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China

Möglicherweise eine Art Überlebensgarantie

Freund wie Feind sind auf Halbleiter aus Taiwan angewiesen. Sie sind damit an deren ungestörter Produktion und Ausfuhr interessiert

Bodo Bost
19.08.2022

Nach dem Besuch von Nancy Pelosi, der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, in Taiwan griff Festlandschina auf bekannte Instrumente wie Militäreinschüchterungen und Handelsbeschränkungen zurück. Die Militärübungen in der Umgebung Taiwans wurden als „Probe für die Wiedervereinigung“ bezeichnet. Die handelspolitischen Strafmaßnahmen beschränkten sich aber auf Zitrusfrüchte und Fisch und hatten weitgehend nur symbolischen Wert.

Anders wäre dies bei Sanktionen gegen Taiwans Halbleiterindustrie gewesen. Aber Peking ist von Taiwans wertvollstem Exportgut ebenso wie der Rest der Welt abhängig. Für Peking würden Sanktionen gegen Taiwans Halbleiterindustrie bedeuten, dass es sich selbst erheblichen Schaden zufügt, und anders als für andere Staaten ist für die Volksrepublik China eine erhebliche Selbstschädigung ein entscheidendes Argument gegen die Verhängung von Sanktionen.

64 Prozent des weltweiten Umsatzes entfallen auf Taiwan

Taiwan ist weltweit führend in der Halbleiterindustrie. Diese wichtigen Komponenten werden in allen Bereichen eingesetzt, von Smartphones und medizinischen Geräten bis hin zu Autos und Kampfflugzeugen. Laut dem Marktforschungsunternehmen TrendForce entfallen auf den Inselstaat 64 Prozent des weltweiten Umsatzes in der Halbleiterherstellung. Allein schon der Branchenführer, die „Taiwan Semiconductor Manufacturing Company“ (TSMC), dominiert mehr als die Hälfte des gesamten Weltmarktes. Südkorea, der nächstgrößte Hersteller, kontrolliert weniger als ein Fünftel des Marktes. Bei den modernsten Halbleitern entfallen sogar 92 Prozent der Produktion auf Taiwan. Für Taipeh, das nur noch von 13 Staaten und dem Heiligen Stuhl offiziell anerkannt wird, kann die Bedeutung der Halbleiterindustrie für die Wirtschaft und die Sicherheit der Insel kaum überschätzt werden. Nach Jahren explosionsartiger Nachfrage machen Halbleiter heute fast 40 Prozent der Exporte und etwa 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Insel aus.

„Taiwans Halbleiterindustrie ist für die Wirtschaft des Landes von entscheidender Bedeutung, da sich Taiwan als Hightech-Führer positioniert und die vierte industrielle Revolution auf Spitzen-Halbleiter angewiesen sein wird, die taiwanesische Unternehmen entwickeln und produzieren können“, erklärte James Lee, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Academia Sinica, der Nationalen Akademie der Wissenschaften von Taiwan, gegenüber einem arabischen Fernsehsender: „Die Halbleiterindustrie ist auch für die Sicherheit Taiwans von entscheidender Bedeutung, da sie Taiwans strategische Bedeutung für andere Länder, insbesondere die Vereinigten Staaten und Westeuropa, erhöht.“ Taiwan hat also im Bereich der Halbleiter die ganze Welt von sich abhängig gemacht.

Sechs Zehntel der weltweiten Nachfrage kommen aus der VRC

Einem Bericht des Congressional Research Service (CRS), der „public policy research“-Agentur des US-Kongresses, aus dem Jahr 2020 zufolge entfallen 60 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Halbleitern auf die Volkswirtschaft der Volksrepublik China (VRC). Mehr als 90 Prozent dieser Nachfrage werde durch Importe aus Taiwan und von Unternehmen aus Drittstaaten mit Produktion in Taiwan gedeckt, heißt es ferner in dem Bericht. Obwohl China Milliarden von Dollar in die Entwicklung seiner Industrie gesteckt hat, kontrolliert es weniger als zehn Prozent des Marktes, angeführt von SMIC mit Sitz in Shanghai. „China ist von Taiwan abhängig, weil chinesische Unternehmen zwar Halbleiter entwerfen können, aber nur eine begrenzte Kapazität haben, um sie zu produzieren, vor allem in den Spitzenbereichen“, so Lee.

