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Berliner Schloss

Monumentaler Bildersturm gegen das alte Preußen

Die „Zwingburg der Junker“ sollte einem Roten Platz nach Moskauer Vorbild weichen. Die Sprengung der Residenz der preußischen Könige wurde in aller Heimlichkeit vorbereitet

Klaus J. Groth
25.08.2020

Vor 70 Jahren, am 7. September 1950, ließ Walter Ulbricht die Ruine des Berliner Schlosses sprengen, um das Zeugnis des ihm verhassten Preußentums aus der deutschen Geschichte zu tilgen. Die Residenz der Preußenkönige galt als bedeutendstes Bauwerk des norddeutschen Barock.

Die Sowjetunion war der verehrte und bewunderte Lehrmeister der DDR in allen sozialistischen Lebenslagen. Ulbricht, ihr treuester Vasall, mühte sich, es dem Großen Bruder gleichzutun. Zentrum seiner „Hauptstadt Deutschlands, Berlin“ sollte ein Roter Platz wie in Moskau für Aufmärsche und Kundgebungen werden, „auf dem der Kampfwille und Aufbauwille unseres Volkes Ausdruck finden können“, wie er auf dem III. Parteitag der SED im Juli 1950 unter rauschendem Beifall erklärte. An dem Ort für sein Vorhaben erhob sich das 500 Jahre alte Berliner Stadtschloss, 1945 von zahlreichen Bomben getroffen, aber noch erstaunlich standfest. Es hätte wiederaufgebaut werden können.

Am 7. September 1950 verkündete das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“, der Fünf-Jahres-Plan für den Wiederaufbau Berlins sichere 1,89 Milliarden Mark zu. Im neu gestalteten Lustgarten könnten die Bürger schon ab dem 1. Mai des folgenden Jahres „ihren Willen zum Frieden bekunden“. Berichtet wurde auch die Ankündigung des Oberbürgermeisters Friedrich Ebert, „dass das ehemalige Königliche Schloss, das heißt, seine Ruine beseitigt wird“. Für „die mehr als 30 Millionen Mark, die allein ausgegeben werden müssten oder müssen, um den Schlüter Teil, d.h. den am Wasser gelegenen Teil des Schlosses zu erhalten, hierfür denke ich können wir in Berlin sehr viele sonnige Wohnungen für die Aktivisten und auch noch einige Krankenhäuser, die wir sehr dringend benötigen, bauen“, so der einst sozialdemokratische und nun sozialistische Reichspräsidentensohn weiter.

Die Kriegsschäden waren reparabel

Das Parteiorgan verschwieg, dass die Sprengung des Schlosses schon am selben Tag beginnen sollte. Um 12.30 Uhr erschreckte die Berliner eine gewaltige Detonation. Viele folgten. Die dicken Mauern der ehemaligen Hohenzollernburg trotzten dem von den Sowjets zur Verfügung gestellten Dynamit. Was Ulbricht hatte verhindern wollen, trat ein. Namhafte Kunsthistoriker und Denkmalpfleger wie Johannes Stroux, Ernst Gall und Richard Hamann erhoben Protest gegen den Abriss des Schlosses, das, so Hamann, „in allen Kunstgeschichten der Welt genannt und abgebildet ist“. Otto Grotewohl, Ministerpräsident der DDR, beruhigte die aufgeschreckten Genossen: „Jetzt schreien alle, und wenn das Schloss weg ist, kräht kein Hahn mehr danach.“ In den westlichen Sektoren und auch im Osten fanden Protestversammlungen von Bürgern statt. Unterstützung kam sogar von unerwarteter Seite. Kurt Liebknecht, Neffe von Karl Liebknecht, argumentierte mit marxistischer Dialektik: „Genossen, ich höre immer, dass die Zwingburg der Junker abgerissen werden müsse. Aber ich habe noch nie einen Junker mit einer Maurerkeller oder einem Hobel gesehen. Genossen, ihr wollt das Werk der deutschen Arbeiter zerstören. Das ist unser Schloss, nicht das Schloss der Hohenzollern.“

Aber Ulbricht ließ sich auch von einem prominenten Alt-Kommunisten nicht umstimmen. Der Abriss dauerte vier Monate. Erst zum Jahreswechsel fiel das Eosander-Portal.

