspricht.“

Durch den polnischen Korridor
Auch das Interesse von Gerhard Mohrawitz war geweckt. Insbesondere, da er vor Jahren die Heimat verlassen hatte, um Arbeit in Berlin zu erhalten. Vielleicht könnte er sogar in Verbindung mit der Rallye seine Verwandten in Deutsch-Eylau treffen, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte? Also informierte er sich beim Bezirk 14 des AvD und erhielt postwendend eine mit Bildern ausgestattete Ausschreibung zugesandt.

Die Veranstaltung sollte nach der Abtrennung Ostpreußens vom Deutschen Reich und der Errichtung des Polnischen Korridors gemäß des Versailler Friedensdiktats von 1918 den teilnehmenden deutschen Automobilisten das Deutschtum des Ostens in Erinnerung bringen. Die Ankunft für die Zielfahrt nach Marienburg war zwischen 16 bis 20 Uhr vorgesehen, verbunden mit einer Begrüßungsfeier im großen Remter der Marienburg, an welcher die Mitglieder der Königsberger Oper Rudolf Balve, Klinder und Strahlendorf mit Gesangsvorträgen teilnehmen sollten. Natürlich erhielt jeder Teilnehmer auch eine extra für diese Veranstaltung kreierte Erinnerungsplakette. An der für die Mitglieder des AvD beziehungsweise des Ostdeutschen Damen-Automobil-Clubs reservierten Zuverlässigkeitsfahrt waren auch alle Lizenzinhaber, die ihren Wohnsitz in Ost- und Westpreußen sowie in Danzig hatten, als auch alle Reichswehr- und Polizeiangehörigen im Besitz einer Fahrerlizenz, teilnahmeberechtigt. Verlangt wurde eine Geschwindigkeit von 39 bis 50 Kilometern pro Stunde für serienmäßige Tourenwagen, für Sportwagen wurde je nach Hubraum ein Tempo zwischen 42 bis 52 Stundenkilometern gefordert.

Zwei Siege für Mercedes
Für die eher gemütliche Gesellschaftsfahrt waren ausreichend viele Pausen vorgesehen, um den Teilnehmern die Möglichkeit zur ausgiebigen Besichtigung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu geben. Rallye ja, Hast nein! Dazu war es dem AvD und den ihm befreundeten ausländischen Organisationen, insbesondere dem Automobilklub Polski, gelungen, dass die Grenzpassierscheine in Anpassung europäischer Länder ab dem 14. Mai 1929 anstelle eines dreimonatigen Aufenthalts zu einem einjährigen Aufenthalt in Polen berechtigten. Die veranstaltete Fahrt „Durch deutsches Ordensland“ traf daher überaus aus große Resonanz. Eine genaue Teilnehmerzahl für die 471 Kilometer lange Strecke konnte bis heute nicht ermittelt werden. Dafür aber sind die Sieger bekannt: Zwei Mercedes-Benz-Fahrer belegten die ersten beiden Plätze in der Gesamtwertung.

Aber der AvD, der 1899 in Berlin gegründet wurde, war bei Weitem nicht die einzige Vereinigung, die Autofahrer durch Ostpreußen tuckern ließ. Denn auch der ADAC stand dem in nichts nach. Der 1903 als Deutsche Motorradfahrer-Vereinigung in Stuttgart formierte Verein, hatte schon länger seine als Ostpreußenfahrt titulierte Rallye im Kalender stehen. So auch im Jahr 1929, als es vom 3. bis 5. Mai quer durch das schöne Ostpreußen gehen sollte. Schon seit einer Reihe von Jahren zuvor hatte der Gau Villa des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs jedesmal mit dem beginnenden Sommer unter der Bezeichnung „Ostpreußenfahrt“ diese bemerkenswerte Motorsportveranstaltung im großen Stil durchgeführt, deren Bedeutung alle anderen motorsportlichen Veranstaltungen Ostpreußens überragte.

Ostpreußisches Auto-Abenteuer
Die große Besonderheit im Jahr 1929 war jedoch, dass diesmal in Ostpreußen der Gesamtclub als Veranstalter auftrat und das komplette Präsidium der Vereinigung vor Ort anwesend war. Man wollte nach Versailles nämlich deutsches Interesse und damit ver-bunden eine deutliche Präsenz demonstrieren. Das Automobil-Event war nur die eine Seite der Medaille, die Außenwirkung inklusive politischer Wirkung die andere. Verknüpfte die Veranstaltung doch die Beziehungen des Deutschen Reiches mit den Gau-Verbänden der Ostbezirke. Motorsport als eine verbindende Veranstaltung. Auch das war damals neu.

Dabei bestand die Ostpreußenfahrt aus zwei gleichzeitig abrollenden in sich völlig gesonderten Veranstaltungen. Zum einen wurde eine Zuverlässigkeitsfahrt über Tannenberg in Richtung zur Kurischen Nehrung durchgeführt, bei der die Automobile ihre technische Qualität unter Beweis stellen sollten. Zum anderen gab es die Rallye, bei der es nur darauf ankam, die vorgegebene Strecke über Allenstein und Königsberg möglichst schnell zu bewältigen.

Beide Fahrten waren ein aufregendes Automobil-Abenteuer, dass heute, rund 100 Jahre später, durchaus wiederholt werden könnte – aus Spaß, Freude am Auto und zum Gedenken an das schöne deutsche Ostpreußen.


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