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Finnland

Moskau schielt auf die Åland-Inseln

Nach der Krim und der Ukraine hat Putins Expansionsdrang ein neues Ziel im Visier: 6757 Inseln

Bodo Bost
24.09.2024

Die Ostsee ist seit Jahren ein potentieller Krisenherd zwischen der Russischen Föderation und ihren westlichen Nachbarn. Das Meer, das nach dem Beitritt Finnlands und Schwedens zum transatlantischen Bündnis nahezu vollständig von NATO-Staaten umschlossen ist, dient der russischen Ostseeflotte, die von den strategisch wichtigen Häfen St. Petersburg und Königsberg aus operiert, als lebenswichtiges Tor zur Welt und als Route für den Schiffsverkehr mit einem Handelswert in Höhe von etwa 160 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Schwachstelle an der Nordfront
Da Präsident Wladimir Putin und seine Verbündeten mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die jüngsten NATO-Mitglieder Schweden und Finnland drohen, die ihre jahrzehntelange offizielle Neutralität aufgegeben haben, entwickelt sich die Ostsee mehr und mehr zum neuen Spannungsgebiet zwischen der Nato und Russland. Jeder künftige Konflikt dort – sei es ein hybrider oder ein konventioneller – könnte auf die Kontrolle über eine Handvoll leicht zu verteidigender Inseln hinauslaufen, die, wie einige Beobachter befürchten, eine eklatante Schwachstelle an der Nordfront der NATO darstellen.

Die finnischen Åland-Inseln und die schwedische Insel Gotland liegen in der Mitte der Ostsee, erstere fast in gleicher Entfernung zwischen den beiden Staaten, letztere gegenüber der Küste Lettlands im Osten, entlang der Seeroute von Königsberg nach St. Petersburg. Nach dem Anschluss der Krim durch Russland und dem Schüren von Aufständen in der Ostukraine hat Schweden 2016 wieder ständige Truppen auf Gotland stationiert und baut seitdem seine militärische Präsenz dort schrittweise aus.

Die Verstärkung von Inseln nach schwedischem Vorbild könnte Helsinki als Muster dienen, auch wenn sich die finnische Führung bisher zurückhaltend gezeigt hat. Eine Umfrage des Senders Yle aus dem Jahr 2022 ergab, dass 58 Prozent der Finnen eine Militärpräsenz auf der autonomen, 6757 Inseln umfassenden Inselgruppe befürworten würden. Die Sicherheitsbedenken rund um Åland bestehen schon seit Russlands Angriff auf die Ukraine, aber haben das heikle Thema nun wiederbelebt.

Russlands Ostsee-Außenposten
Die vielen Inseln zwischen Schweden und Finnland, die vorwiegend von schwedischsprachigen Finnen – Schwedisch ist offizielle Amtssprache – bewohnt werden, waren von 1809 bis 1917, wie Finnland selbst, Teil des Zarenreichs. Davor hatten sie zur schwedischen Krone gehört. Allerdings gelang es französischen und britischen Marineeinheiten, die russischen Inseln 1856 während des damaligen Krimkrieges zu erobern. Beide Länder waren Verbündete des Osmanenreiches. Deshalb wurden die Inseln nach dem Friedensvertrag, der den Krimkrieg beendete, demilitarisiert, blieben aber bei Russland. In weiteren Verträgen wurde dieser Status bestätigt, zuletzt 1940 zwischen der Sowjetunion und der Republik Finnland. Über diesen Status wacht ein russisches Konsulat in der Provinzhauptstadt Mariehamn.

Auf diese Besonderheit der Insel scheint es die russische Propaganda jetzt abgesehen zu haben, was als Retourkutsche auf den finnischen Nato-Beitritt gewertet wird. So wies der russische Fernsehmoderator Jewgenij Popow vom Sender Rossija 1 darauf hin, dass der Archipel russisch und nicht finnisch gewesen sei. Ungefähr auf die gleiche Weise hatte man vor 2014 darauf hingewiesen, dass die Krim angeblich nie Teil der Ukraine war. Popow war nicht der einzige russische Medienmacher, der sich auf dieses Thema bezog. Bereits mehr als 2500 Mal wurden die Åland-Inseln dieses Jahr in den russischen Staatsmedien erwähnt, so eine finnische Erhebung.

Es wurde sogar behauptet, dass auf diesen Inseln mehr Russen als Finnen leben, wobei faktisch unter den rund 30.000 Einwohnern der Inseln fast kein einziger Russe weilt. Auch von der Krim wurde vor 2014 behauptet, dort lebten mehr Russen als Ukrainer. Parallelen zu 2014 drängen sich also in Bezug auf russische Absichten inklusive neuer militärischer Eskapaden zunehmend auf.

Verteidigung ohne Stationierung
Finnische Gegner der Demilitarisierung werfen ein, dass der Vertrag heute ungültig sei, da die Russische Föderation kein Unterzeichnerstaat sei. Doch einige Völkerkundler sehen wiederum die Russische Föderation völkerrechtlich als identisch mit der UdSSR an. Seit 2022 regiert die konservative „Nationale Sammlung“ unter Petteri Orpo, die schon vor 2022 einen Beitritt Finnlands zur westlichen Verteidigungsallianz forderte.

In dieser Partei gibt es Stimmen, welche sich dafür aussprechen, finnische Truppen auf der Inselgruppe zu stationieren. Staatspräsident Aleksander Stubb, dessen Besuch im August auf den Inseln die Fantasie der russischen Berichterstattung befeuerte, erklärte, man sei auch ohne Stationierung in der Lage, die sechs bewohnten Schären-Inseln effektiv zu verteidigen.


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