Wie viele Leibeigene und Frondienstleistende unter den Werktätigen waren, die Stein auf Stein die Burg „Zwing Cölln“ zwischen 1443 und 1451 errichteten, ist nicht bekannt. Bauherr war Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg, genannt Eisenzahn (1413–1471). Die Burg lag an der Spree im cöllnischen Teil der Doppelstadt Berlin-Cölln. Eine hölzerne Brücke führte über den Fluss, die einzige Verbindung zwischen beiden Städten. Wer hinüber wollte, musste den Hohenzollern Zoll bezahlen. 1451 zog der Kurfürst ein. In den folgenden Jahrhunderten wurde die trutzige Burg um- und angebaut. Alle Architekten, die in Preußen Rang und Namen hatten, setzten sich hier ein Denkmal. Der Baumeister und Bildhauer Andreas Schlüter gestaltete die Fassaden zur Stadt und Prunkräume im Stil des italienischen Barocks. Der Innenhof an der Spreeseite wurde nach ihm benannt.

Im Mai 1945 wurde der Architekt Hans Scharoun von der sowjetischen Stadtkommandantur zum Leiter der Abteilung Bau- und Wohnungswesen beim Magistrat von Berlin ernannt. Im provisorisch hergerichteten Weißen Saal des Schlosses stellte er seine Pläne und die seiner Kollegen für den Wiederaufbau Berlins vor. Dabei fand die Ruine keine Verwendung mehr.

Nach ihrem Abriss wurde das trostlose Areal in Marx-Engels-Platz umbenannt. Hier fanden Aufmärsche und vor allem die Paraden am 1. Mai statt.

1973 beschloss der Ministerrat der DDR, einen Palast der Republik als „Haus des Volkes“ zu errichten. Vom „Volk“ erhielt er die Spitznamen „Palazzo Protzo“ und „Erichs Lampenladen“. Das asbestverseuchte Bauwerk wurde nach der deutschen Vereinigung 2006 auf Beschluss des Bundestags abgerissen.

Protest kam auch von links

Als der Gedanke aufkam, das Schloss neu aufzubauen, lieferten sich Befürworter und Gegner heftige Gefechte. 2013 wurde der Grundstein für eine Rekonstruktion des Schlosses gelegt, die allerdings nicht alle Teile umfasst. Bauherrin und Eigentümerin ist die „Stiftung Humboldt-Forum“ im Berliner Schloss. Zur Erinnerung an das geistige Erbe der Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt soll der Komplex museale Sammlungen, unter anderem das Dahlemer Museum, aufnehmen und kulturellen sowie wissenschaftlichen Veranstaltungen Raum bieten. Die endgültige Fertigstellung ist für 2021 vorgesehen.


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Kommentare

Thilo Jansen am 31.08.20, 06:53 Uhr

Vielleicht sollte in die Betrachtung einfließen, welches Elend vorausgegangen war und daß es sich um eine Ruine handelte. Die DDR hätte also das Schloß wiederaufbauen müssen, was sie halt nicht wollte. Die historische Wahrheit wird auch ergänzt durch die ähnlich rein ideologisch motivierte Zerstörung des Palast der Republik an gleicher Stelle. Symbolpolitik im Zentrum der deutschen Hauptstadt ist also keineswegs den bösen Kommunisten vorbehalten. Und die Handelnden nach 1990 hatten in ihrer Vita nicht Jahrzehnte der Entbehrungen, welche ihre Motivation vielleicht anfachten. Für eine positive Zukunft sollten wir ehrlich mit der Geschichte umgehen und differenziert bewerten.

Lothar Liedtke am 28.08.20, 01:20 Uhr

Der unbedingte Wille zur Vernichtung von Bauten und Denkmälern, die nicht in das ideologische oder pseudo religiöse Konzept passen hat eine lange schlimme Tradition.
Das Beispiel, das Ulbricht das Berliner Stadtschloß sprengen ließ, die Leipziger Universitätskirche und andere vermeintliche schändliche Bauten, haben andere Eiferer dankend übernommen.
Die Taliban haben dies Dank medialer Aufmerksamkeit in Syrien nachvollzogen.
Kann man nun Walter Ulbricht als den Vorläufer der Taliban bezeichnen?

sitra achra am 26.08.20, 09:32 Uhr

Auch Hitler wollte Berlin nach seinen Maßstäben umwandeln. Diktatoren haben anscheinend diesen Drang.

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