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Mit Wollust atmen

Eine Breslauer Ausstellung erinnert an die große Zeit der Schlesischen Bäder

Chris W. Wagner
17.07.2021

Im einstigen Lustschloss des Breslauer Fürstbischofs Philipp Ludwig von Sinzendorf (1699-1747), dem sogenannten Weißen Vorwerk, befindet sich heute das Ethnografische Museum zu Breslau. Eine Sonderausstellung, die leider nur in polnischer Sprache gezeigt wird, nimmt den Betrachter mit auf eine Reise ins 19. Jahrhundert, als die feine Gesellschaft in Kurbädern nach Erholung suchte.

„Die Ausstellung konzentriert sich auf das ausgehende 18. und das komplette 19. Jahrhundert, als die Bäder florierten. Wir zeigen Fotografien, Drucke, historische Postkarten und allerlei Mitbringsel, vor allem aus schlesischen Kurorten, weil das unsere Besucher am meisten interessiert“, so Paulina Suchecka vom Ethnografischen Museum. Und auch wenn die schlesischen Bäder nicht zu den exklusivsten in Europa gehörten, so hätten sie ihre eigenen Vorzüge gehabt, meint Kuratorin Bożena Płonka-Syroka, Medizinhistorikerin von der humanistischen Fakultät der Medizinischen Universität Breslau. Bad Flinsberg [Świeradów Zdrój] zog insbesondere Aristokraten an. „Hier wurden alle Standards erfüllt, die von den guten Häusern des europäischen Adels erwartet wurden. Der Kurort wurde von der traditionsreichen Familie von Schaffgotsch gegründet. So war man dort unter seinesgleichen“, sagte Płonka-Syroka.

Bad Flinsberg am Queis [Kwisa] liegt am Nordhang des Isergebirges und ist umgeben von Fichtenwäldern. Bald schon wurde der Ort zum beliebten Luftkurort, „daß die Lungen die Luft mit Wollust athmen und daß ihr Hauch die Lebensgeister frisch entfacht“, schreibt 1873 Carl Deutsch in einem Bäderführer. „Landschaftlich schön gelegen, mit wunderschönen Aussichten, mit Wander- und Spazierwegen, mit heilenden Mineralquellen, einer guten medizinischen Betreuung und fast so vielen Ärzten wie im böhmischen Karlsbad wurde der Ort als komfortabel und bequem empfunden. Und anders als zum Beispiel in Cannes musste man nicht dauernd mit anderen Adelsgeschlechtern konkurrieren. In Bad Flinsberg konnte man mehr privat sein“, berichtete Kuratorin Płonka-Syroka. Im 19. Jahrhundert, als die Bäderkultur blühte, suchten Kurgäste nicht mehr nur nach Heilung oder medizinischer Betreuung. „Frauen wollten vor allem ihre Zwänge – auch die der Garderobe – etwas lockern. In der Kur durfte die Kleidung legerer sein, man traf beim Spazieren andere Frauen, kaufte ein, genoss die Natur und das alles im Zeichen lockerer Konventionen“, erklärte Płonka-Syroka. In der Präsentation findet man auch Unterwäsche, die die Dame der feinen Gesellschaft zum Baden trug.

Während der Adel Bad Flinsberg vorzog, traf sich der neue „Geldadel“ in Bad Salzbrunn [Szczawno Zdrój]. Als Bad Salzbrunn gegründet wurde, gab es dort gute Mineralquellen. Weil es in unmittelbarer Nähe des Waldenburger Industriereviers lag, war die Luft dort bereits im 19. Jahrhundert stark belastet, aber gerade die Nähe zu den Industriegebieten, auch zu Breslau, zog die Bourgeoisie dorthin. Die Industriemagnaten fanden Zerstreuung im Kurtheater oder bei Konzerten. Hier konnte man seinen Status demonstrieren“, sagte Kuratorin Płonka-Syroka. Man traf sich im Gesellschaftshaus nicht nur zum Dinieren, sondern auch zum Billard- oder Kartenspiel. Anerkannte Virtuosen und Schauspieler traten auf, und mindestens einmal in der Woche wurden Gesellschaftsbälle veranstaltet.

Der älteste schlesische Kurort, Bad Warmbrunn [Cieplice Zdrój], wurde gerne Königin der Bäder genannt. „Er verfügt über sehr gutes Mineralwasser und ein anregendes Klima. Bad Warmbrunn liegt im Tal mit einem romantischen Ausblick auf das Riesengebirge. Hier konnten die Ärzte wunderbare Spaziergänge auf Rezept ausstellen, die wegen der imposanten Aussicht auch tatsächlich gerne getätigt wurden“, sagte die Expertin für deutsche Kurorte nicht nur von einst. In einer ihrer Studien verglich sie die Sächsische Bäderlandschaft nach der Wende mit den heute polnischen Bädern in Schlesien. „Dabei haben die polnischen Einrichtungen gar nicht schlecht abgeschnitten“, sagte sie: „Ich bin Lokalpatriotin und werde nicht müde zu betonen, dass schlesische Bäder eine prachtvolle Architektur und wunderschöne Parkanlagen haben. Die Einrichtungen erfüllen europäische Standards. Unsere Kurorte befinden sich in der Nähe großer Städte, und so ziehen wir Gäste aus Breslau, Posen, aber auch aus Dresden und Berlin an. Wir sind konkurrenzfähig. Und wenn man bedenkt, dass der Großteil der Kurgäste heute Frauen sind, dann frage ich: Wo, wenn nicht bei uns, kann man die schönsten Kleider, Schmuck, Taschen und Schuhe kaufen?“.

• Die Ausstellung zur europäischen Bäderkultur im Ethnografischen Museum zu Breslau, ul. Traugutta 111-113, ist noch bis zum 19. September zu sehen.


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