Es ist ungewiss, wie lange die Dominanz Taiwans in der Halbleiterindustrie anhalten wird. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat die Abhängigkeit von ausländischer Technologie als die größte versteckte Gefahr bezeichnet, mit der China konfrontiert ist, und versprochen, die Selbstversorgung zu erhöhen. Im Rahmen der „Made in China“-Initiative hat Peking angekündigt, zwischen 2020 und 2025 1,4 Billionen Dollar in Hochtechnologieindustrien, darunter die Halbleiterindustrie, zu investieren. Aber wie es scheint, fehlen auch China in diesem Bereich die Fachkräfte. „Ich glaube nicht, dass China Sanktionen gegen die Halbleiterindustrie verhängen wird, solange es noch von taiwanesischen Unternehmen abhängig ist“, sagte Lee: „Das könnte sich ändern, wenn Peking eine stärkere eigene Produktionskapazität entwickelt, aber davon ist China noch einige Jahre entfernt.“ So lange wird China mit der Wiedervereinigung wohl noch warten müssen, auch wenn Russland nun mit dem Einmarsch in die Ukraine einen Präzedenzfall geschaffen hat.


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Kommentare

sitra achra am 22.08.22, 11:01 Uhr

Es geht in den Kommentaren hier lediglich um die tumbe Geopolitik. Die vitalen Interessen der Taiwaner werden schlicht ignoriert. So auch wir nur Spielball der big player sind? Wer so denkt, hat sich schon selbst aufgegeben.

Gustav Leser am 20.08.22, 14:12 Uhr

Großkonflikt China-USA
und russischer Präventivschlag in der Ukraine
stehen im Zusammenhang

Das ist schon richtig.

Tom Schroeder am 19.08.22, 21:34 Uhr

Die KPCh will auch die Fabriken und deren KnowHow in die Haende bekommen und USA werden im Falle eines Invasionsversuches mit jede Menge Feuerkraft darauf reagieren. Strategisch dumm war es schon, diese Produktionsstaetten in die Naehe von Mainland China zu legen - Kostendruck, also Gier war das Motif. Ebenso bei den meisten anderen Geschaeften mit China und die werden besonders uns Deutschen noch viel Verdruss bereiten, denn das laesst sich nicht dauerhaft aufrecht erhalten, da die KPCh sich wieder fuer eine Art "Neo-Maoismus" entschieden hat. Das technische Know-How hat sie ja nun schon von uns erhalten - sie halten sich nun fuer "ebenbuertig". Ich staune immer wieder ueber die duemmliche Naivitaet in den fuehrenden Kreisen - wirtschaftlich und politisch! Oder bekommen die Geld fuer solche strategischen Fehlentscheidungen? Fuer uns waere es besser, China waere weiterhin ein Agrarstaat geblieben!

Cornelius Angermann am 19.08.22, 10:35 Uhr

Das Problem ist nur: Der "Feind" sitzt wie eine große Katze vor dem Mauseloch und kann Taiwan im Handstreich erobern. Ob den USA das wirklich einen atomaren Konflikt wert ist? Der fände dann nämlich nicht in Europa sondern auch auf dem US-amerikanischen Territorium statt. Die Interkontinentalraketen Chinas reichen so weit. Und konventionell-militärisch haben die USA ebenfalls keine Chance. Für die USA ist der Nachschubweg in die Strasse von Taiwan sehr viel weiter als für die Chinesen!

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