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Raschau: Beispiel einer Tafel auf dem neuen Lehrpfad
Foto: WagnerRaschau: Beispiel einer Tafel auf dem neuen Lehrpfad

Östlich von Oder und Neiße

Montessori-Pädagogik hilft auch beim Volkstumsbewusstsein

Ein Lehrpfad informiert auf Deutsch und Polnisch über Bräuche und Alltag in Oberschlesien – Kinder zeigen großes Interesse

Chris W. Wagner
05.05.2023

Raschau [Raschowa] ist ein typisches oberschlesisches Dorf, in dem die gepflegten Häuser und Gehöfte planmäßig um einen zentralen Platz angelegt wurden. Die barocke katholische Kirche zur göttlichen Vorsehung steht neben der Fatima-Kapelle für die Frömmigkeit der Oberschlesier und das Denkmal für Gefallene des Ersten Weltkriegs für das historische Gedächtnis der Einwohner.

Doch das Dorf Raschau hat etwas, was andere nicht haben. In dem 19 Kilometer von der Woiwodschaftshauptstadt Oppeln [Opole] entfernten Ort entstand die erste von drei „Pro Liberis Silesiae“-Bildungseinrichtungen, die heute auf ganz Schlesien ausstrahlen. In dem Raschauer Kindergarten und der Grundschule wird nämlich nach dem Maria-Montessori-Prinzip gearbeitet, und das mit dem Hintergrund der deutschen Volksgruppe. Das Montessori-Konzept zielt darauf ab, Kinder in ihrer Persönlichkeit zu stärken, indem man sich auf die Bedürfnisse, Talente und Begabungen des Heranwachsenden konzentriert. Denn Kinder sollen am besten in ihrem eigenen Rhythmus lernen. Der Trägerverein Pro Liberis Silesiae ergänzt dieses Konzept durch eine konsequente Zweisprachigkeit.

Hinter dem Verein stehen die Schwestern Margarethe Wysdak und Barbara Loch. Ähnlich wie die Reformpädagogin und eine der ersten Ärztinnen Italiens, Maria Montessori (1870-1952), mussten sich die Schwestern durch ein bis heute deutschfeindliches polnisches Bildungssystem und viel Unverständnis seitens der ländlichen oberschlesischen Bevölkerung kämpfen.

Zwei Pädagoginnen mit außergewöhnlichen Ideen

Doch ihre Ergebnisse überzeugten schnell sowohl Eltern als auch Behörden sowie Geldgeber. Neben ihren Montessori-Schulen in Raschau, Guttentag [Dobrodzień] und Oppeln, ihrem über die Grenzen Oberschlesiens bekannten Kinderstadt-Projekt „Klein Raschau“ oder der kürzlich errichteten Sporthalle in Raschau haben sie nun die Einrichtung eines Lehrpfads angestoßen.

Dieser informiert auf acht Tafeln auf Deutsch und Polnisch über die Geschichte und den Alltag des Ortes, der jedoch für viele oberschlesische Dörfer beispielhaft ist. An dem Lehrpfad hat die Dorfgemeinschaft generationsübergreifend mitgewirkt. Anhand historischer Dokumente aus dem Oppelner Staatsarchiv und aus privaten Sammlungen oder aus Zeitzeugenberichten haben die Raschauer eine Chronik des Ortes geschaffen.

Der Raschauer Lehrpfad führt an einem historischen Löschwagen vorbei zu Informationen über die 1928 gegründete Freiwillige Feuerwehr. In unmittelbarer Kirchennähe informiert darüber hinaus ein kreisförmiger Kalender über die traditionellen Feste im Kirchenjahr und erklärt die Farbsymbolik in der katholischen Liturgie.

In der einstigen Dorfschule, die zu den ältesten im Kreis Oppeln gehört, sind heute eine Heimatstube, der Sitz des Ortsverbandes der Deutschen Minderheit und die Dorfbibliothek untergebracht. An diesem Gebäude sind gleich drei Tafeln angebracht. Eine erzählt über das Schulwesen im Oberschlesien der Vorkriegszeit. An dieser Tafel würden Schulkinder die längste Zeit verbringen, berichtet Sabina Prokop, Pädagogin an der Vereinsschule Pro Liberis Silesiae. Sie berichtet, die Kinder seien erstaunt, dass die Klassenräume von einst so groß waren und dass es im Winter wegen Mangels an Heizkohle zu Schulausfällen kam. Auch, dass viele Bauernkinder während der Erntezeit, anstatt die Schulbank zu drücken, bei der Ernte mithalfen.

Der Lehrpfad richtet sich auch an Erwachsene

Um Kinder zu motivieren, sich der Dorfgeschichte anzunehmen, wurde der Lehrpfad um Spiele ergänzt. Eine Art Schnitzeljagd führt die Spieler zu den geschichtsträchtigen Orten in Raschau und informiert zum Beispiel auch über Bräuche wie das oberschlesische Bärentreiben zur Fastnacht oder das Aufstellen eines Maibaumes und den Tanz in den Mai.

Prokop, die am Lehrpfad mitwirkte, wünscht sich, dass ihn Familien und besonders Großeltern mit ihren Enkeln begehen, denn auf diese Weise würden Erinnerungen der Alten wachgehalten, und man käme ins Gespräch. Der Lehrpfad soll nämlich nicht nur Kinder in ihrer Persönlichkeit stärken.


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