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Neue Facetten aus ihrem Dichterleben
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der literarischen Agnes-Miegel-Gesellschaft ist um die Jahreswende 2020/21 ein „Biografisches Lesebuch“ mit „Mosaiksteinen zu Agnes Miegel“ erschienen.
Die 50-jährige Geschichte der Agnes-Miegel-Gesellschaft (AMG)wird detailliert dokumentiert, aber das ergibt „mehr als eine Chronik“. Das ist ein Spiegel der Geschichte der Bundesrepublik von 1969 bis heute – erweitert um ein facettenreiches Kaleidoskop an Informationen, Dokumenten, Quellen und Einzelanalysen rund um Agnes Miegel. Diese „Mosaiksteine“ lassen sich zu einem wechselreichen, bunten, schweren, leidvollen und glücklichen Leben zusammensetzen.
Handliche Zusammenfassung
Das Buch beginnt mit einem kurzen Überblick über Leben und Werk Agnes Miegels (1879-1964), für Kenner eine handliche Zusammenfassung, für „Neulinge“ ein notwendiger und hilfreicher Einstieg zur Orientierung.
Das Leben der Dichterin bekommt bereits in der Dokumentation der Festveranstaltung „50 Jahre Agnes-Miegel-Gesellschaft“ am 9. März 2019 in Bad Nenndorf so viel Kontur, dass auch „neue“ Leser gut gerüstet sind für die später ausführlich dargestellten Stationen ihres Lebens. Lorenz Grimoni schildert seine Begegnungen mit Agnes Miegel bei den Königsberger Treffen in Duisburg und die Pflege des Andenkens an die Dichterin in dieser Patenstadt Königsbergs.
Der Historiker Professor Paul Leidinger zeichnet in seinem erweiterten Festvortrag Agnes Miegels letzte Lebensjahrzehnte nach der Flucht aus Königsberg 1945 nach und stellt verschiedene Kreise vor, die der 1969 (fünf Jahre nach dem Tod der Dichterin) gegründeten AMG vorangingen, vor allem den „Tatenhausener Kreis“ in Warendorf, der 1958 eine Agnes-Miegel-Plakette stiftete, die bis 1993 an 36 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verliehen wurde, die sich um den Brückenschlag zwischen Vertriebenen und Einheimischen verdient gemacht hatten.
Politische Anfeindungen
Paul Leidinger beschreibt detailliert die Arbeit der Gesellschaft: Erwerb des Hauses in Bad Nenndorf, Einrichtung der Gedenkstätte, Bereicherung des kulturellen Lebens durch Lesungen und Jahrestreffen, Publikationen und letztlich die schweren Kämpfe gegen die politischen Anfeindungen. Er stützt sich dabei auf die Chronik „Dreißig Jahre Agnes-Miegel-Gesellschaft“ von Christa Benz und geht auf die letzten drei Vorsitzenden Hannelore Canzler (1986-1998), Christa Benz (1998-2001) und Marianne Kopp (seit 2002) näher ein. Sie alle setzten sich ehrenamtlich für das Ziel ein, das die Vereinssatzung vorgibt: „Das Andenken der Dichterin zu bewahren und in der Öffentlichkeit lebendig zu erhalten.“
Mit den „Mosaiksteinen “ hat Marianne Kopp als Herausgeberin und Autorin etlicher Beiträge ein Nachschlagewerk vorgelegt, das sich zudem spannend liest.
Die Geschichte des Agnes-Miegel-Hauses und des Vorstandes der AMG von 1999-2019 wird (die Chronik über 30 Jahre AMG von 1999 fortführend) dokumentiert. Alle kulturell anspruchsvollen Veranstaltungen und Publikationen 1999-2019 werden vollständig aufgeführt. Annemete von Vogel, 2. Vorsitzende der AMG, fasst die „Chronik der Gedenktafel“ am Haus in der Hornstraße 7 in Königsberg zusammen; so entsteht ein bequemer Überblick über den zuerst anrührenden und später so unerfreulichen Umgang mit Agnes Miegel in ihrer russisch gewordenen Geburtsstadt.
In Bad Nenndorf wird das 1994 im Kurpark aufgestellte Agnes-Miegel-Denkmal, über Jahre hin eine Attraktion, im Februar 2015 demontiert. Um das Buch „Agnes Miegel. Ihr Leben, Denken und Dichten von der Kaiserzeit bis zur NS-Zeit“ gibt es einen Vertragsbruch des Verlages, der vor Gericht zu Gunsten der AMG entschieden wird. Dispute unter Germanisten und Journalisten zur Miegel-Rezeption nehmen kein Ende. Marianne Kopp hat alles zusammengetragen, einschließlich Zeitungsartikel und Leserbriefe, unter genauester Quellenangabe.
