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„Giftanschlag“ auf Tino Chrupalla – Ähnliche Angriffe werden immer wieder aus Berliner Klubs gemeldet
Am 4. Oktober brach AfD-Chef Tino Chrupalla bei einem Wahlkampf-Auftritt in Ingolstadt zusammen und musste in eine Klinik eingeliefert werden, wo er für eine Nacht intensivmedizinisch überwacht wurde. Nach eigenen Angaben hatte sich Chrupalla bei der Veranstaltung in Ingolstadt plötzlich unwohl gefühlt.
Noch immer gibt der Vorfall Rätsel auf: Chrupalla hat in Dresden eine Gewebeuntersuchung machen lassen, die seine Vermutung eines Anschlages zu bestätigen scheint. Laut dem Untersuchungsbericht stellten die Mediziner am rechten Oberarm Chrupallas einen „mindestens“ vier Millimeter tiefen „Defekt“ und „entzündliche Veränderungen“ fest. Weiter heißt es in dem Bericht: „Abschließend sind die vorliegenden histologischen Befunde vereinbar mit einem hier bis in die tiefe Dermis reichenden Einstich/Stichkanal (mindestens vier Millimeter).“
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden an der Kleidung Chrupallas auch Blutflecke festgestellt, die von ihm stammen. Andererseits wurde bereits in einem sehr frühen Stadium der Ermittlungen berichtet, im Blut Chrupallas seinen keine giftigen Stoffe nachgewiesen worden. Angesichts dieser Umstände sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft schwierig. Durchaus denkbar ist allerdings, dass der 48-Jährige zum Opfer eines sogenannten Needle Spiking (zu Deutsch: Nadelstechen) geworden ist.
Einstichstelle und Blutflecken
Berichte über solche Attacken, bei denen mit Spritzen den Opfern absichtlich Rauschmittel injiziert werden, tauchen in der Berliner Klubszene bereits seit vergangenem Jahr immer wieder auf. Für ihre Attacken nutzen die Täter zumeist den Schutz und die Anonymität großer Menschenmengen in Klubs oder auf Veranstaltungen.
Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres registrierte die Berliner Polizei sieben mutmaßliche Fälle von Spritzenattacken. Aufmerksamkeit erregte vergangenes Jahr der Fall der Sängerin Zoe Zanias, die öffentlich machte, sie sei im Berliner Technoclub Berghain das Opfer von Needle Spiking geworden: „Auf der Tanzfläche habe ich auf einmal Atemnot bekommen und bin zusammengebrochen. Dann bin ich blau angelaufen und hatte Krämpfe auf dem Boden. Später haben wir einen Nadeleinstich an meinem Arm gefunden“, so die gebürtige Australierin.
Ebenso wie bei der unbemerkten Verabreichung von K.O.-Tropfen durch Kriminelle ist die Dunkelziffer bei den Nadelattacken vermutlich hoch. Ermittler gehen davon aus, dass nur ein kleiner Teil der Taten überhaupt zur Anzeige gebracht wird. Verurteilungen wegen Nadelangriffen hat es in Europa bislang noch gar nicht gegeben.
Erste Berichte über Needle Spiking sind in Großbritannien im Oktober 2021 aufgetaucht. Schon 2022 registrierte die britischen Polizei mehr als 2000 Fälle. Mittlerweile hat sich das Phänomen auch auf Frankreich, Belgien und Deutschland ausgebreitet. Auch auf der Zürcher Street Parade im Jahr 2022 sollen acht Personen zum Ziel von Nadelattacken geworden sein. Über die Motive der Täter gibt es bislang nur Vermutungen.
Andrea Piest, Referentin im Berliner Drogennotdienst, nannte gegenüber dem Sender MDR drei potentielle Motive: „Das erste Motiv wäre sexualisierte Gewalt. Das zweite wäre Raub, also persönliche Bereicherung. Und das dritte Motiv wäre eine Art positiver Effekt für die Persönlichkeit, Macht über andere auszuüben.“
Bislang sind sich die Ermittler nicht einmal sicher, was den Opfern gespritzt wird. Das Problem dabei: Die vermutlich verabreichten Substanzen lassen sich nur wenige Stunden im Urin oder Blut nachweisen. So ist etwa der K.O.-Wirkstoff Gammahydroxybutyrat (GHB) nach Aufnahme bereits nach sechs Stunden soweit abgebaut, dass im Blut eine Unterscheidung vom natürlichen GHB-Spiegel kaum noch möglich ist.
Angesichts der vielen offenen Fragen halten einige Experten die Berichte über die Spritzenangriffe in Klubs oder auf Partys sogar für einen Mythos. Der amerikanische Medizinsoziologe Robert Bartholomew äußerte etwa gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“ („NZZ“) den Verdacht, dass viele der berichteten Fälle auf Menschen zurückgehen, „die sich während einer Party unwohl fühlten und im Nachhinein fälschlicherweise eine Nadelattacke dafür verantwortlich machten“. Der Medizinsoziologe schloss allerdings auch nicht aus, dass es „sicher eine Handvoll Einzelgänger“ gebe, die versuchen, mit Nadelattacke Aufmerksamkeit zu erregen.
Die Klubszene in der Hauptstadt nimmt das Phänomen Needle Spiking jedenfalls ernst. Die Berliner Klubkommission hat bereits vergangenes Jahr einen runden Tisch mit dem Titel „Gemeinsam gegen Spiking“ organisiert. Auch mit Blick auf das sogenannte Drink Spiking, bei dem Opfern unbemerkt K.O.-Tropfen ins Getränk gemischt werden, haben viele Clubs ihre Einlasskontrollen seitdem verstärkt.