Die Ansprachen an Agnes Miegels Grab von 2002 bis 2020, die die 1. Vorsitzende und jahrzehntelange Miegel-Forscherin Marianne Kopp jeweils im März anlässlich des Geburtstages von Agnes Miegel am 9. März 1879 und anlässlich ihres Todestages am 26. Oktober 1964 hielt, zeigen in kurzen Essays von thematisch bunter Vielfalt neue Seiten an Agnes Miegels Persönlichkeit, Leben und Werk auf. So spiegeln ihre Bemühungen um Berufsausbildung und Berufstätigkeit die – damals begrenzten – Möglichkeiten für Frauen und Mädchen wider. Noch nachdrücklicher wird ihre Rolle als Tochter hinterfragt. Aufenthalte in England, Paris und Berlin hatten ihr ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, das ihre dichterische Begabung förderte, als sie 1906 nach Königsberg gerufen wurde, um nun elf Jahre ihrem erblindenden Vater den Haushalt zu führen und ihn immer intensiver zu pflegen. Das bedeutete einen Bruch in ihrer Biografie, ein Opfer, das für sie mit Verarmung und Vereinsamung verbunden war. Erst heute, unter dem Aspekt der „Selbstverwirklichung“, wird das Ausmaß eines solchen Eingriffs in ein Leben deutlich.
Versöhnungswille
Marianne Kopp erinnert in den Ansprachen an Agnes Miegels Reisen, an ihre Freundschaften, an ihre Eltern, an ihre Liebe zu Kindern, an ihren Schmerz über die verlorene Heimat und an ihren Versöhnungswillen.
Diese biografischen Mosaiksteine und nicht minder die umfangreiche Materialsammlung zu dem Thema „War Agnes Miegel eine Nazi-Dichterin“ ergeben eine interessante und aufschlussreiche Lektüre, sowohl zur Aufarbeitung des NS-Kulturbetriebes wie besonders zur Politisierung von Geschichte und Literatur. Die Rolle von Agnes Miegel im Dritten Reich wird durchaus nicht verschwiegen und verdrängt, im Gegenteil, aber Marianne Kopp und die von ihr aufgeführten Autoren versuchen, Verständnis für Agnes Miegels Lebenswirklichkeit unter den politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in ihrer Zeit zu
wecken, und warnen vor einer Reduzierung des Gesamtwerkes auf wenige „linientreue“ Texte. Während viele Kritiker Agnes Miegels Leben mit dem historischen Mehrwissen heutiger Zeit betrachten und beurteilen, sind die 15 Autoren dieser Materialsammlung bemüht, Agnes Miegel in ihrer Zeit zu sehen und zu verstehen.
Rolle im Nationalsozialismus
Gerade angesichts der verbreiteten Presse-Polemik und der Fülle von Diffamierungen Agnes Miegels in den Medien bietet das Buch Ratsuchenden eine erfreulich sachliche Handreichung mit Information und Orientierung von verschiedensten Autoren wie zum Beispiel Willy Brandt.
Für die Miegel-Forschung hat Marianne Kopp einen überaus bedeutenden Beitrag geleistet und darüber hinaus zur präzisen
Forschung und zur differenzierten Beurteilung aufgerufen. Paul Leidinger fordert, „das Andenken an die deutsche Dichterin zu bewahren und ihr literarisches Werk zu betreuen und weiter zu erforschen, ist eine nationale Aufgabe“. Marianne Kopp bringt zudem Hinweise bei, dass die Miegel-Forschung auch in der polnischen, russischen und israelischen Germanistik angekommen ist.
Erhältlich ist das Buch bei der
Agnes-Miegel-Gesellschaft
31542 Bad Nenndorf
Agnes-Miegel-Platz 3
Telefon (05723) 917317, E-Mail: post@agnes-miegel-gesellschaft.de
sitra achra am 14.03.21, 13:08 Uhr
Ich lese die Gedichte von Agnes fast mit religiöser Inbrunst.
Diese deutsche Nachkriegs-Schw...gesellschaft wird mit Schimpf und Schande untergehen, und dann wird niemand mehr irgendjemand auf Nazicode untersuchen und in political korrekter Weise defamen.
Auch in der neuen lingua franca, dem Chinesischen, wird der Zauber, der von Miegel ausgeht, erfahrbar sein.